Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Dezember/2013

Spalte:

1301–1314

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Ulrike Mittmann

Titel/Untertitel:

Die theologische Bedeutung der jüdischen Schriften

aus hellenistisch-römischer Zeit
Eine Problemanzeige


1. Das hermeneutische Problem

Die Literatur des antiken Judentums ist in den letzten Jahrzehnten immer stärker in das Blickfeld der Forschung gerückt. Sowohl die Bibelwissenschaften als auch die Judaistik haben die jüdischen Schriften der hellenistischen Zeit aus den Randzonen ihres Faches gelöst und zu einem Hauptgebiet erhoben. Und auch die mit der Antike befassten Geschichtswissenschaften, die vergleichende Religionswissenschaft1 und die Ägyptologie2 haben das frühjüdische Schrifttum als einen für das Verständnis der antiken Welt konstitutiven Faktor in die zeitgeschichtliche Analyse integriert. Die be­sondere Rolle, die das Judentum im zeitgeschichtlichen Gesamtkontext spielte und welche die Forschung nicht von ungefähr zu einem fächerübergreifenden Dialog zwingt,3 ergibt sich aus der einmaligen Verbindung von Nation und Religion: Religiöse und nationale Identität fließen ineinander und bleiben gerade in einer Zeit miteinander verflochten, in welcher das Judentum in den vielfältigen politischen Krisen der hellenistischen Epoche seine geographische Einheit mehr und mehr verliert und – ein Paradoxon – sein nationales Bewusstsein auf eine Existenz in weltweiter Zerstreuung gründen muss. Aus dieser unlöslichen Verflechtung religiöser, politischer und soziologischer Aspekte, gleichzeitig aus der kulturellen Vielfalt der Lebensbezüge jüdischer Gemeinden in der Diaspora ergibt sich für die Erforschung des antiken Judentums eine komplexe Ausgangssituation, die thematisch geordnet zu bearbeiten dadurch erschwert wird, dass das Hauptarbeitsfeld, die jüdische Literatur dieser Epoche, inhomogen ist. Die inhaltliche, formale und religionssoziologische Diversität der jüdischen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, die ein Spiegel der geschilderten Lage ist, scheint jeden Versuch einer systematisierenden Klassifikation zunichte zu machen. Sie zwingt dazu, übergreifende Sachverhalte auf minutiöse Einzelanalysen zu gründen und ka­tegorisierende Raster methodisch und hermeneutisch gründlich zu verankern.

Der Blick auf die Forschung zeigt allerdings, dass genau dies noch nicht geschehen ist. Der Mangel ist nicht in einem Versäumnis der mit der Materie befassten Wissenschaftler begründet, sondern liegt an der relativen Neuheit des Forschungsgebietes selbst. Das betrifft, wenn man die klassische Nomenklatur zugrunde legt, weniger die sogenannten Apokryphen bzw. deuterokanonischen Schriften, die als Teil der LXX stets mit im Zentrum der Bibelwissenschaften standen; vielmehr gilt es für die große Zahl der zu­meist als Pseudepigraphen bezeichneten Texte. Die genannte Be­zeichnung suggeriert Einheitlichkeit, zumindest im Blick auf die auktoriale Fiktion. Sie täuscht darüber hinweg, dass die unter dieser Überschrift zusammengefassten Schriften von höchst unterschiedlichem Charakter sind und in Einzelfällen sogar Zweifel an ihrer jüdischen Herkunft als dem einzig verbindenden Merkmal aller Texte aufkommen lassen. 4 Manche der diesem Schriftcorpus zugeordneten Texte werden dem Fachpublikum gegenwärtig erst in Übersetzung erschlossen. Dass die Arbeit der Herausgabe und Übersetzung der einschlägigen Werke noch längst nicht fertiggestellt ist, dokumentiert im deutschsprachigen Raum die Ergänzung der unter dem Sammelnamen »Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit«5 zusammengefassten Werke durch die »Neue Folge«, deren erster Textband im Jahr 2005 erschienen ist.6 Dementsprechend steht auch die inhaltliche Erschließung vieler Schriften noch am Anfang oder ist zumindest noch nicht in der Weise abgeschlossen, dass die interessierte Leserschaft – auch außerhalb der Grenzen des Faches – ihre Studien auf eine breite exegetische Diskussion gründen könnte. Ja, in vielen Fällen besteht noch nicht einmal ein Konsens im Blick auf die inhaltliche Klas­-sifikation der Schriften und ihre Zuordnung zu bestimmten, literaturwissenschaftlich identifizierbaren Schriftengruppen.

Gewiss gibt es Ausnahmen. Sie betreffen im Bereich der sogenannten Pseud­epigraphen diejenigen Texte, deren weitreichende Verbreitung und Rezeption im Frühjudentum und frühen Chris­tentum außer Frage stehen und deren theologiegeschichtliche Be­deutung auch durch die Qumranschriften belegt wird, an erster Stelle das Jubiläenbuch7, die Henochliteratur8 und die Zwölf-Patriarchen-Tes­tamente9. Andere Schriften wie die Paraleipomena Jeremiou10 oder die jüdischen Sibyllinen11 haben bislang nur das Interesse weniger Spezialisten auf sich gezogen. Mit der durchgehenden Kommentierung ganzer Schriften im Stil der Kommentare zum Alten und Neuen Testament hat man in Deutschland erst im Bereich der Apokryphen bzw. der deuterokanonischen Literatur begonnen.12 Im angelsächsischen Bereich ist diese Entwicklung schon etwas weiter fortgeschritten.13

Ganz ähnlich wie in der Pseudepigraphenforschung stellt sich die Entwicklung in der Erforschung der Schriftfunde vom Toten Meer dar, die ebenfalls einen gewichtigen Teil der antik-jüdischen Literatur bilden. Auch in der Qumranforschung hat lange Zeit die Edition der Texte das Feld beherrscht und haben Fragen der Klassifikation und der gruppenspezifischen Zuordnung das Interesse gebunden. Zwar wurden dabei aufgrund des religionssoziologisch eng gesteckten Rahmens Fragen des theologischen Profils in Einzelstudien immer wieder auch grundsätzlich behandelt – mit Schwerpunkt auf der Anthropologie, der Eschatologie, der Angelologie und dem Gesetzesverständnis –, aber den Grund für die sys­-tematisch-theologische Erschließung aller Texte legt doch erst das 2011 in seinem 1. Band erschienene Theologische Wörterbuch zu den Qumrantexten 14. Als programmatischen Vorstoß in diese Richtung verstehen die Herausgeber auch das 2011 erschienene zweibändige Sammelwerk »The Dead Sea Scrolls in Context«15, das die auf dem gleichnamigen Kongress erstmals international ge­führte Diskussion zu theologiegeschichtlich übergreifenden Fragen zusammenfasst. Da die Qumranschriften eine Sonderrolle in der Forschung spielen, sollen sie im Folgenden nicht in die engere Betrachtung miteinbezogen werden. Es zeigt aber die gegenwärtig intensivierte Auslegung der Henochliteratur16, dass die Bereiche überlieferungs- und traditionsgeschichtlich nicht zu trennen sind.

