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Ausgabe:

Mai/1999

Spalte:

550–553

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Testa, Benedetto

Titel/Untertitel:

Die Sakramente der Kirche.

Verlag:

Paderborn: Bonifatius 1997. 346 S. 8 = Amateca, 9. Geb. DM 74,-. ISBN 3-87088-984-5.

Rezensent:

Gunther Wenz

Am 1. Juli 1998 veröffentliche Papst Johannes Paul II. ein "Motu proprio" mit dem Titel "Ad tuendam fidem", in dem er das Kirchliche Gesetzbuch und den Kodex des Orientalischen Kirchenrechts um einige Bestimmungen ergänzte (vgl. KNA Dokumente 8/August 1998, S. 23 ff.). Anlaß hierzu bot die von der Kongregation für die Glaubenslehre unter dem Datum vom 9. Januar 1989 publizierte und vom Papst approbierte Neuformulierung der "Professio fidei et Iusiurandum fidelitatis in suscipiendo officio nomine Ecclesiae exercendo" (AAS, 81/1989, 104-106), welche über das nicäno-konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis hinaus in drei Absätzen diejenigen Wahrheiten des katholischen Glaubens darlegt, welche - wie es heißt - "die Kirche unter der Führung des Heiligen Geistes, der sie ,in die ganze Wahrheit führen wird’ (Joh 16,13), im Laufe der Jahrhunderte erforscht hat und immer tiefer erforschen muß". Der erste Absatz, dem - um nur vom Codex Iuris Canonici zu sprechen - can. 750 entspricht, lautet: "Mit festem Glauben glaube ich auch all das, was im geschriebenen oder überlieferten Wort Gottes enthalten ist und von der Kirche durch feierlichen Entscheid oder durch ihr ordentliches, allgemeines Lehramt als göttliche Offenbarung zu glauben vorgelegt wird." Im dritten Absatz, zu dem CIC can. 752 zu vergleichen ist, heißt es: "Außerdem hänge ich mit religiösem Gehorsam des Willens und des Verstandes den Lehren an, die der Papst oder das Kollegium der Bischöfe in Ausübung ihres authentischen Lehramtes darlegen, auch wenn sie diese nicht als definitiv verkünden wollen." Bisher keine entsprechende Bestimmung in den Rechtsbüchern der katholischen Kirche gab es für den verbleibenden zweiten Absatz, demzufolge zu bekennen ist: "Fest nehme ich an und bewahre auch insgesamt und im einzelnen, was von der Kirche in der Glaubens- und Sittenlehre definitiv vorgelegt wird." Um die diesbezügliche kirchenrechtliche Lücke zu schließen, ist nach Maßgabe des erwähnten päpstlichen "Motu proprio" der can. 750 des Kodex des Kirchenrechtes nunmehr folgendermaßen zu ergänzen: "Fest angenommen und bewahrt werden muß auch alles und jedes einzelne, was vom Lehramt der Kirche in der Glaubens- und Sittenlehre definitiv vorgelegt wird, also das, was zur heiligmäßigen Bewahrung und zur getreuen Darlegung des Glaubensgutes erforderlich ist; es widersetzt sich daher der Lehre der katholischen Kirche, wer diese Sätze, die definitiv gehalten werden müssen, ablehnt."

