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Ausgabe:

Dezember/2013

Spalte:

1378–1379

Kategorie:

Kirchengeschichte: 20. Jahrhundert, Zeitgeschichte

Autor/Hrsg.:

[Kaiser, Jochen-Christoph]

Titel/Untertitel:

Protestantismus und Gesellschaft. Beiträge zur Geschichte von Kirche und Diakonie im 19. und 20. Jahrhundert. Jochen-Christoph Kaiser zum 65. Geburtstag. Hrsg. v. T. Sarx. R. Scheepers u. M. Stahl.

Verlag:

Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 2013. 510 S. m. 4 Abb. = Konfession und Gesellschaft, 47. EUR 59,90. ISBN 978-3-17-022505-3.

Rezensent:

Albrecht Beutel

Am 19. Januar 2013 vollendete der im westfälischen Lüdenscheid geborene Theologe und Kirchenhistoriker Jochen-Christoph Kaiser sein 65. Lebensjahr. Längst hat er als einer der führenden Vertreter der Kirchlichen Zeitgeschichtsforschung verdienten Ruhm und schulbildenden Einfluss erworben. 1979 war er an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster mit der Studie »Arbeiterbewegung und organisierte Religionskritik. Proletarische Freidenkerverbände in Kaiserreich und Weimarer Republik« promoviert worden. Sieben Jahre später habilitierte er sich ebendort mit einer Arbeit, die rasch zum Standardwerk avancierte: »Sozialer Protestantismus im 20. Jahrhundert. Beiträge zur Geschichte der Inneren Mission 1918–1945«. Seit 1994 versah Kaiser am Fachbereich Evangelische Theologie der Philipps-Universität Marburg den Lehrstuhl für Kirchliche Zeitgeschichte und Historische Frauenforschung. Als ein gelehrter, quellenkundiger, kritischer und engagierter Vertreter seines Faches ist er bis in die Gegenwart – auch in der Theologischen Literaturzeitung! – publizistisch allgegenwärtig.
Zu seinem jüngsten, die reguläre akademische Laufbahn be­schließenden Geburtstag wurde Kaiser mit einer veritablen Festschrift geehrt. Sie versammelt – das für solche Gattung übliche Maß weit übersteigend – nicht weniger als 34 ihm gewidmete Beiträge aus der Feder von Freunden, Kollegen und Schülern. Bereits dadurch wird, noch ganz äußerlich, die ungewöhnlich intensive, gleichermaßen tiefe und breite wissenschaftliche Prägekraft Kaisers erkennbar. Er hat sich um die an Quellen- und Problemfülle reichste, obschon hochschulpolitisch – was eine nicht genug zu beklagende Fatalität darstellt – zusehends marginalisierte Periode der Kirchengeschichte in besonderer Weise verdient gemacht.
Die Gliederung der vorliegenden Festschrift in fünf Sachkapitel repräsentiert, bei selbstverständlich fließenden Übergängen, die wesentlichen Forschungsgebiete des Jubilars. Als ein Doyen der »Methodenfragen zur Kirchlichen Zeitgeschichte« wurde sein Na­me längst zum Begriff. Näherhin hat er sich als ein ausgewiesener Kenner des »Soziale[n] Protestantismus« sowie, ebenfalls mit einem Schwerpunkt im 19. und 20. Jh., des »Politische[n] Protestantismus« erwiesen. In dieser figurativen Konstellation widmete er dem Zu­sammenhang von »Protestantismus und Bildung« stets besondere Aufmerksamkeit. Und schließlich hat der in Westfalen akademisch reüssierte und in Hessen professoral etablierte Kaiser auch auf dem Feld der Territorial- und Lokalkirchengeschichte profunde Detailstudien vorgelegt – verwiesen sei nur, weil die Titel und Inhalte seiner magistralen Arbeiten jedem Kenner geläufig sind, auf die versteckten Juwelen seiner »Geschichte der Evangelischen Kirchengemeinde Haltern« (1988) oder auf den Beitrag »Zur Gründungsgeschichte der Melanchthon-Schule« in Willingshau sen-Steinatal (1999). Das umfangreiche Schriftenverzeichnis des Ge­ehrten (479–499) sowie ein Personenregister beschließen den Band.
Zu Recht unterstreichen die Herausgeber der Festschrift das »Anliegen des Jubilars […], kirchliche Themen stets in den gesamtgesellschaftlichen Kontext zu stellen« (12). Und die von ihnen bezeugte Erfahrung, »es war kaum möglich, nicht viel von ihm zu lernen« (12), mag sich, als ein indirekter, doch kräftiger Impuls Kaisers, auch für jeden der 34 Beiträge dieses Bandes erweisen.