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Ausgabe:

Dezember/2013

Spalte:

1327–1328

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Penchansky, David

Titel/Untertitel:

Understanding Wisdom Literature. Conflict and Dissonance in the Hebrew Text.

Verlag:

Grand Rapids u. a.: Wm. B. Eerdmans 2012. XII, 129 S. Kart. US$ 20,00. ISBN 978-0-8028-6706-3.

Rezensent:

Bernd U. Schipper

Mit diesem Bändchen zur alttestamentlichen Weisheit hat der an der Universität St. Thomas in Saint Paul, Minnesota lehrende amerikanische Alttestamentler David Penchansky nach »Twilight of the Gods: Polytheism in the Hebrew Bible« und »What Rough Beast? Images of God in the Hebrew Bible« seine dritte Einführung in einen wichtigen Themenkomplex des Alten Testaments vorgelegt. Wie die beiden anderen Bücher wendet sich auch der hier anzuzeigende Band an Studierende. Dementsprechend enthält je­des Kapitel Fragen zur Weiterarbeit und Literaturhinweise. An­ders als der Untertitel des Bandes vermuten lässt, bespricht P. in den s ieben Kapiteln seines Buches auch zwei in griechischer Sprache überlieferte Weisheitstexte: Jesus Sirach und die Sapientia Salo­-monis. Auf die hebräischen Weisheitstexte aus Qumran wird nicht eingegangen, was im Horizont von P.s Position nur konsequent ist.
P. fühlt sich ganz dem Ansatz seines Lehrers James L. Crenshaw verpflichtet und macht dementsprechend weisheitliches Denken primär an den kanonischen Weisheitstexten fest. Die Weisen bildeten eine eigene Schule, die gegen Prophetie und Priester gerichtet war: »The priests claimed authority from tradition and sacred texts, and the prophets received messages from God. The sages, however, trusted their own experience and observation as a source of knowl­edge.« (111) Dieser Linie folgend findet P. weder weisheitliche Einflüsse in anderen biblischen Texten noch andere theolo­gische Traditionen in der Weisheitsliteratur. Gleichwohl zeigen die hellenistischen Texte (Jesus Sirach, Sapientia Salomonis – Qohelet wird von P. nicht dazu gezählt) eine Verbindung zu diesen Traditionen, die P. als Rückschritt wertet: »The sages gave up something valuable, that which made them unique.« (112)
Der Sichtweise Crenshaws folgend findet P. keinerlei Bezüge zum Deuteronomium oder zur Bundesthematik im Proverbienbuch oder im Hiobbuch (obwohl beides mittlerweile als anerkannt gelten darf). Die alttestamentliche Weisheit ist für P. eine unabhängige Tradition, die jedoch offen für altorientalische Weisheitslehren war, wie z. B. die (ägyptische) Lehre des Amenemope (auf S. 17 fälschlicherweise als »Amenhotep« bezeichnet); andere altorientalische Weisheitstexte werden nicht erwähnt.
Auch wenn das vorliegende Buch für die aktuelle (nicht nur deutsche) Diskussion zur alttestamentlichen Weisheit wenig aus­trägt, so ist die Lektüre doch in zweierlei Hinsicht aufschlussreich: P.s Band zeigt, dass die amerikanische Forschung zur Weisheit zum Teil noch in den Paradigmen der 1960er Jahre verhaftet ist. Dies wird rein äußerlich bereits an den Literaturhinweisen am Ende der Kapitel deutlich, die fast nur ältere Werke zur Weiterarbeit empfehlen. Zum zweiten veranschaulicht P. ein didaktisches Modell, das für den amerikanischen akademischen Unterricht nicht untypisch ist: Der Band enthält verschiedene Beispielgeschichten, so z. B. eines Weisen namens Yakov, der am königlichen Hofe lebte, oder eines gewissen Ahithophel, der den königlichen Prinz unterrichtete (vgl. 79–85). Letztlich wird mit solchen Beispielgeschichten jedoch gerade nicht zu einem reflektierten Um­gang mit der alttestamentlichen Weisheitsliteratur angeleitet, ganz abgesehen von dem nicht un­problematischen Bild der Ge­schichte Israels, das in den Geschichten vermittelt wird. So heißt es z. B. über Yakov, den Weisen am judäischen Königshof: »He never said what he thought, that Yahweh has destinated Israel to rule the world.« (80)