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Ausgabe:

Mai/1999

Spalte:

560 f

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Biesinger, Albert, u. Christoph Schmitt

Titel/Untertitel:

Gottesbeziehung. Hoffnungsversuche für Schule und Gemeinde. Handbuch.

Verlag:

Freiburg-Basel-Wien: Herder 1998. 327 S. 8. Kart. DM 48,-. ISBN 3-451-26224-X.

Rezensent:

Bernhard Dressler

In dem hier anzuzeigenden Band sind Texte des katholischen Religionspädagogen Albert Biesinger aus den vergangenen ca. 15 Jahren thematisch neu zusammengestellt und ergänzt worden durch Beiträge von Christoph Schmitt als "Versuch einer Vernetzung der wichtigen Theorieelemente in den Beiträgen von Albert Biesinger" (4). Das Themenspektrum ist breit: Religions- und jugendsoziologische, religionspsychologische Aspekte neben didaktisch-methodischen Grundfragen katholischer Katechese in Schule und Gemeinde sowie Fragen der religiösen Erziehung in der Familie. Thematisch stechen Bezüge auf lateinamerikanische Ansätze besonders hervor: "Dignificación - Glaube als Beziehungswissen", "Erstkommunion als Familienkatechese. Zur Relevanz von ,catequesis familiar’". Als "roten Faden" bezeichnen die Autoren den Grundsatz ",Gott kommt vor dem Missionar’. Er ist immer schon gegenwärtig, und es bedarf lediglich der Wahrnehmung und des Bewußtwerdens, daß wir schon immer von ihm geliebt sind ... Glauben lernen und lehren hat ... nur eine Dienstfunktion, d. h.: Wahrzunehmen, was schon ist, zu realisieren, zu glauben, zu lieben und zu hoffen" (3). Der "Wahrnehmung" und dem "Bewußtwerden" stehen - hierum kreist das Buch immer wieder - freilich schwere Hindernisse entgegen: Der Verlust an religiöser Sozialisation, ohne deren Vorlauf insbesondere der schulische Religionsunterricht für eigentlich unmöglich erachtet wird; lebensferne Didaktik und Methodik; eine am "instruktionstheoretischen Offenbarungsmodell" orientierte Katechese (50) usw. Ohne über die religionspädagogisch und theologisch nicht unproblematische Option, den "Glauben (zu) lehren", näher zu reflektieren, plädieren die Autoren durchgängig für einen "Religionsunterricht als erzieherischen Unterricht".

Entsprechend bleibt der Bildungsbegriff völlig ausgeklammert. Zwischen den Lernorten Schule und Gemeinde wird auch didaktisch-methodisch kaum differenziert. Ohnehin setze "jede Form von religionspädagogischer Didaktik ... die persönliche Gottesbeziehung bereits voraus ... Die persönliche Beziehung zu Gott ist nicht das Ziel religiöser Erziehung und auch nicht das Ziel des Religionsunterrichts. Religiöse Erziehung setzt diese Beziehung zu Gott voraus, sie setzt die Nähe Gottes voraus ... Sie vermittelt diese Nähe nicht, sie gestaltet sie" (53f.). Die Überlegungen bewegen sich nun immer wieder in Zirkeln: An die Stelle "einer oftmals autoritären und vielerorts menschenfeindlichen Katechese" (54) sei zu wenig Neues getreten; der Glaube verdunste, könne oft gerade nicht mehr vorausgesetzt werden. Hier könnten nur differenziertere, den Begriff religiöser Bildung nicht ausklammernde Analysen didaktischer Probleme treten, mit denen z. B. zwischen dem Glauben und seinen Anschauungs- und Gestaltungsformen sorgfältig unterschieden wird. So aber schwanken die Beiträge zwischen tiefem Pessimismus hinsichtlich der Möglichkeiten und der Zukunft von Religionsunterricht und Katechese einerseits und reformpädagogischer Euphorie über "ganzheitliches" Lernen andererseits.

Über weite Strecken ist das Buch nur vor dem Hintergrund innerkatholischer Frontstellungen verständlich, über die der Rez., zumal hinsichtlich der katechetischen Praxis, wenig urteilsfähig ist. Einem protestantischen Leser werden viele offene Türen eingerannt. Andererseits verdient aber die Emphase, mit der von auch nicht mehr ganz frischen Reformkonzepten grundlegend Neues erwartet wird, durchaus kritische Rückfragen.

Insgesamt hat das Buch den Rez. einigermaßen ratlos gemacht. Gewiß - ein, freilich kaum repräsentativer, Einblick in die katholische religionspädagogische Konzeptdiskussion ist zu gewinnen. Aber ein "Handbuch" ist dieses Buch nicht. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die vergleichsweise anregend zu lesenden Beiträge von A. Biesinger bei sehr verschiedenen Gelegenheiten entstandene Vorträge, Zeitschriftenartikel und Abhandlungen sind, deren große Unterschiede in Stil und Duktus eine zusammenhängende Lektüre erschweren. Einige Beiträge sind indes auch thematisch disparat und, mehr als 15 Jahre alt, nicht mehr sehr aktuell. Leider muß gesagt werden, daß die Beiträge von Ch. Schmitt diesen Eindruck einer gewissen Disparatheit noch verstärken: Sie bleiben an Differenziertheit und Stringenz zurück. Redundanzen ermüden ebenso wie ein teilweise schwer erträglicher erwecklicher und anekdotischer Trak tatstil, verbunden mit ärgerlich pauschalen, moralisierenden Verdikten, z. B. gegen manipulative Medien, entmündigende Werbeindustrie, ökonomische Profitgier und einen Mineralöl-, Tabak- und Alkoholsteuer einziehenden Staat (52).