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Ausgabe:

Dezember/2013

Spalte:

1394–1396

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Neumann, Waltraud Maria

Titel/Untertitel:

Philosophie und Trinität. Erörterungen. 3 Bde.

Verlag:

Hildesheim u. a.: Georg Olms 2002–2010. Bd. I: 2002. 169 S. = Philosophische Texte und Studien, 64. Lw. EUR 27,80. ISBN 978-3-487-11584-9. Bd. II: 2007. 329 S. = Philosophische Texte und Studien, 88. Lw. EUR 49,80. ISBN 978-3-487-13333-1. Bd. III: 2010. 220 S. = Philosophische Texte und Studien, 107. Lw. EUR 39,80. ISBN 978-3-487-14486-3.

Rezensent:

David A. Gilland

Diese drei Aufsatzbände der katholischen Theologin Waltraud Maria Neumann sind im Kreuzungsbereich zweier in jüngerer Vergangenheit vielbefahrener theologischer Straßen zu verorten, die der Trinitätslehre und der Lehre des christlichen Lebens, die sich aber leider, sobald sie sich einander angenähert haben, wieder voneinander entfernen. Im Folgenden sollen nicht die einzelnen Aufsätze en détail vorgestellt werden, sondern es sollen die grundlegenden, sich durchaus wiederholenden Themen aufgespürt und als integrativ-repräsentativ für das Ganze beschrieben werden: Dazu gehören der philosophische Ansatz Augustins hinsichtlich der Trinitätslehre, das Symbolum Quicumque als dessen Zusam­menfassung sowie die damit notwendig verbundenen Themen des Filioque, der Mariologie, der Eucharistie, der Schöpfung und der Schönheit. Zusammengefasst handelt es sich bei diesen drei Bänden also um eine relativ enge Präsentation einiger Eckpunkte römisch-katholischer Lehre in ihrer integrativen Abhängigkeit von den trinitarischen Relationen, die um einige Gelegenheitsaufsätze und Vorträge ergänzt wurden.
Augustin als Philosoph ist die Leitfigur der drei Bände. Aber bevor wir der latent kritischen Charakterisierung Augustins, die scheinbar die herrschende kritische Meinung darstellt, das Feld überlassen, ist es wichtig, einzusehen, dass es mit N. hier gerade um Philo-sophie im etymologische Sinne des Wortes als »Liebe zur Weisheit« geht. Anzuerkennen ist, dass Christus diese Weisheit (Sophia) ist, und insoweit er gleichrangig und gleichewig mit dem Vater und Geist ist, bezieht sich Weisheit hier holistisch auf den trinitarischen Gott. Alles, was inhaltlich zum Glauben gehört, ist zwar wichtiger als diese Philo-sophie selbst, aber Philosophie ist trotz alledem eine notwendige Aufgabe, weil sie diese Inhalte in den Bereich des Zugriffs des menschlichen Verstandes bringt. So sieht man, dass der Titel – Philosophie und Trinität – durchaus als repräsentativ für den Inhalt aller drei Bände anzusehen ist: Es geht um Liebe zur Weisheit, und darum auch um Liebe zum trinitarischen Gott. N. erhebt weder den Anspruch, eine vollständige Trinitätslehre zu bieten noch eine umfassende Besprechung des Themas der Weisheit zu liefern, sondern sie offeriert ganz einfach Erörterungen über Liebe zur Weisheit und ihre Bedeutung für die trinitarische Theologie Augustins – auf dem Weg zur Weisheit. Demgemäß impliziert der Untertitel nicht einfach nur eine Einladung N.s, sich an ihren philosophischen Reflexionen zu beteiligen, sondern letztendlich an denen Augustins.
Interessanterweise argumentiert N. in einigen Aufsätzen für die explizit augustinische Herkunft, wenn nicht Verfasserschaft des Symbolum Quicumque, auch bekannt als das Athanasianische Glaubensbekenntnis. Diese Argumentation setzt voraus, dass einige spätere fest geprägte dogmatische Begriffe, die an entscheidenden Punkten in späteren Bekenntnissen benutzt werden, bereits auf Augustin selbst zurückgehen. In diesem Sinne wird beispielweise argumentiert, dass De trinitate, der primäre philo-sophische Text Augustins, in enger Verbindung mit dem Quicumque stehe, welches selbst möglicherweise als Gliederung für das von Augustinus später verfasste De