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Ausgabe:

Januar/2014

Spalte:

129–130

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Mykhaleyko, Andriy

Titel/Untertitel:

Die katholischen Ostkirchen. Die Kirchen der Gegenwart 3.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2012. 183 S. = Bensheimer Hefte, 113. Kart. EUR 19,99. ISBN 978-3-525-87240-6.

Rezensent:

Erich Bryner

Die katholischen Ostkirchen sind eine Gruppe von Kirchen im Orient und in Osteuropa, die orthodoxen Ursprungs sind und im Laufe der Geschichte mit Rom eine Union eingingen. Sie feiern den Gottesdienst nach orthodoxer Tradition, pflegen Disziplin und Frömmigkeit nach dem orthodoxen Brauchtum, gleichzeitig sind sie dem Heiligen Stuhl unterstellt. Die Kirchen haben somit eine doppelte Identität. Mit dieser Problematik beschäftigt sich Andriy Mykhaleyko, Priester der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche und Direktor des Instituts für Kirchengeschichte an der Ukrainischen Katholischen Universität Lviv/Lemberg (Ukraine), in seinem gedrängten und doch umfassenden Überblick über die his­torische Entwicklung, die gegenwärtige Situation und die ökumenischen Herausforderungen dieser Kirchen, die eine »ekklesische Sondergruppe« in der römisch-katholischen Weltkirche bilden.
Im Teil A der Darstellung zeigt M. das Gemeinsame dieser Kirchen auf: Der Codex Canonicus Ecclesiarum Orientalium (CCEO) aus dem Jahre 1990 ist das verbindliche Gesetzbuch, die Sacra Congregatio pro Ecclesiis Orientalibus von 1967 die letzte Instanz für Fragen der Liturgie, der Theologie und der Klerikerausbildung. Dazu kommen Forschungs- und Ausbildungsinstitute wie das Päpstliche Orientalische Institut und das Studienkolleg Russicum. Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurden die früheren Unionsbestrebungen unter den Orthodoxen abgelöst durch eine neue Konzeption ökumenischer Zusammenarbeit mit den als Schwes­terkirchen anerkannten katholischen Ostkirchen.
Ausführlich behandelt M. die historischen Hintergründe der Unionen, die er auf der einen Seite im theologischen Streben nach kirchlicher Einheit, auf der anderen Seite aber auch in politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Handlungsmotiven ortet. Die Bilanz der vielfältigen Unionsbemühungen ist seiner Meinung nach ernüchternd. Mit Ausnahme der Kirche der Maroniten kamen nur Teilunionen zustande, es kam zu weiteren Kirchenspaltungen, zu Rivalitätskämpfen und zu einer Vermehrung der hierarchischen Strukturen. Ein besonderes Problem stellen die vielen Versuche von Latinisierung dar, ein Phänomen, das noch weiterer Forschungen bedarf, während viele unierte Kirchen mehr die nationalen Traditionen pflegen wollten und immer wieder Sympathien mit Nationalismus, Faschismus und Kommunismus pflegten oder pflegen mussten. Die Neuorientierung der vatikanischen Politik gegenüber den unierten Kirchen kam in einer Reihe von Dokumenten zum Ausdruck, von Orientalium dignitas (1894) über Orientalium Ecclesiarum im Zweiten Vatikanischen Konzil bis zur Enzyklika Ut unum sint von 1995.
Teil B gibt eine Übersicht über die gut zwei Dutzend katholischen Ostkirchen. Eingeteilt sind sie nach ihrer theologischen und kirchenpolitischen Herkunft in die Kirchen der ostsyrischen, westsyrischen, koptischen und äthiopischen, armenischen und byzantinischen Traditionen. Die ostsyrische, westsyrische, koptische, äthiopische und die armenische unierte Kirche waren seinerzeit gezwungen worden, die theologischen Formeln der Konzilien von Ephesus (431) und Chalcedon (451) anzunehmen, um in der Lehre mit der römisch-katholischen Kirche übereinzustimmen. Unter den Kirchen der byzantinischen Tradition sind die ukrainische, rumänische und ruthenische Kirche die bedeutendsten. Außerdem gibt es sehr kleine unierte Kirchen in Griechenland, Bulgarien und im ehemaligen Jugoslawien.
Teil C handelt von den ökumenischen Problemen der heutigen Zeit. Da das Zweite Vatikanische Konzil die östlich-orthodoxen und die orientalisch-orthodoxen Kirchen als Schwesterkirchen anerkannte und mit ihnen gute ökumenische Beziehungen aufnahm, fühlten sich die katholischen Ostkirchen, insbesondere die, welche in den Ländern mit kommunistischer Herrschaft verfolgt wurden, im Untergrund lebten und mit vielen Opfern dem Heiligen Stuhl treu blieben, oft vor den Kopf gestoßen. Die vatikanische Politik geriet in eine fast unlösbare Zwickmühle: Pflegte sie gute Beziehungen mit den Orthodoxen Kirchen, sahen sich die Unierten benachteiligt; pflegte sie aber gute Beziehungen mit den Unierten, protestierten die Orthodoxen gegen Uniatismus und Proselytis­mus. Der Konferenz von Balamand 1993, die dieses Dilemma aufzuarbeiten versuchte, war nur ein bescheidener Erfolg beschieden.
Es ist M. sehr gut gelungen, Geschichte und Theologie der ka­tholischen Ostkirchen einschließlich der Probleme heutigen ökumenischen Handelns in der gebotenen Kürze präzise und klar darzustellen. Die politischen und kirchenpolitischen Interessen und Hintergründe, die zu den Unionen führten, die römische Unionspolitik überhaupt werden nüchtern und realistisch bewertet. Zu den einzelnen katholischen Ostkirchen finden sich auch die wichtigsten Grundinformationen über die gegenwärtige Lage. Wertvoll ist das ausführliche Quellen- und Literaturverzeichnis.
In einigen Punkten hätte man sich noch zusätzliche Informationen ge­wünscht, etwa bei der Latinisierung und Portugalisierung der Thomaschristen (Synode von Djamper) oder bei den Ausführungen über die Konferenz von Balamand. Auf S. 60 kommt Lenin zu gut weg: Schon er hat die Kirchen brutal verfolgt, nicht erst Stalin. Und bei der Erwähnung der Untergrundkirchen in der Sowjetunion sollten die nicht-registrierten Baptisten nicht vergessen werden (121).