Aus systematischer Sicht wird die theologische Erschließung der Schriften dadurch erschwert, dass die hermeneutischen Voraussetzungen der Interpretation nur in Ausnahmefällen zum Ge­genstand der Reflexion gemacht werden. In der Regel führt der Weg von der Bestimmung historischer, soziologischer und formaler Merkmale hin zur inhaltlichen Analyse und Untersuchung der theologisch leitenden Motive und Motivkomplexe. Und er führt nicht selten in Aporien. Denn aufgrund der Kürze oder des fragmentarischen Charakters vieler Texte fehlen oftmals die für die äußere Klassifikation notwendigen Hinweise, weshalb die genannten Bestimmungsmerkmale wie auch die interkulturelle und in­terreligiöse Prägung der Schriften nur text immanent ermittelt werden können. Die theologische Klassifikation wird damit nicht selten zum Teil eines hermeneutischen Zirkels, innerhalb dessen über den Gehalt der Texte die äußeren Textmerkmale entscheiden, die ihrerseits von einer vorläufigen Deutung des Inhalts her im indirekten Rückschluss erhoben wurden. Dabei vollzieht die in vielen Fällen noch junge Forschung die textimmanente Bestimmung historischer und soziologischer Parameter in der Regel rein eklektisch, d. h. in der Isolierung bestimmter Begriffe, Motive oder literarischer und kulturgeschichtlicher Bezüge unter Ausblendung ihrer erzählerischen Einbettung in einen theologisch signifikanten Kontext. Als Beispiel ist hier etwa das 3. Makkabäerbuch zu nennen, bei welchem die auf eine Verfolgungssituation in Ägypten deutenden Erzählelemente in der Regel historisch verankert werden und – als vermeintliche Fakten – die Grundlage der sich an­schließenden eigentlichen Textinterpretation bilden, und dies, obwohl sich die geschilderten Umstände mit den historischen Entwicklungen in der fraglichen Epoche erwiesenermaßen nicht de-cken. Bislang aber hat keiner der Versuche sich als konsensfähig erwiesen, das vom Autor selbst in die Regentschaft Ptolemaios’ IV. Philopator (222/1–204 v. Chr.) datierte Geschehen als Sinnbild späterer Ereignisse zu deuten, etwa der Verfolgung unter Ptolemaios VII. (VIII.) Euergetes II. Physkon (145–116 v. Chr.) oder gar der in römischer Zeit unter Caligula (38–41 n. Chr.). 17

Wer daher nach der theologischen Prägung der hellenistisch-jüdischen Literatur und nach ihrer Bedeutung für das Verständnis des Alten und Neuen Testaments fragt, muss vor der materialen Entfaltung der Sachverhalte die hermeneutischen Probleme lösen. Zwei Themenbereiche bedürfen in diesem Zusammenhang der besonderen Beachtung: zum einen das theologische Selbstverständnis der Texte als Schlüssel zu ihrer historischen und soziokulturellen Klassifikation, zum anderen die textübergreifenden theologischen Entwicklungen und Wandlungen als Niederschlag der tiefgreifenden Veränderungen, die das Judentum in hellenistischer Zeit erfuhr. Dabei ist im Blick auf den letztgenannten Arbeitsbereich, der auf die Systematisierung der an den Einzeltexten gewonnenen Erkenntnisse zielt, ausdrücklich festzuhalten, dass derselbe nicht abgedeckt wird durch die in jüngster Zeit – zu Recht und mit historischer Notwendigkeit – zum Zentralproblem erhobene Frage nach der Identität des Judentums in der Antike (»Jewish Identity«).18 Denn bislang wird in der Erforschung identitätsstiftender Parameter die theologische Analyse der Erhebung der historischen und soziokulturellen Bedingungen untergeordnet und erfolgt die interpretatorische Arbeit zumeist in Abhängigkeit von den auf diesem Feld erzielten Ergebnissen. Auch hier zeigt sich, dass ein Wechsel der Blickrichtung im Sinne einer hermeneutischen Neubesinnung dringend nottut und dass das Koordinatensystem, das die theologische Entwicklung in Abhängigkeit von äußeren Gegebenheiten und Veränderungen bestimmen hilft, neu arrangiert werden muss. Ausgangspunkt für den Schritt in die Weite der Phänomene kann dabei nur der Einzeltext sein, dessen äußerliche und in­haltliche Klassifikation einer methodisch gesicherten Basis bedarf.

2. Theologie als Schlüssel zur Historie


Die Notwendigkeit, den historischen Kontext der frühjüdischen Schriften von ihrem theologischen Profil her zu bestimmen, besteht nicht allein aufgrund der Kürze vieler Texte und des Fehlens objektiver Indizien für ihre äußere Klassifikation, sondern ergibt sich auch aus der Besonderheit der historischen Situation des Judentums in der Antike. Sie bildet für die Forschung nicht von ungefähr den Problemhorizont aller Untersuchungen zur jüdischen Identitätsbildung in damaliger Zeit. Denn die hellenistische Epoche brachte für die Völker des Mittelmeerraumes und Vorderasiens historische und kulturelle Umwälzungen in einem bis dahin unbekannten Ausmaß. Die Bewahrung der Identität war das zentrale Problem, welches die Juden zu bewältigen hatten, auch deshalb, weil im Zuge der geographischen Zersplitterung des Judentums in hellenistischer Zeit die Mehrheit des Volkes ohne den unmittelbaren kultischen Bezug zum Jerusalemer Tempel leben musste und die Gesamtnation im Mutterland zahlenmäßig weit unterrepräsentiert war.19 Mit der Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n. Chr. gewann das Ringen um Identität eine nur größere Intensität. Bei einem Volk aber, dessen Religion die nationale Identität konstituierte, musste die Bewältigung der historischen Um­brüche und Katastrophen insgesamt und gleichzeitig die Aus­-einandersetzung mit der in der Zerstreuung politisch, sozial und kulturell ganz individuellen Situation jüdischer Volksgruppen theo­logisch erfolgen, d. h. im Rückbezug auf die Glaubenstradition.