haeresibus dienen sollte. Darauf aufbauend stellt N. eine Reihe von dogmatischen Zusammenhängen die trinitarischen Verhältnisse betreffend vor und bezieht diese auf die katholische Praxis. Dabei sei die Trinität insgesamt – nicht nur der Vater allein – als Prinzip der Gottheit zu verstehen. Entsprechend können sich Zeugung und Hervorgang nicht auf eine zeitliche »davor/danach«-Folge der Ereignisse beziehen. Ferner sei die Präsenz Christi in der Eucha ristie wesentlich, weil dadurch zum Ausdruck komme, dass er gleichrangig und gleichewig mit dem Vater ist. Dieser Punkt führt weiter zu N.s konsistenter Betonung des Filioque; hier als Bestätigung der Gottheit des Sohnes Gottes verstanden.
Angesichts der vielfältigen Bezugnahmen auf Maria kann der evangelische Leser nicht anders, als beeindruckt zu sein – mit dem Beigeschmack einiger Besorgnis! Man mag beeindruckt sein wegen des systematischen Stellenwertes der Mariologie in N.s Darstellung. Ein Verständnis dafür zu entwickeln, dass Mariologie ein systematisch integrierter und wesentlicher Bestandteil der katholische Lehre als solcher ist – und nicht bloß eine kultische Ausschmückung, die ohne Kompromittierung des Ganzen nolens volens hinausgeworfen werden könnte –, gelingt Protestanten in der Regel selten. Mariologie ist hier als ein Bestandteil der trinitarischen Theologie vorgestellt, gerade weil sie integrierend für die Christologie ist und darum aber auch notwendigerweise essentiell für die Sakramententheologie. Entgegen jeder Form von Adoptianismus ist das menschliche Fleisch Christi von Maria. Dabei ist signifikant, dass das Quicumque das nizänische homousios nicht nur für Vater und Sohn (und Geist) verwendet, sondern auch für die wesentliche Menschheit Jesu Christi, die er von Maria bekommen hat. Also könne Maria einfach nicht als rein zufällig für die Inkarnation behandelt werden: Es ist »aus Maria« »voller Gnade«, dass Jesus genau dieses Fleisch und dieses Blut angenommen hat, welche das »ständige Opfergeschenk« der Eucharistie sind. An diesem Punkt stellt N. auch klar, dass die Rolle Mariens als Gottesgebärerin die Gottheit des Wortes durch das Filioque bestätigt: Wenn das Filioque, das N. schon in der nizänischen Rede vom wahren Gott und vom wahrem Menschen angelegt sieht, verloren ginge, würde die Gottheit Christi und die Integrität der Trinität selbst infrage gestellt. Angesichts N.s konsequenter Wiederholung der augustinischen Hervorhebung der Einheit der trinitarischen Handlungen der Trinität ad extra ist die Empfängnis Jesu Christi eine trinitarische Handlung, in der Maria eine essentielle Rolle spielt. Demzufolge argumentiert N., dass Marias Stellenwert in der katholischen Tradition sehr gut veranschaulicht werden könne durch ihre Platzierung zur rechten Hand Christi in Michelangelos Bild vom jüngsten Gericht auf der Altarwand in der Sixtinischen Kapelle. Dabei erscheine sie als Teilhaberin am göttlichen Handeln und möglicherweise auch als »Miterlöserin« (III, 72), anstatt nur paradigmatisches Modell für die Kirche und das christliche Leben zu sein. Einige Aspekte dieser Argumentation werden viele nur schwer ertragen können. Aber gerade diese Passagen mit Hinblick auf ihre systematische Bedeutung für die römische Theologie zu lesen, erscheint doch lohnenswert.
Philosophie, wie sie von N. in diesen drei Bänden präsentiert wird, ist weder eine Fahrt in die Außenbezirke der menschlichen Er­kenntnis noch eine bloß linguistische Reise in die Tiefen des Seins, sondern sie beansprucht, schlicht und einfach Liebe zur Weisheit zu sein, deren Mittelpunkt die heilige Trinität ist. Das ist das philosophische Erbe, das Augustin der christlichen Tradition vermacht hat: dass die Liebe zur Weisheit sich nicht nur auf den Inhalt der Theologie erstreckt, sondern ebenso entscheidend für ihre Methode, Haltung und Ausrichtung ist.