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Ausgabe:

Dezember/2013

Spalte:

1326–1327

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Lugt, Pieter van der

Titel/Untertitel:

Cantos and Strophes in Biblical Hebrew Poetry II. Palms 42–89.

Verlag:

Leiden u. a.: Brill 2010. XI, 566 S. = Oud­-testamentische Studiën, 57. Lw. EUR 175,00. ISBN 978-90-04-18200-4.

Rezensent:

Bernd Janowski

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Lugt, Pieter van der: Cantos and Strophes in Biblical Hebrew Poetry. With Special Reference to the First Book of the Psalter. Leiden u. a.: Brill 2005. XVIII, 582 S. = Oudtestamentische Studiën, 53. Lw. EUR 244,00. ISBN 978-90-04-14839-0.


Der an der Theologischen Universität Kampen, Niederlande, lehrende Vf. legt mit diesen beiden Bänden eine Summe seiner langjährigen Forschungen zur Poetik der Psalmen vor, die an Umfang, Umsicht und Detailgenauigkeit ihresgleichen sucht. Im Vorwort des ersten Bandes von Pieter van der Lugt findet sich der schöne Satz, »that most psalms are strophic works of art, to be compared with monumental buildings«. Um die Struktur dieser Kunstwerke – also die Cantos bzw. Stanzen und Strophen der Psalmen, der Klagelieder und des Hiobbuchs – zu erkunden und zu beschreiben, kann der Vf. auf seine thematisch verwandte, aber längst nicht so gründliche Dissertation von 1980, auf seine Hiob-Studie »Rhetorical Criticism and the Poetry of Job« (OTS 32) von 1995 sowie auf die Arbeiten von P. Auffret, M. Girard und J. P. Fokkelman zurück­greifen.
Der erste, aus fünf ungleich langen Kapiteln bestehende und auf das erste Psalmenbuch (Ps 1–2.3–41) fokussierte Band beginnt in Kapitel 1 (1–68) mit einer ausführlichen Forschungsgeschichte zur Strophenstruktur der Psalmen vom Beginn des 19. Jh.s bis zur Gegenwart (1. Von 1825 bis 1896; 2. Erste Hälfte des 20. Jh.s; 3. Von 1950 bis zum Ende des 20. Jh.s). Diese Zusammenstellung ist mehr als eine Fleißarbeit, weil es dem Vf. gelingt, forschungsgeschichtliche Haupt- und Nebenwege aufzuzeigen und entscheidende Knotenpunkte zu markieren. Da die »Poetik der Psalmen« von K. Seybold im Jahr 2003 erschienen ist (sie wird ansonsten herangezogen), bleibt sie in dieser Übersicht unberücksichtigt. Dasselbe gilt für die kolometrischen Studien von O. Loretz (AOAT 207/2, 1979 und BZAW 309, 2002) und das Werkbuch Psalmen von B. Weber (2001/2003/ 2010).
Das zweite Kapitel (69–92) blickt zurück und nach vorn, indem der Vf. seinen Neuansatz begründet und methodisch absichert. Sein Ausgangspunkt (vgl. bes. 72 ff.) ist die Beschreibung der kompositionellen Makrostruktur, die bei der Stanze einsetzt und zu den untergeordneten Strukturebenen der Strophen, Verse und Kola übergeht. Der Vf. folgt hierbei M. Girard, Les psaumes redécouverts, 1994/1996. Dabei legt er fünf »lines of approach« zugrunde, die er bei der Einzeluntersuchung anwendet: 1. Logische Gliederung des jeweiligen Themas (content); 2. Markierung der Übergänge; 3.Verbale Wiederholungen; 4. Quantitative Strukturaspekte und 5.Übersicht über die Gliederungsvorschläge. Eingeleitet werden die Textuntersuchungen durch die Präsentation des jeweiligen Texts in Transkription samt Textkritik und abgeschlossen durch einen Kurzkommentar sowie eine Bibliographie. Das ist äußerst hilfreich.
Wie das Ganze praktisch aussieht, kann sich der Leser im ausführlichsten Kapitel 3 (93–418) vor Augen führen, das die Ps 1–2.3–41 behandelt. Hatte man bis jetzt den Eindruck, dass der Vf. wesentlich objektiver als die bisherige Psalmenforschung vorgeht, so wird nun rasch deutlich, dass auch seine Methode auf subjektiver Textwahrnehmung beruht und nichts anderes als ein – diskutabler – Vorschlag ist. Nehmen wir als Beispiel Ps 1 (93–99). Der Vf. gliedert den Psalm in drei Strophen (V. 1–2, V. 3–4, V. 5–6), wobei deren Kolometrie in Übereinstimmung mit der masoretischen Akzentuierung bestimmt wird. Der Vf. widerspricht damit vehement dem Vorschlag von J. Ridderbos (Die Psalmen [BZAW 117], Berlin 1972 z. St.), der die Gliederung V. 1–3.4–5.6 vertritt (so jetzt auch B. Janowski/F. Hartenstein, Psalmen, BK XV/1, Neukirchen-Vluyn 2012, 9 ff. [B. Janowski]) und nicht in V. 6, sondern in V. 5 f. die Conclusio des Psalms sieht. Man sieht an diesem Beispiel, dass Thesen zur Komposition von Psalmen (und anderen Texten) immer auch von inhaltlichen und nicht allein von formalen Beobachtungen (transition markers, verbal repetitions, quantitative structural aspects) abhängig sind. Aber das ist ja nichts Neues.
Um seinen Ansatz abzusichern, und in Vorbereitung von Kapitel 5 entwirft der Vf. in Kapitel 4 (419–436) Grundlinien einer Biblischen Poetik. Dazu zählen die Bestimmung der Verszeilen, der Stanzen und der Refrains. Das Ganze ist im Grunde eine Übersicht über die bisherigen Ergebnisse, die dann noch auf die übrigen Psalmenbücher übertragen werden. In Kapitel 5 (437–566) werden diese Grundlinien dann systematisch zu einem »Design of Biblical Poet­ry« ausgebaut.
Der zweite, wiederum aus fünf Kapiteln bestehende Band be­ginnt in Kapitel 1 (1–12) mit einer auf Ps 42–89 fokussierten wörtlichen Wiederholung der im ersten Band (dort 75–92) abgedruckten Hinweise zur Methodologie und bespricht danach in Kapitel 2 und 3 (13–484) nach bewährtem Muster die Ps 42–89. Auch Kapitel 4 (485–503) entspricht thematisch dem vierten Kapitel des ersten Bandes. Von größerer Relevanz für den an inhaltlichen Fragen interessierten Leser ist Kapitel 5 (505–552), in dem Beobachtungen zur zentralen Position des Gottesnamens und bestimmter Termini zu­sam­menge­tragen werden. Diese Beobachtungen verdienten, vertieft zu werden.
Will man ein Fazit ziehen, so ist zunächst die enorme Leistung zu würdigen, die der Vf. mit der Abfassung dieser beiden, fast 1150 Seiten umfassenden Bände erbracht hat. Der Beitrag für die Psalmenforschung ist zweifellos beachtlich, auch wenn man sich mehr inhaltliche Analysen gewünscht hätte, wie dies K. Seybold in seiner wesentlich kürzeren »Poetik der Psalmen« überzeugend vorgeführt hat. Im Übrigen, aber das geht kaum zu Lasten des Vf.s, wundert man sich über den monumentalen Preis der beiden Bände. Wer diesen bezahlen soll, bleibt ein Geheimnis des Verlags.