Diese grundsätzlich theologische Determiniertheit der helle­nis­tisch-jüdischen Schriften wird von der Forschung in der Regel dort zur Grundlage der historischen und soziokulturellen Einordnung der Texte gemacht, wo im Spannungsfeld von Abgrenzung und Assimilation das Pendel negativ ausschlägt und ein jüdischer Autor seine Identität ganz aus der Abwehr oder Abwertung aller nicht-jüdischen Kultureinflüsse zu gewinnen scheint. Dies lässt sich eindrucksvoll an Artapanos dokumentieren, der alle ägyptische Kultur und Religion auf die mosaische Einsetzung einer vom monotheistischen Gottesglauben Israels bewusst abgegrenzten, aber vom Gott Israels verordneten Lebensweise zurückführt. 20 Je mehr sich aber ein Autor, vor allem im Bildungssektor, der griechisch-römischen Kultur öffnet und sich geistig und literarisch an Vorbildern der heidnischen Umwelt orientiert, desto geringer scheint in den Augen der Forschung sein theologisches Interesse zu sein. Die Übernahme kulturfremder Formen und Inhalte ist Be­weis genug für eine gelungene Anpassung an die heidnische Um­welt und für die Ausbildung einer kulturell integrativen Identität.

Zwei Beispiele seien hier genannt, da sie besonders geeignet sind, die Aporien zu verdeutlichen, die sich aus der einseitig kultursoziologischen Zugangsweise ergeben. So wertet man bei dem alexandrinischen Autor Demetrios21 seinen philologisch-enzyklopädischen Ansatz im Geist der hellenistisch-chronographischen Tradition als Zeichen innerer Affinität zur griechischen Literatur und Bildung, wie sie im 3. und 2. Jh. v. Chr. in Alexandria in höchs­ter Blüte stand, und legt seinen von genealogischen Listen und langatmigen Aufzählungen durchzogenen Bericht als trocken zu lesen rasch beiseite, ohne auch nur die Frage nach dem theologischen Profil seiner Schrift zu stellen.22 Ganz ähnlich ist die Lage bei einer Schrift ganz anderer Art, dem nach seinen Protagonisten benannten Werk »Joseph und Aseneth«23. Es erfährt zwar aufgrund der himmlischen Speisung der ehemaligen Heidin, Tochter des ägyptischen Oberpriesters (JosAs 15,15 f.), und ihrer Integration in das Volk Israel (JosAs 15,1–9) eine höhere theologische Aufmerksamkeit als andere Texte, aber auch hier wird die Interpretation weitgehend bestimmt vom angeblich novellistischen und daher erbaulichen Charakter der Schrift in Anlehnung an hellenistische Vorbilder. Der Blick auf die höchst komplexe weisheitliche Auseinandersetzung mit der jüdischen Diasporaexistenz und auf die es­chatologischen Implikationen der Erzählung ist so von vornherein verstellt 24 – mit weitreichenden Konsequenzen für die histo­rische Rekonstruktion und die Bestimmung der die nationale Identität konstituierenden Merkmale. Denn die hermeneutisch unterschied­liche Zugangsweise zum Text – einmal soziologisch und literatur-geschichtlich von außen, ein andermal theologisch und religionsgeschichtlich von innen her kommend – eröffnet für die Lösung der Frage nach dem Selbstverständnis der Juden Ägyptens in ptolemäischer Zeit ganz unterschiedliche Deutungsweisen. Im ersten Fall wird das Interesse am erbaulichen Liebesroman im griechischen Stil als Indiz für die faktisch vollzogene geistige Assimilation der Juden im Bereich der Alltagskultur uneingeschränkt positiv gewertet als Kennzeichen einer im Wesentlichen unproblema tischen Existenz im Vielvölkergemisch Ägyptens.25 Im zweiten Fall wird die Schrift zum Dokument für das Ringen der Juden um eine theologische Verhältnisbestimmung von jüdischer und heidnischer Existenz im Horizont der eschatologischen Vollendung Israels und in geistiger Auseinandersetzung mit der ägyptischen Religion und Weisheit. Dabei erscheint schon die Notwendigkeit einer solchen Auseinandersetzung als Ausdruck eines im Letzten defizitären Lebensgefühls und einer bleibenden historischen Sehnsucht. Unterschiedlicher kann das Selbstempfinden des ägyptischen Diasporajudentums nicht rekonstruiert werden!

Ist aber die Variabilität des hermeneutischen Ansatzes so groß, ist auch die Gefahr des historischen Fehlurteils erheblich. Die Aufgabe einer grundsätzlichen methodischen Besinnung unter Einbeziehung der theologischen Frage stellt sich der Fachwissenschaft angesichts der auch bei anderen Schriften großen Diversität der Deutungen und Klassifikationen mit zunehmender Dringlichkeit. Sie zu bewältigen aber heißt, dem theologischen Profil eine Schlüsselfunktion für die Rekonstruktion historischer Sachverhalte zu­zuerkennen. Dies gilt insbesondere für die Arbeit an solchen Schriften, die aufgrund ihrer Kürze, ihres fragmentarischen Charakters oder ihrer literarischen Eigenart keine explizit historischen Hinweise enthalten. Hier ist die weithin geübte Praxis, äußere Klassi­fikationsmerkmale vor der eigentlichen Erhebung ihres theolo­gischen Profils inhaltlich zu extrapolieren, ganz aufzugeben. In anderen Fällen muss sie zumindest in der Weise modifiziert werden, dass innere und äußere Indizien im Blick auf die historische Einordnung der Texte korreliert werden.

Eine hermeneutische Neubesinnung, wie sie hier gefordert wird, trägt auch der unverrückbaren Tatsache Rechnung, dass andere Texte als solche religiösen Inhalts nicht erhalten sind, sieht man ab von Verwaltungsdokumenten, wie sie sich etwa unter den Schriftfunden vom Toten Meer finden.26 »Religiös« heißt in diesem Falle: mit Bezug auf die mehrheitlich bereits in kanonischem Rang stehenden Schriften des Judentums. Eine Nation, die sich religiös konstituiert, und dies in der Weise, dass der Glaube an den einen Gott sie aus der gesamten Völkerwelt heraushebt, kann in ihren politischen Vollzügen und in ihren historischen Bezügen nur auf der Basis dieser ihrer Orientierung auf Gott hin verstanden werden. Es ist der exklusive Gottesbezug, der die Selbst- und Weltre­flexion des antiken Judentums durchgehend prägt und daher der Deutung der Texte kategorial zugrunde gelegt werden muss.