Der Autor des angezeigten Buches, Priester des Bistums Macerata (Italien) und Professor für dogmatische Theologie und Sakramententheologie am Theologischen Institut Marchigiano von Ancona und an der Theologischen Fakultät von Lugano, wird schwerlich in Gefahr geraten, mit diesen Bestimmungen zu konfligieren und die entsprechenden Strafsanktionen des erweiterten can. 1371 des CIC auf sich zu ziehen. Denn seine Sakramententheologie, die als Band IX der von Eugenio Correco, dem ehemaligen Bischof von Lugano, zusammen mit einem internationalen Theologenteam initiierten Lehrbuchreihe AMATECA (Assoziatione di Manuali de Teologia Cattolica) in deutscher Übersetzung vorgelegt wird, ist akribisch bemüht, die einschlägige römisch-katholische Lehre buchstabengetreu wiederzugeben. Dabei folgt der Vf. in voraus-eilendem Gehorsam bereits mehr oder minder explizit den Begründungsfiguren des lehrmäßigen Kommentars der Glaubenskongregation, welcher dem Apostolischen Brief "Ad tuendam fidem" beigegeben wurde, um dessen knappe Ausführungen argumentativ zu fundieren (vgl. KNA, a. a. O., 25 ff.). Was die besagte zweite Kategorie von Wahrheiten betrifft, so handelt es sich gemäß dem Papstschreiben um solche, die mit der göttlichen Offenbarung sei es aus historischen Gründen, sei es als logische Folge notwendigerweise verknüpft und entsprechend vorbehaltlos anzuerkennen und festzuhalten sind. Der Lehrkommentar der Glaubenskongregation bemerkt dazu folgendes: "Die Tatsache, daß diese Lehren nicht als formell geoffenbart vorgelegt werden, insofern sie dem Glaubensgut nicht geoffenbarte oder noch nicht ausdrücklich als geoffenbart anerkannte Elemente hinzufügen, nimmt nichts von ihrem endgültigen Charakter, der zumindest wegen der inneren Verbundenheit mit der geoffenbarten Wahrheit gefordert ist. Zudem ist nicht auszuschließen, daß an einem bestimmten Punkt der dogmatischen Entwicklung das Verständnis des Inhalts und der Worte des Glaubensgutes im Leben der Kirche wachsen und das Lehramt dazu kommen kann, einige dieser Lehren auch als Dogmen göttlichen und katholischen Glaubens zu verkünden." Die nachfolgende Feststellung liegt in der Konsequenz dieser Argumentation: "Was die Art der Zustimmung betrifft, die den Wahrheiten geschuldet wird, welche von der Kirche als von Gott geoffenbart (erster Absatz) oder als endgültig zu halten vorgelegt werden (zweiter Absatz), ist wichtig zu unterstreichen, daß es hinsichtlich des vollen und unwiderruflichen Charakters der Zustimmung, die den entsprechenden Lehren entgegenzubringen ist, keinen Unterschied gibt."

Als ein Beispiel einer von der jüngeren Lehrverkündigung als endgültig zu halten vorgelegten Doktrin wird u.a. auf das Apostolische Schreiben von Johannes Paul II. "Ordinatio sacerdotalis" verwiesen, demzufolge die Priesterweihe ausschließlich Männern vorbehalten sei. "Ohne eine dogmatische Definition vorzunehmen", so kommentiert die Glaubenskongregation, "hat der Papst bekräftigt, daß diese Lehre endgültig zu halten ist, weil sie" - wie in der Weise des Selbstzitats gesagt wird (vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Antwort auf den Zweifel bezüglich der im Apostolischen Schreiben "Ordinatio sacerdotalis" vorgelegten Lehre: AAS 87 [1995] 1114) - "auf dem geschriebenen Wort Gottes gegründet und in der Überlieferung der Kirche beständig bewahrt und angewandt, vom ordentlichen und allgemeinen Lehramt unfehlbar vorgetragen worden ist." Hinzugefügt wird, es gebe keinen Hinderungsgrund, "daß das Bewußtsein der Kirche künftig dazu kommen kann, zu definieren, daß diese Lehre als von Gott geoffenbart zu glauben ist."

