Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Januar/2014

Spalte:

121–123

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Schrappe, Christine

Titel/Untertitel:

Personalentwicklung im Bereich Seelsorgepastoral. Ein Schlüsselinstrument zur Gestaltung einer zukunftsfähigen Kirche.

Verlag:

Würzburg: Echter 2012. 344 S. = Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge, 88. Kart. EUR 36,00. ISBN 978-3-429-03462-7.

Rezensent:

Sabine Bobert

»Ziel dieser Arbeit ist es, Gestaltungsmöglichkeiten für strategische Personalentwicklung theologisch zu reflektieren und praktische Handlungsoptionen aufzuzeigen.« (20) Die Autorin Christine Schrappe arbeitete zehn Jahre lang als Diözesanreferentin und ist derzeit als Referentin am Institut für Theologisch-Pastorale Fortbildung der Diözese Würzburg tätig. Ihr Buch kann Neueinsteigern als Handbuch für diesen Themenbereich dienen. Es erörtert nach einer Einleitung in einzelnen Kapiteln das Kränkungspotential der derzeitigen religiösen Situation für kirchliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, stellt dann die Geschichte, Ziele und wei­-tere Aspekte von Personalentwicklung dar, erörtert das Proprium kirchlicher Personalentwicklung, stellt Aspekte »lernender Organisationen« dar, nimmt kirchenspezifische Problemanzeigen in den Blick, fragt nach alt- und neutestamentlichen Impulsen und entwickelt abschließend konkrete »Leitbilder, Tugenden und Kompetenzen« (287 ff.).
S. will die »Auflösung traditioneller Berufsbilder« und »die Frage nach der Rolle und Identität« aller pastoralen Dienste (15) positiv nutzen, indem sie zeitgemäße Profile entwickelt. In der katholischen Kirche in Deutschland ist diese Frage durch den Priestermangel und die Notwendigkeit, ausgleichend Laien einzustellen, noch dringlicher als in der evangelischen Kirche, die zudem bereits zahlreiche Reformen im Berufsbild des Pfarrers/der Pfarrerin durchlaufen hat. »Weil davon auszugehen ist, dass der Rückgang der Priesterzahl ein höchst stabiler Trend ist, kann man mit minimaler statistischer Irrtumswahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass es um 2020 nur halb so viele aktive Priester geben wird, wie im Jahre 2000, um 2035 nur ca. ein Drittel.« (19) Die Kirche bleibe in einer Situation, in der »Wandel der Dauerzustand ist und kein zu überwindendes und zu bewältigendes Phänomen« (143). Als Ausweg aus der Krise rezipiert S. Forschungsergebnisse aus dem Be­reich der Personal- und Organisationsentwicklung. Ihnen spricht sie die Rolle von »Fremdprophetie« zu (91) Mit ihrer Hilfe könne der »Transformationsstress« (49) der Hauptberuflichen – ein Mehr an Arbeit bei schwindenden Kräften – entschärft werden.
Bereits im neutestamentlichen Kanon findet S. ein »Bekenntnis zur Pluralität« vor (278 ff.). »Ämter, Leitungsstrukturen und Ge­meinschaftsformen entwickelten sich aus dem jeweiligen Kontext; Kirchenbilder aus dem kulturellen Umfeld wurden aufgegriffen und theologisch gedeutet (Weinstock, Leib, Haus, Volk Gottes).« (279) »Jede Institution ist eine ›geronnene‹ Problemlösungsstrategie.« (280) S. warnt auch für die Gegenwart vor der Anwendung einseitiger Modelle und plädiert für Vielfalt. »Gerade in Zeiten von Ressourcenrückgang muss auch im Personalbereich der Gefahr der Vereinheitlichung und der Suche nach ›klaren Lösungen‹ (Anforderungsprofile, Qualifkationskataloge) widerstanden werden.« (282)
Für den Zugang von Frauen zum kirchlichen Amt macht S. das Modell paulinischer Hausgemeindeleiterinnen stark. »Wenn sich die Seelsorgeeinheiten in allen Bistümern vergrößern, viele Pfarreien ohne Priester am Ort leben, bekommt das Modell der paulinischen ortsgebundenen Hausgemeindeleiterinnen und Leiter wieder neue Aktualität.« (285, vgl. 246 ff.)
Kapitel 10 entfaltet konkrete »Perspektiven für die Personalentwicklung: Leitbilder, Tugenden und Kompetenzen« (287 ff.). S. will »die gegenwärtigen Berufsbilder« nicht »gänzlich aufheben« (288), betrachtet sie jedoch als »veraltete pastorale ›Landkarten‹« und will »inhaltliche Neuverortungen vornehmen, die zukunftsoffen und flexibel gestaltbar sind« (288). Sie erörtert als neue Leitbilder für Seelsorger die Begriffe »Pfadfinder«, »Hüttenwirt« und »Marktführer« (288 ff.). Heutige Spiritualität sei geprägt vom Unterwegssein. Viele sind eigenständig Suchende geworden, für die das Chris­ten­tum oft nur noch der Ausgangspunkt für ihre weitere religiöse Entwicklung ist. Der Seelsorger als Pfadfinder ist nicht mehr der dauerhafte Begleiter. Seine neue Rolle sei es, einen Überblick über spirituelle Landkarten zu haben (290). Der Seelsorger als Hüttenwirt versteht seine Gemeinde als Berghütte und gewährt Gastfreundschaft für meist an Kasualien gebundene Kurzzeit-Kontakte (292). Der Seelsorger als Marktführer hat es gelernt, sich auf dem Markt der Weltanschauungen diskursfähig zu behaupten. Gleichzeitig vertritt er christliche Kriterien von Markttauglichkeit (295).
Anstelle ausdifferenzierter Kataloge von Schlüsselqualifikationen hält S. im Anschluss an Karl Berkel und Leo Zirker das Rekurrieren auf den alten Begriff der Tugend für sinnvoller, um zu »aussagekräftigen Kriterien für Ausbildung, Personalauswahl und Personalentwicklung« zu gelangen (296). Als drei pastorale Haupt­tugenden entfaltet sie: »Gefühlsdisziplin«, »Unternehmergeist« und »Führungswille« (296 ff.).
Insgesamt ist das Buch zu begrüßen, da es bewährte Mittel zur Krisenlösung aus Unternehmen auf das kirchliche Personal überträgt. In der Fortführung sollten auch die innovativen Ansätze aus heutigen Führungsetagen rezipiert werden. Die derzeitige Be­triebswirtschaftslehre erkennt zunehmend in Spiritualität ein wichtiges Mittel zur Personalentwicklung. Top-Manager nutzen Meditationsmethoden wie Zen, um persönliche Change-Prozesse zu durchlaufen (vgl. Willigis Jäger/Paul Kohtes [Hrsg.], zen@work. Manager und Meditation, Bielefeld 2009). In betriebswirtschaftlich reflektierten spirituellen Entwicklungsprozessen wird auch für die Kirchen ein wichtiges Mittel liegen, um noch nachhaltiger eigene Veränderungsprozesse als Institution zu durchlaufen.