Damit ist die Basis geschaffen für die Bearbeitung des zweiten Forschungsfeldes, auf dem, wie eingangs gezeigt, Grundlagenforschung ebenfalls erst in Ansätzen betrieben wurde: das der theologischen Systematik, wie sie aus der textübergreifenden Erhebung theologischer Topoi und Motive erwächst. Das noch geringe Interesse der judaistischen Wissenschaft, hier Schneisen zu schlagen, hat seinen Grund zum einen in der genannten metho­dischen Aporie, zum anderen aber in der Diversität der Textzeugnisse. Sie scheinen sich einer übergreifenden Systematisierung schon deshalb zu entziehen, weil sie weder, wie beim Alten und Neuen Testament, durch die kanonische Klammer noch, wie bei den Qumranschriften, durch die enge soziologische Klammer zu­sammengehalten und damit zumindest äußerlich theologisch aufeinander bezogen werden.

3. Theologische Diversität und theologische Systematik


Während man aufgrund der kanonischen Zusammengehörigkeit der Schriften in der alt- und neutestamentlichen Forschung die Frage nach der Theologie der Textzeugnisse in der Regel – wenn auch mit gewissen erkenntnistheoretischen Einschränkungen – unter Zugrundelegung des systematisch-theologischen Themenkataloges zu beantworten sucht und denselben als heuristisches Modell einer am Ende thematisch umfassenden theologischen Analyse anwendet, erfolgt in der Forschung am frühjüdischen Schrifttum die theologische Analyse bislang in der Regel eklektisch und ganz auf den Einzeltext ausgerichtet. Eine Ausnahme bilden, wie bereits angedeutet, die Schriftfunde vom Toten Meer, die man als in der theologischen Ausrichtung mehr oder weniger einheitlich geprägte Schriftensammlung immer wieder interpretatorisch gesamtheitlich in den Blick nimmt. Der Mangel an übergreifenden theologischen Studien zum nicht-qumranischen frühjüdischen Ma­terial ist bei den sog. apokryphen Schriften aufgrund ihres nach Maßgabe der LXX deuterokanonischen Charakters etwas geringer. 27 Aber das verbleibende Material ist in Form, Inhalt und historischer Verankerung so unterschiedlich, dass die Frage, ob man es überhaupt einer theologisch übergreifenden Analyse unterziehen soll, zunächst nicht selbstverständlich mit »ja« zu beantworten ist.28

Andererseits gilt der Tatbestand formaler, inhaltlicher und historischer Diversität, ungeachtet der kanonischen Zusammengehörigkeit, auch für die alttestamentlichen und in etwas geringerem Maße für die neutestamentlichen Schriften. In beiden Fällen ist das Forschungsinteresse an einer theologisch übergreifenden Analyse nicht allein in der gleichzeitig dogmatischen und dogmengeschichtlichen Notwendigkeit einer am Kanon orientierten Quellenarbeit begründet, sondern wird auch von der Überzeugung getragen, dass ein Wandel religiöser Vorstellungen stets einen Wandel der historischen und soziokulturellen Koordinaten voraussetzt, die für die Erhebung theologischer Zusammenhänge den äußeren Bezugsrahmen bilden. Dabei wird die Tatsache der alle Diversität umgreifenden nationalen Identität im alten Israel und im Judentum und das Faktum des einheitlichen Bekenntnisses zum Gekreuzigten und Auferstandenen im Christentum automatisch zur Leitfrage für die Analyse der Einzelphänomene. Sie verlangt zwingend nach einer Systematisierung der Aspekte, will man den besonderen Charakter des jeweils Einheit stiftenden Bandes erfassen. In gleicher Weise kann auch die in der gegenwärtigen judaistischen Hellenismusforschung zum Leitthema avancierte Frage nach den identitätsstiftenden Merkmalen gar nicht anders als durch die Systematisierung der in den Texten je verschieden behandelten Themen beantwortet werden. Schon die schiere Tatsache der nationalen religiösen Identität nötigt zu einer vergleichenden Sichtung des frühjüdischen Textmaterials.

Erste Ansätze einer nicht nur übergreifenden, sondern systematisierten und thematisch differenzierten theologischen Analyse bietet die deutschsprachige Einführung in die jüdischen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, die den Abschluss der gleichnamigen Schriftenedition bildet29 und die mit der programmatischen Vernetzung sachlicher und theologisch-inhaltlicher Aspekte neue Akzente setzt. Die hier für jede Einzelschrift geleistete, thematisch katalogisierte und einheitlich geordnete Erschließung ihres theologischen Profils30 bildet eine geeignete Ausgangsbasis für übergreifende Studien zu den Hauptgebieten theologischer Reflexion im hellenistischen Judentum, allen voran im kultischen Bezug die Soteriologie, im kulturellen Wechselbezug die Anthropologie und im historischen Bezug der Diasporaexistenz eines Großteils des Volkes die Eschatologie. – Erstaunlicherweise aber hat gerade das letztgenannte Themenfeld, obwohl es motivisch wie kein anderes das frühjüdische Schrifttum einschließlich der im Mutterland verankerten Literatur durchzieht, bislang kaum Be­achtung gefunden, sieht man ab von Arbeiten zu den apokalyp­tischen Schriften. Dies gilt, obwohl die eschatologische Erwartung im Kontext der Diasporaexistenz, jen­seits apokalyptischer Spekulationen, ganz eigene Formen an­nimmt. Sie gehört zu den Feldern theologischer Reflexion, die, wenn man sie bei der Beantwortung der Frage nach den bestimmenden Faktoren jüdischer Identität in einem kulturell fremden Umfeld übergeht, das Fehlurteil fördern und das Meinungsspektrum erheblich vergrößern.

So ist es beispielsweise bemerkenswert, dass zwei so unterschiedliche Diasporaschriften wie die bereits besprochenen – der trockene chronographische Bericht des Demetrios aus dem ausgehenden 3. Jh. v. Chr. und die sapiential geprägte Erzählung »Joseph und Aseneth« aus späterer Zeit – verbunden sind durch die große Frage nach dem endzeitlichen Schick­sal Israels. Sie wird in der Weisheitsschrift schon darin als drängende Frage der historischen Ge­genwart er­kennbar, dass sie, vor dem Hintergrund der Erwählung Israels, mit der Frage nach dem endzeitlichen Geschick der Heiden verbunden und einer grundsätzlichen Antwort zugeführt wird. Gleichzeitig dokumentiert die hohe Zahl apokalyptischer Schriften aus hellenistischer Zeit, 31 wie drängend das Judentum dieser Epoche die Frage nach der Zukunft des Volkes stellte und wie vielfältig sich das theologische Ringen um den historischen Weg und das endzeit­liche Geschick Israels manifestierte. Im Rahmen dieser auf die Zukunft gerichteten Gegenwartsbewältigung rückt schließlich auch, wie etwa bei Pseudo-Phokylides,32 in Auseinandersetzung mit griechisch-römischen Todesvorstellungen und philosophischen Entwürfen die Frage nach dem jenseitigen Einzelgeschick verstärkt ins Zentrum. Hier zeigt sich die Notwendigkeit nicht nur einer themengeleiteten systematischen Erfassung des frühjüdischen Schrifttums, sondern auch einer analytischen und differenzierten Aufarbeitung der Themenfelder selbst. Erst wenn die Entwicklung und Transformation religiöser Vorstellungen nach Maßgabe aller erhaltenen Quellen theologiegeschichtlich umgreifend erfasst ist, wird man die Frage, was jüdische Identität in der Antike konstituierte, erschöpfend beantworten können. Dies allerdings nicht im statischen Sinne einer allein gültigen Norm, sondern in einer Weise, die der Diversität des Judentums Rechnung trägt.