Völlig konform hierzu verhält sich, was bei T. zum Thema zu lesen steht: "Die Bischofsweihe oder die Priesterweihe kann nur ein getaufter Mann empfangen. Die Priesterweihe war in der Kirche schon am Anfang ausschließlich Männern vorbehalten. Diese Praxis wird dann von der Überlieferung und vom ordentlichen Lehramt beibehalten, die beide in der katholischen Kirche Glaubensnormen sind. Im Mittelalter wurde die Frage lange erörtert, und man gelangte dabei zum Schluß, daß die Weihe einer Frau nicht nur unerlaubt, sondern auch ungültig sei. Das hängt auch mit der Natur des Sakraments zusammen, wie dieses von Jesus Christus und nicht von einem menschlichen Gesetz festgelegt worden ist." (288) Es folgt ein ausdrücklicher Verweis auf "Ordinatio sacerdotalis" mit folgendem Ergebnis: "Nach den zusammenfassenden Ausführungen läßt sich auch sagen, daß eine echte Glaubensschau, wie sie sich im Lauf der Jahrhunderte bekundet, uns erkennen läßt, was von Christus festgesetzt worden ist, und nicht die soziopsychologischen Studien und theoretischen Überlegungen auf der Grundlage der menschlichen Natur oder des Vergleichs mit den anderen Kirchen oder christlichen Gemeinschaften, wie berechtigt und geboten ökumenische Rücksichtnahme auch ist. Echtes Glaubenswissen und Glaubensbewußtsein läßt sich nie von menschlichen Faktoren bestimmen, sondern von Elementen, die aus dem Offenbarungsereignis Christi hervorgehen." (289)

Das gegebene Beispiel ist charakteristisch für Methode und Inhalt von T.s gesamtem Werk. Statt auf weitere Einzelheiten einzugehen, mag es daher genügen, die behandelten thematischen Aspekte knapp zu skizzieren. Das Buch enthält zwei Teile, deren erster unter der Überschrift "Das sakramentale Heilsgeschehen" (17-104) der allgemeinen Sakramentenlehre gewidmet ist. Er beginnt mit einer Untersuchung der Begriffe mysterion und sacramentum in der Heiligen Schrift und in der Überlieferung, wie sie im authentischen Lehramt der Kirche zum entwickelten Bewußtsein ihrer selbst gelangt. Im Anschluß daran werden die christologischen Grundlagen der sakramentalen Zeichenhandlung, die Kirche als Mysterium Christi und allumfassendes Heilssakrament, die Probleme von Spender und Empfänger der Sakramente, ihr Zeichencharakter und ihre Vollzugsform, ihre Wirkung und Wirkweise sowie ihre erinnernde, hinweisende und prophetische Funktion erörtert. Knappe Bemerkungen zu den sog. Sakramentalien leiten sodann über zur Behandlung der einzelnen Sakramente im zweiten Teil der Untersuchung (105-336), der gemäß den Vorgaben der Lehrtradition der Reihe nach Taufe, Firmung, Eucharistie, Buße, Krankensalbung, Weihe und Ehe behandelt. Für alle Einzelargumentationen ist dabei der Grundsatz leitend, daß das sakramentale Urereignis der Menschwerdung Jesu Christi in der Grundsakramentalität der Kirche vermöge der ihr eingestifteten und aufgetragenen besonderen Zeichenhandlungen weitergeführt, verlängert und fortgesetzt wird (vgl. etwa 12, 337). Was mit diesen Bestimmungen präzise gemeint ist, wird eher implizit vorausgesetzt als explizit entfaltet. Kompensiert wird diese systematische Unschärfe dadurch, daß der Vf. mit der ihm eigenen problemlosen Selbstverständlichkeit davon ausgeht, daß die Kirche in den Bestimmungen des römisch-katholischen Lehramts zum verbindlichen Bewußtsein und Begriff ihrer selbst gelangt ist, so daß die Eventualität eines kritischen Verhältnisses der Größen Ursakrament, Grundsakrament und Einzelsakrament von vorneherein nicht in Betracht kommt. Durchweg bestätigt sich, was bereits angezeigt wurde, daß nämlich T.s Traktat buchstäblich auf die Reproduktion der kirchlichen Lehrvorgaben hin angelegt ist, wohingegen kritisch-konstruktive Intentionen kaum bzw. nur in dem vom bezeichneten dogmatischen Reproduktionsinteresse minutiös abgegrenzten Rahmen in Erscheinung treten. Daran ändert auch die erstrebte sakramentstheologische Orientierung am Ablauf der jeweiligen Liturgiefeiern und ihrem agendarischen Text nichts, insofern die lex orandi sich nach T. grundsätzlich deckungsgleich verhält zur lex credendi, wie sie von den Dokumenten des römisch-katholischen Lehramtes vorgeschrieben ist. Kurzum: T.s Sakramentenlehre kann als ein proleptisches Beispiel für eine Theologie im Geiste des Apostolischen Briefs "Ad tuendam fidem" und des entsprechenden Kommentars der Glaubenskongregation gelesen werden. Beide Male drängt sich der Eindruck auf, die kirchliche Lehre sei primär ein gesetzlicher Kodex, von dem im geringsten abzuweichen ein crimen laesae darstellt.

