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Ausgabe:

Dezember/2013

Spalte:

1385–1387

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Hecht, Christian

Titel/Untertitel:

Katholische Bildertheologie der frühen Neuzeit. Studien zu Traktaten von Johannes Molanus, Gabriele Paleotti und anderen Autoren. 2. Aufl.

Verlag:

Berlin: Gebr. Mann Verlag 2012. 608 S. m. zahlr. Abb. Geb. EUR 79,00. ISBN 978-3-7861-2622-5.

Rezensent:

Dirk Fleischer

Dieses Buch von Christian Hecht, der als Professor am Institut für Kunstgeschichte der Universität Nürnberg-Erlangen lehrt, ist eine vollständig überarbeitete Fassung der 1997 erschienenen Studie mit dem Titel Katholische Bildertheologie im Zeitalter von Gegenreformation und Barock, die 1994 von der Universität Passau als Dissertation angenommen worden ist.
H. setzt sich zum Ziel, die Bildertheologie der frühen Neuzeit in ihrer Kontinuität zur Bildertheologie, die während des byzantinischen Bilderstreits formuliert wurde, zu rekonstruieren und dabei vor allem ihre gegen die Reformation und ihre Vertreter gerichtete Argumentation herauszuarbeiten. Aufgrund dieses ausdrücklich gegen die Reformation gerichteten Interesses des katholischen Lehramtes und der katholischen Theologen plädiert H. für ein Beibehalten des Begriffs »Gegenreformation« (11) für diese Bewahrung der »Lehre vom heiligen Bild« gegenüber den Angriffen reformatorischer Autoren, die, wie Calvin oder Zwingli, die altkirchliche Bilderverehrung konsequent ablehnten. Eine andere Begrifflichkeit für dieses Handeln der katholischen Seite habe »nie völlig überzeugen« (11) können. Aus kunstgeschichtlicher Sicht könne man, so die Schlussfolgerung von H. aus dieser Sicht der Bildertheologie, »der Konfessionalisierungsthese kaum zustimmen wollen« (11). Hier sind zweifelsohne weitere Studien notwendig, um diese wenig überzeugende These von H. zu überprüfen.
Die quellengesättigte Studie gliedert sich in vier Hauptteile. Der erste behandelt die zentralen bildertheologischen Texte vor, während und nach dem Konzil von Trient. Der wichtigste Text zur frühneuzeitlichen Bildertheologie ist das am 3.12.1563 vom Konzil verabschiedete Dekret zur Bildertheologie. Bereits in ihm zeigt sich die richtungsweisende Bedeutung des zweiten Konzils von Nizäa für diese Thematik. Bekanntlich hatte das Konzil von 787 die erste Phase des byzantinischen Bilderstreits beendet und die orthodoxe Lehre von den Bildern und ihrer Verehrung dogmatisiert. Das Konzil von Trient übernahm die zentralen Einsichten von Nizäa. Eine eingehende Untersuchung der nachtridentinischen lehramtlichen und disziplinarischen Texte schließt sich an die Ausführungen zum Konzil an. Deutlich zeigt sich, dass diese Texte das Ziel verfolgen, eine innerkirchliche Einheit in der bildertheologischen Theoriebildung nach außen zu vertreten. Zentrale Bedeutung für diese Theoriebildung kommt dabei dem Löwener Universitätslehrer Johannes Molanus zu, der den Dekreten des Trienter Konzils folgend das Traditionsprinzip betonte. Daher war für ihn eine Aufgabe der Bilderpraxis unmöglich. Sein Gegenspieler war der Bologneser Kardinal Gabriele Paleotti, der sogar beabsichtigte, einen durchsetzbaren Index für Bilder zu schaffen. Diese Idee scheiterte aber an kirchenpolitischen Überlegungen der Kurie, die einer solch hohen Verbindlichkeit an Vorgaben kritisch gegenüberstand. Dass viele Schriften zur Bilderfrage kontroverstheologisch ausgerichtet wa­ren, kann nicht weiter überraschen, denn der »entscheidende Ge­danke« der katholischen Autoren war der, dass »die Bilderverehrung ein Zeichen der wahren Kirche ist« (41).
Zu Recht betont H., dass der Fülle von bildertheologischen Texten keine »ebensolche Fülle von bildertheologischen Ansichten« entsprach (68), denn die unterschiedlichen Autoren verwandten in einem eng gesetzten dogmatischen Rahmen immer wieder dieselben Topoi. Fortschritte lassen sich allein in der Erschließung und der kritischen Beurteilung der Quellen erkennen.