In diesem Zusammenhang ist auch die Frage nach dem Chris­tentum als einer aus dem Judentum hervorgegangenen Bewegung zu stellen. Ihre Dynamik gleichermaßen in Kontinuität und Ab­grenzung zum Judentum theologisch zu erfassen, kann nur gelingen, wenn die frühjüdische Literatur in die Betrachtung einbe­zo­gen wird. Als Forschungsdesiderat ist dabei wiederum der Mangel an theologischen Grundlagenstudien zu nennen, die im Blick auf die Fortentwicklung oder den Abbruch von Traditionen den Blick auf das theologische Motivrepertoire lenken. Und doch ist gerade dieses Repertoire gewisser­maßen das religiöse Potential für die re­flexive Bewältigung des Christusgeschehens auf der einen, des Verlus­tes des Tempels und Kultusbezugs auf der anderen Seite. Es sind die Zeugnisse der Um­bruchszeit, die die Doppelexistenz zweier auf den Gott Israels gegründeten Religionen verstehen helfen.

4. Zwischen den Testamenten – die Kanonfrage


Die Art und Weise, wie im Blick auf den Zusammenhang von Altem und Neuem Testament33 das frühjüdische Schrifttum in die Diskussion einbezogen wird, ist von zwei Faktoren bestimmt: zum einen von der Tatsache, dass – nach Maßgabe des hebräischen Ka­nons34 – zwischen den Texten des Alten Testaments und denen des Neuen Testaments eine zeitliche Lücke von rund 200 Jahren klafft, die, rein äußerlich, durch das deutero- und außerkanonische Material abgedeckt wird, zum anderen durch die Abwertung gerade dieses Materials als theologisch sekundär. Die unterschiedliche autoritative Klassifikation lenkte und lenkt die Forschung schon deshalb in eine bestimmte Richtung der Textbetrachtung, weil die außerkanonischen Schriften in der Regel nur ergänzend in den Blick kommen. Dies gilt vor allem für theologisch übergreifende Untersuchungen zum Alten oder Neuen Testament, in denen die Linien um der Schließung der kanonischen Lücke willen »über den Tellerrand hinaus« geführt werden. 35 Die theologiegeschichtlich nur eklektische Einbeziehung des deutero- und außerkanonischen Schrifttums betrifft auch Bereiche, die im Zentrum der Erfor-schung des antiken Judentums stehen, wie etwa die spätere Weis-heit, die im 2. und 1. Jh. v. Chr. zur Blüte gelangte und im Buch Si­rach, in der Sapientia Salomonis und nicht zuletzt im Buch To­bit36 ihre Hauptvertreter hat. Gerade hier, wo traditionsgeschichtlich ein zentraler Aspekt der neutestamentlichen Christologie betroffen ist, zeigt sich, dass in der Regel die genannten Schriften in Folge der fachwissenschaftlichen Spezialisierung isoliert behandelt werden und nur eingeschränkt Relevanz für die Kanonfrage gewinnen oder für die Rekonstruktion epochenübergreifender theologiegeschichtlicher Entwicklungen. Daher ist bislang auch in der Frage, ob der Zusammenhang der Testamente nicht nur äußerlich besteht, d. h. in der Autorität der im Kanon zusammengefassten Schriften, sondern – im Sinne eines Traditionskontinuums – auch innerlich fassbar ist, schon deshalb kein Konsens erzielt worden, weil man die jüdische Literatur der hellenistischen Zeit nur in Auswahl und in thematischer Vereinzelung in die Debatte um eine gesamtbiblische Theologie einbezogen hat. Die Tatsache, dass in dieser Zeit höchster politischer und religiöser Bedrohung, die ihren ersten Höhepunkt in der Religionsverfolgung unter Antiochos IV. hatte und unter römischer Besatzung mit der Zerstörung des Tempels endete, die theologische Reflexion im Judentum sich in zu­-nehmendem Maße auf eine Zusammenschau der Überlieferungen Israels und auf die Systematisierung der Traditionen ausrichtete, ist noch nicht mit der Dringlichkeit zum Gegenstand der Kanondebatte erhoben worden, wie es der theologischen Dynamik entspricht, die das antik-jüdische Schrifttum im Ganzen prägt.37 Das Problem wird besonders dort virulent, wo das Offenbarwerden des Gottes Israels und die Geschichte des jüdischen Volkes im Horizont der Vollendung dieser Geschichte in den Blick kommen.