Im Falle T.s wird dieser Eindruck u. a. durch die Art und Weise des Umgangs verschärft, den er mit den sakramtentstheologischen Zeugnissen der Reformationskirchen pflegt. Er begnügt sich nämlich nicht lediglich mit kontroverstheologischer Polemik, was unter den gegebenen Voraussetzungen zu akzeptieren wäre, sondern läßt sich in häresiomachischer Absicht zu Verzeichnungen verleiten, die nicht nur unter ökumenischen, sondern auch unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten inakzeptabel sind.

Nach Luther, um nur von der Wittenberger Reformation zu reden, sind danach Sakramente keine effektiven Gnadenmittel, sondern bloße Mittel zur Bestätigung des Glaubens, kraft dessen sie wirken. Dabei bestehe, so T., zwischen den Symbolen des Alten Bundes und den Sakramenten des Neuen "kein wesentlicher Unterschied, denn in beiden Fällen hängt die Rechtfertigung einzig vom Glauben ab" (36). Ohnehin seien die Sakramente als verba visibilia Luther gemäß von vorneherein nur "von minderem Wert", nämlich "denjenigen angepaßt, die nicht alles tief zu erfassen vermögen" (37). Insgesamt sei für die reformatorische Sakramententheologie die Tendenz bestimmend, "alles auf das Spirituelle zu verkürzen" (39; Zitat L. Bouyer, Wort, Kirche, Sakrament in evangelischer und katholischer Sicht, Mainz 1961, 51).

Man wird diese und ähnliche Ausführungen nur als in hohem Maße undifferenziert bezeichnen können. Es genügt eben nicht, sich auf "De captivitate Babylonica ecclesiae" zu beschränken, um Luther und der Wittenberger Tradition sakramentstheologisch gerecht zu werden. Nicht besser ist, was - um von weiteren Ungereimtheiten zu schweigen - in tauftheologischer Hinsicht ausgeführt wird: "Den Reformatoren zufolge erhält der Mensch Vergebung durch den Glauben, den er als Erwachsener erhält. Der Glaube wird durch die Taufe besiegelt" (40). Das mag allenfalls für Zwingli zutreffen, mit Luthers Auffassung hat diese Annahme nur sehr bedingt etwas zu tun. Genug damit! Die - keineswegs allein dem Übersetzer anzulastende - mangelnde begriffliche und sachliche Präzision, mit der das sakramentstheologische Denken der Reformatoren wiedergegeben wird, ist ökumenisch kontraproduktiv und lediglich dazu geeignet, bestehende Vorurteile zu reproduzieren. Inwieweit dies mit der prinzipiell reproduktiven, nämlich auf die Wiedergabe einer vorgefaßten Lehrposition beschränkten Gesamtanlage des ultramontanen Werkes zusammenhängt, möge jeder selbst entscheiden.