Im zweiten Kapitel werden die theoretischen Grundlagen der Bibeltheologie entfaltet. »Die unauflösliche Verbindung von Bild und Abgebildetem durch die Ähnlichkeit bestimmt die europä­ische Überlieferung und ist ein selbstverständliches Fundament der Bildertheologie« (74). Dabei wurde der Bildbegriff sehr weit ge­fasst. Um dem protestantischen Vorwurf zu entgehen, dass die katholische Bilderpraxis lediglich Götzendienst (»Idolatrie«) ist, unterschieden die katholischen Autoren konsequent zwischen heidnischen Idolen und christlichen Bildern, die eine »imago sacra« sind, weil das entsprechende Bild einen heiligen Prototyp wiedergibt. Bereits das Konzil von Nizäa hatte ja betont, dass die »Ehrung des Bildes auf das Urbild« (90) übergehe. Mit Recht sieht H. in der Lehre vom Prototyp die Voraussetzung für die ungeheuren Mengen an religiösen Druckgraphiken, die in der frühen Neuzeit hergestellt wurden. Dies ermöglichte eine intensive private Nutzung der Bilder, aber auch die Möglichkeit von Bildwallfahrten.
Die Bilderverehrung ist in der katholischen Kirche ein Dogma im strengen Sinne. Im Vergleich zum hohen Stellenwert der Bilderverehrung kommt den Bildern selber keine hohe Bedeutung zu. Ein Missbrauch der Bilderverehrung liegt beispielsweise dann vor, wenn nicht das Urbild, der heilige Prototyp, sondern das Bild selber zum Objekt der Verehrung wird.
Die katholische Bildertheologie lässt sich nur vor dem Hintergrund des Traditionsprinzips sachgemäß verstehen. D. h., es geht um den Nachweis, dass die Bilder schon in der Zeit des Offenbarungsgeschehens vorhanden waren und verehrt wurden. So werden die Bilder und ihre Verehrung Bestandteil der apostolischen Überlieferung. Unterstrichen wird diese Argumentation durch den Gedanken, dass »Gott selbst der Urheber der Bildnerei« (237) ist. Zu den Bildern, die der Lehrtradition entsprechend schon zur Zeit Jesu und der Apostel vorhanden waren, gehören z. B. das Abgarbild, das Schweißtuch der Veronika oder die Lukasbilder. Im Umkehrschluss heißt dies auch, wenn die Bilder bis in diese Zeit zurückreichen, dann muss die Kirche sie auch beibehalten. »Und weil die Tradition irrtumsfrei ist, haben sich auch bei ihrer Ak-tualisierung im konkreten Bildgebrauch keine Irrtümer eingeschlichen, zumindest keine größeren« (165). Ausführlich erläutert H. dann den Schriftbeweis für die Bildertheologie und philosophisch-theologische Fragen wie die Natur- und Vernunftgemäßheit der Bilder.
Im dritten Kapitel untersucht H. die Praxis der Bilder in der Theorie der Theologen. Von den wichtigen, entweder neuen oder doch noch viel zu wenig bekannten Beobachtungen und Schlussfolgerungen, die H.s Werk bietet, kann hier nur ein Bruchteil angeführt werden. Zentrales Thema dieses Kapitels ist die Bildkritik. Eingehend werden wiederum die Positionen von Molanus und Paleotti zur »censurae theologiae« dargestellt und anhand entsprechender Beispiele erläutert. Fehler in den Bildern führt beispielsweise Molanus letztendlich auf den »Einfluß des Teufels« (289) zurück. Von den Künstlern erwarteten einige Autoren auch, dass sie fromm sind, denn nur ein frommer Maler kann ein religiöses Bild malen.
Im vierten Kapitel werden exemplarische Themen zur Praxis der Ikonographie und der Bildprogramme behandelt, die für das Verständnis der Bildtheologie von Bedeutung sind oder Phänomene der Kunstpraxis erläutern. H. führt hier überzeugend den Nachweis, dass die katholische Bildertheologie der frühen Neuzeit eine zentrale Bedeutung für die Kunstentwicklung dieser Epoche besaß.
H. ist ein kluges, ausgewogenes und sorgfältig gearbeitetes Buch gelungen, an dem niemand vorbeikommt, der sich zukünftig mit der Bildertheologie der frühen Neuzeit beschäftigen wird.