In diesem Zusammenhang bedarf es allerdings einer Begriffsklärung: Wenn hier von einer theologischen Systematisierung die Rede ist, wie sie vor allem im Bereich der deutero- und außerkanonischen hellenistisch-jüdischen Literatur zu fassen ist, so ist damit nicht ein schematischer Normierungsvorgang gemeint. Gemeint ist vielmehr der Versuch, das Kontinuum des Gotteshandelns von Urbeginn an gleichzeitig schöpfungs- und geschichtstheologisch zu fassen und das Offenbarwerden des Gottes Israels in der Erwählung, Begleitung und Vollendung seines Volkes als einen Prozess darzustellen, genauer als ein Geschehen fortschreitender Selbstteilgabe, das in der Partizipation an Gott selbst – das ist die weisheitliche Grundüberzeugung – erkenntnistheoretisch nachvollzogen werden kann. Nicht von ungefähr findet diese gleichzeitig integrative und selektive Bündelung der Traditionen im Schnittpunkt von Apokalyptik und Weisheit statt, in Verbindung also derjenigen geistigen Strömungen der Spätzeit des Alten Testaments und des hellenistischen Judentums, die in Auseinandersetzung mit den kulturellen Umwälzungen und geistigen Impulsen der Epoche ein bis dahin unbekanntes Abstraktionsniveau erreichen und die Universalisierung der Aspekte auf alle Bereiche religiöser Reflexion ausdehnen. Besondere Bedeutung gewinnen in diesem Zusammenhang die Bilderreden Henochs (äthHen 37–71), in wel chen die schöpfungstheologische Integration der Messianologie fertig vollzogen und das Spektrum theologischer Themen zu einem einzigartigen Gesamttableau verschmolzen ist. Hier wird be­sonders deutlich, dass mit der Systematisierung der Traditionen in hellenistischer Zeit theologiegeschichtlich ein gewisser Ab­schluss erreicht wird, und zwar im Sinne eines intendierten Zieles, das eine erkenntnistheoretische Grenze markiert. Das meint in­haltlich: Bei der universellen Zusammenführung der Offenbarungszeugnisse Israels entstand im Schnittpunkt von Eschato­logie, Messianologie und Weisheitstheologie ein Bild der gott-menschlichen Relation, das im Bereich des Judentums keine Wei­terentwicklung mehr zuließ, nämlich das Bild von der Einwohnung der göttlichen Weisheit in dem zur endzeitlichen Herrschaft berufenen Menschensohn-Messias (äthHen 49,1–50,1; vgl. äthHen 48,1–7). Dieses Bild stellt innerhalb des genannten großen Überlieferungsstromes deshalb einen Endpunkt dar, weil in ihm die göttliche Person der Weisheit und die menschliche Person des Menschensohn-Messias so nah zusammengerückt und miteinander verbunden werden, dass die Regentschaft des Menschensohn-Messias identisch wird mit der Herrschaftsausübung der Weisheit (äthHen 51,3), ohne dass es zur Identifikation der Personen käme und die absolute Handlungseinheit als Wesenseinheit verstanden wäre. Der Schritt über die bezeichnete Grenze hinaus bleibt im Judentum die undenkbare Denkmöglichkeit. Gleichwohl muss dieser Endpunkt der im genannten Traditionsbereich geleisteten Reflexion dringend auf seine kanonische Relevanz und auf seine Bedeutung für den Prozess der Trennung von Christentum und Judentum hin befragt werden. Dies umso mehr, als Apokalyptik und Weisheit den theologischen Hauptbezugsrahmen für die Ausbildung der neutestamentlichen Christologie abgeben. 38

Die Schriftzeugnisse, welche auf jüdischer Seite diesen Rahmen kon­stituieren, erhalten so automatisch eine theologiegeschicht­lich bedeutende Brückenfunktion. Sie bilden gewissermaßen die Reflexionsbasis, auf welche sich das Urchristentum im Nachdenken über Kreuz und Auferstehung gründete und gründen musste, wollte es das Persongeheimnis Jesu messianologisch bewältigen, und zwar gleichzeitig im Blick auf Christi göttliche Herkunft und eschatolo­gische Herrschaft und im Blick auf die menschliche Sendung des Gottessohnes. Ja, die Ausbildung der trinitarischen Gottesvorstellung ist überhaupt nur zu verstehen vom weisheitlichen Personverständnis und von der offenbarungsgeschichtlichen Integration der Weisheit in die frühjüdische Messiaserwartung her, deren synthetischer Endpunkt in den Bilderreden Henochs fassbar wird. Den Schritt zur Erkenntnis, dass die Handlungseinheit des Messias mit Gott in der Wesenseinheit be­gründet liegt, und damit den Schritt zur Identifikation von Weisheit und Messias macht erst das junge Christentum, kann ihn aber nur in Anknüpfung an im Judentum längst vollzogene Reflexions- und Systematisierungsprozesse gehen. Die bisherige Vernachläs­sigung derselben bei der Rekonstruktion der christologischen An­fänge in der neutestamentlichen Wissenschaft39 liegt vielen Aporien der theologiegeschichtlichen Erforschung des Ur­chris­ten­tums zu­grunde. Eine programmatische Einbeziehung des frühjüdischen Schrifttums in die Diskussion ist dringend erforderlich, allerdings unter dem Blickwinkel übergreifender Prozesse, wie sie oben ihrerseits als Desiderat der judaistischen Forschung festgestellt wurden.

Die Frage nach einem Traditionskontinuum stellt sich allerdings nicht nur angesichts beider Teile des christlichen Ka­nons, sondern auch angesichts der Aussonderung bestimmter Traditionen im rabbinischen Judentum nach 70 n. Chr., die in manchen Be­reichen einem bewussten Traditionsabbruch gleichkommen. Dass dieser Abbruch, der sich im Zuge einer programmatischen Rück­bindung an die Mosetora vollzog, vor allem das weisheitlich-messianische Traditionsmaterial der hellenistischen Zeit und die in dieser Epoche gesteigerten eschatologischen Erwartungen be­traf, die in den Katastrophen von 70 und 132 n. Chr. eine entscheidende Rolle spielten, ist aber nur am Rande der Auseinandersetzung mit dem Christentum geschuldet; vielmehr erscheint gerade die be­wusste Aussonderung bestimmter Traditionen im Horizont der geschichtlichen Gegebenheiten als neue Möglichkeit vertiefter theologischer Besinnung auf die ureigenen Überlieferungen und ihrer Neuformung im Akt religiöser Identitätsbestimmung. Umso dringlicher ist es, auch im Blick auf das Judentum nach 70, die Frage nach den theologischen Maßstäben jüdischer Identität vor 70 zu stellen und die Schriften dieser Zeit in diesem Sinne auszuwerten.

5. Fazit


Die Frage nach der theologischen Bedeutung der jüdischen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit erweist sich im historischen Ge­samtkontext als Frage der religiösen Identität, und dies im doppelten Sinne: Sie betrifft das Judentum und das Christentum in gleicher Weise. Die faszinierende Vielfalt der genannten Schriften darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die in ihnen behandelten Probleme ausnahmslos grundsätzlicher Art sind, ja, dass die Grundsätzlichkeit, mit der das Alltagsleben in all seinen Facetten auf den einen Gott bezogen und vor ihm verantwortet wird, das verbindende Charakteristikum der Texte ist und daher die Auseinandersetzung mit den äußeren Bedingungen jüdischer Existenz ausnahmslos theo­logisch geschieht. Das erfordert eine hermeneutische Umkehrung der die Auslegung bisher leitenden Prinzipien: Die theologische Er­schließung der Schriften der formalen und soziokulturellen Klassifikation vorzuordnen, ist auch im Blick auf die historischen Vorgänge das forschungsgeschichtliche Gebot der Stunde.

Summary


The interpretation of Jewish texts from the Hellenistic-Roman period written in Greek, a large percentage which have a diaspora background, is currently guided by a double development: while a

minority of texts have been the focus of interest for some time and

therefore subjected to multiple interpretations the majority of texts are only at the early stages of being interpreted. This is a result of the fact that the editorial contextualization and translation of this corpus is not complete and in many cases no agreement has been reached about the classification of the texts. Since these texts show enormous thematic and literary variations and are difficult to classify geographically, historically, or socio-logically because of their brevity, the discussion is determined by material questions, with extratextual evidence forming the understanding of theirtheological character. The classification of the texts in the context of Jewish literature and of pagan comarative materials is made even more difficult by the fact that the criteria necessary for classification are often ab­sent, and historical and sociological as well as intercultural and in­ter­religious influences are only intratextually identifiable. Generally, this intratextual specification of historical and sociological parameters is realized only eclectically. It has long been missed that for proper classification of the texts the theological profile itself plays a key role. Since the editing, translation and documentation of Jewish-Hellenistic sources has meanwhile reached a sort of conclusion, the question has to be asked, to what extent his­torical, cultural, and theological aspects are hermeneutically relat­ed to one another, and how they contribute towards a systematic answer.

Fussnoten:

1) Hier ist insbesondere auf die Arbeiten von J. Rüpke zu verweisen, von denen hier nur das jüngste Werk genannt sei: Von Jupiter zu Christus. Religionsgeschichte in römischer Zeit, Darmstadt 2011.
2) S. etwa die thematisch weitgestreuten Beiträge in: A. Blasius/B. U. Schipper (Hrsg.), Apokalyptik und Ägypten. Eine kritische Analyse der relevanten Texte aus dem griechisch-römischen Ägypten, Orientalia Lovaniensia Analecta 107, Leuven u. a. 2002.
3) Der jüngste Sammelband von E. A. Judge, Jerusalem and Athens. Cultural Transformation in Late Antiquity. Essays Selected and Edited by A. Nobbs, Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 265, Tübingen 2010, ist aus der Fülle neuerer Literatur zum Thema nur ein Beispiel für interdisziplinär ausgerichtete Studien im Bereich der biblisch-judaistischen Forschung.
4) Vgl. etwa die Diskussion um die Pseudo-Hekataios-Fragmente; s. C. R. Holladay, Fragments from Hellenistic Jewish Authors, Vol. I: Historians, Society of Biblical Literature. Texts and Translations. Pseudepigrapha Series 10, Chico 1983, 277–290; U. Mittmann-Richert, Historische und legendarische Erzählungen, Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit Bd. VI: Supplementa, Lieferung 1: Einführung zu den jüdischen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, hrsg. von H. Lichtenberger und G. S. Oegema, Teilband 1, Gütersloh 2000, 202–209.
5) Gütersloh 1973 ff.
6) J. Leonhardt-Balzer, Fragen Esras, Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit. Neue Folge 1.5.
7) J. C. VanderKam, The Book of Jubilees. A Critical Text, Scriptures Aethiopici 87 u. 88, Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium 510 u. 511, Leuven 1989; K. Berger, Das Buch der Jubiläen, Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit II/3, Gütersloh 1981.
8) S. die Listen der Textausgaben in: G. S. Oegema, Apokalypsen, Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit Bd. VI: Supplementa, Lieferung 1: Einführung zu den jüdischen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, hrsg. von H. Lichtenberger und G. S. Oegema, Teilband 5, Gütersloh 2001, 131.151; zur Kommentarliteratur s. u. Anm. 13.
9) M. de Jonge/H. Hollander/H. J. de Jonge, The Testaments of the Twelve Patriarchs. A critical Edition of the Greek Text, Pseudepigrapha Veteris Testamenti Graece 1,2, Leiden 1978; J. Becker, Die Testamente der zwölf Patriarchen, Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit III/1, Gütersloh 1974.
10) J. Herzer, Fourth Baruch (Paraleipomena Jeremiou). Translated with an Introduction and Commentary, Writings from the Greco-Roman World 22, Atlanta 2005/Leiden 2006; ders. Die Paralipomena Jeremiae. Studien zu Tradition und Redaktion einer Haggadah des frühen Judentums, Texte und Studien zum Antiken Judentum 43, Tübingen 1994.
11) J.-D. Gauger (Hrsg.), Sibyllinische Weissagungen. Griechisch-deutsch. Auf der Grundlage der Ausg. von Alfons Kurfeß neu übers. und hrsg. Sammlung Tusculum, Düsseldorf u. a. 1998; H. Merkel, Sibyllinen, Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, Bd. V/8, Gütersloh 1998.
12) Vgl. die Apokryphen-Ergänzungsreihe zum Kommentarwerk »Das Alte Testament Deutsch«, Göttingen 1998 ff., von der allerdings erst drei Bände erschienen sind (Baruch, Weisheit Salomos und Sirach). Eine entsprechende Ergänzung bietet in einem ersten Band (H. Schüngel-Straumann, Tobit, Freiburg i. Br. 2000) auch Herders Theologischer Kommentar zum Alten Testament. Daneben gibt es beachtenswerte Einzelkommentare. So z. B. A. M. Schwemer, Studien zu den frühjüdischen Prophetenlegenden Vitae Prophetarum, Bd. I und II, Texte und Studien zum Antiken Judentum 49 f., Tübingen 1995 f. Bislang sind solche Werke aber noch die Ausnahme.
13) Vgl. etwa die Reihe »Commentaries on Early Jewish Literature (CEJL)«, Berlin u. a. 2003 ff., darunter insbesondere den 855 Seiten umfassenden Kommentar von L. Stuckenbruck, Enoch 91–108, 2007. Zu erwähnen ist auch die Ausweitung der Reihe »Hermeneia. A Critical and Historical Commentary on the Bible« auf das frühjüdische Schrifttum. Die hohe Bedeutung der Henochüberlieferung für das Verständnis der biblischen Schriften dokumentiert auch hier der entsprechende Band von G. W. E. Nickelsburg/K. Baltzer, 1 Enoch: A Commentary on the Book of 1 Enoch, Bd. 1: Chapters 1–36; 81–108, Minneapolis 2001.
14) Hrsg. v. H.-J. Fabry und U. Dahmen, Stuttgart; vgl. die Rez. zu Bd. I in ThLZ 137 [2012], 793 f., und die Kurzanzeige zu Bd. II in diesem Heft, 1318.
15) Integrating the Dead Sea Scrolls in the Study of Ancient Texts, Languages, and Cultures, hrsg. von A. Lange, E. Tov und M. Weigold, Supplements to Vetus Testamentum 140/1 und 140/2, Leiden.
16) S. nochmals die in Anm. 13 genannten Kommentare, die durch zahlreiche monographische Studien flankiert werden. Exemplarisch: M. Albani, Astronomie und Schöpfungsglaube. Untersuchungen zum astronomischen Henoch, Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament 68, Neukirchen-Vluyn 1994; J. C. VanderKam, Enoch. A Man for All Generations, Studies on the Personalities of the Old Testament, Columbia, South Carolina 1995; zum slawischen Henochbuch s. C. Böttrich, Weltweisheit, Menschheitsethik, Urkult. Studien zum Slavischen Henochbuch, Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 2. Reihe 50, Tübingen 1992.
17) S. die ausführliche Darstellung der Problematik in: U. Mittmann-Ri­chert, Historische und legendarische Erzählungen, 63–81, bes. 71 ff.; dies., Theo­logie als Schlüssel zur Historie. Neue Wege zur Datierung frühjüdischer Schriften, in: H. Lichtenberger/G. S. Oegema (Hrsg.), Jüdische Schriften in ihrem antik-jüdischen und urchristlichen Kontext, Studien zu den Jüdischen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, Bd. 1, Gütersloh 2002, 75–101. Ausführlich zum fiktiven Charakter des 3. Makkabäerbuches S. R. Johnson, Historical Fictions and Hellenistic Jewish Identity. Third Maccabees in Its Cultural Context, Hellenistic Culture and Society 43, Berkley 2004, 129–141.
18) Aus der Fülle der Literatur seien nur die folgenden Titel genannt: J. J. Collins, Between Athens and Jerusalem. Jewish Identity in the Hellenistic Diaspora, 2. Aufl., Grand Rapids u. a. 2000; M. Gafni, Land, Center and Diaspora. Jewish Constructs in Late Antiquity, Journal for the Study of the Pseudepigrapha. Supplement Series 21, Sheffield 1997; D. R. Schwartz, How at Home Were the Jews of the Hellenistic Diaspora? Classical Philology 95 (2000), 349–357; E. S. Gruen, Dias­pora. Jews Amidst Greeks and Romans, Cambridge u. a. 2002; L. I. Levine – D. R. Schwartz (Hrsg.), Jewish Identities in Antiquity. Studies in Memory of Menahem Stern, Tübingen 2009; N. Hacham, Exile and Self-Identity in the Qumran Sect and in Hellenistic Judaism, in: E. G. Chazon/B. Halpern-Amaru (Hrsg.), New Perspectives on Old Texts. Proceedings of the 10 th International Symposium of the Orion Center for the Study of the Dead Sea Scrolls and Associated Literature, 9–11 January, Leiden 2010, 3–21.
19) Zu den Siedlungsgebieten der Juden in hellenistischer Zeit s. E. Schürer, The history of the Jewish people in the age of Jesus Christ (175 B. C.–A. D. 135). A new English version revised and edited by G. Vermes/F. Millar/M. Goodman, Bd. III.1, Edinburgh 1986, 1–86.
20) C. R. Holladay, Fragments from Hellenistic Jewish Authors, Vol. I: Historians, Society of Biblical Literature. Texts and Translations. Pseudepigrapha Series 10, Chico 1983, 189–243; N. Walter, Fragmente jüdisch-hellenistischer Historiker, Jüdische Schriften aus hellenistisch-jüdischer Zeit, Bd. I/2, Gütersloh 1980, 121–126.
21) C. R. Holladay, Fragments from Hellenistic Jewish Authors, Vol. I: Historians (s. Anm. 20), 51–91; N. Walter, Fragmente jüdisch-hellenistischer Exegeten: Aristobulos, Demetrios, Aristeas, Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, Bd. III/2, Gütersloh 1975, 280–292.
22) Ausführlich zur Diskussion U. Mittmann-Richert, Demetrios the Exe­-gete and Chronographer – a New Theological Assessment, in: I. Henderson/G. S. Oegema, with S. Parks (Hrsg.), The Changing Face of Judaism, Christianity and Other Religions in Greco-Roman Antiquity, Studien zu den Jüdischen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, Bd. 2, Gütersloh 2006, 186–209; dies., Art. Demetrios, Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (www.wibilex.de), Fach­hrsg. M. Bauks und K. Koenen.
23) Zum Text und dem Problem der Edition s. Joseph und Aseneth. Kritisch hrsg. von C. Burchard mit Unterstützung von C. Burfeind und U. B. Fink, Pseud­­epigrapha Veteris Testamenti Graece 5, Leiden u. a. 2003. S. auch Joseph und Aseneth, hrsg. von E. Reinmuth, eingel., ediert, übers. und mit interpretierenden Essays versehen von E. Reinmuth, S. Alkier, B. Boothe, U. B. Fink, C. Gerber, K.-W. Niebuhr u. a., Tübingen 2009.
24) S. U. Mittmann-Richert, Joseph und Aseneth. Die Weisheit Israels und die Weisheit der Heiden, in: H. Lichtenberger/U. Mittmann-Richert (Hrsg.), Biblical Figures in Deuterocanonical and Cognate Literature, Deuterocanonical and Cognate Literature. Yearbook 2008, Conference of the ISDCL at Tübingen, Germany, 30 June – 4 July 2007, Berlin u. a. 2009, 239–279.
25) S. z. B. die Diskussion um den antiken Roman im Allgemeinen und den Liebesroman als Vorbild für den Autor von JosAs im Besonderen in: A. Standhartinger, Das Frauenbild im Judentum der hellenistischen Zeit. Ein Beitrag anhand von »Joseph und Aseneth«, Leiden u. a. 1995, 20–26; vgl. dies., From Fictional Text to Socio-Historical Context. Some Considerations from a Textcritical Perspective on Joseph and Aseneth, in: Society of Biblical Literature. 1996 Seminar Papers. One hundred Thirty-second Annual Meeting, November 21–28, 1996, New Orleans Marriott, New Orleans, Louisiana, Society of Biblical Literature. Seminar Papers Series 35, Atlanta 1996, 302–318.
26) Dies betrifft vor allem die nicht-qumranischen Fundstellen; s. die entsprechenden Listen dokumentarischer Quellen in: A. Lange with U. Mittmann-Richert, Annotated List of the Texts from the Judaean Desert Classified by Content and Genre, in: E. Tov (Hrsg.), Discoveries in the Judaean Desert XXXIX: The Texts from the Judaean Desert. Indices and an Introduction to the Discoveries in the Judaean Desert Series. C., Oxford 2003, 115–164, hier: 143 f.149–154.156–160. 164.
27) Vgl. die Fülle an Studien zu den Büchern Tobit und Sirach und zur Sapientia Salomonis, wie sie die einschlägigen Bibliographien registrieren, etwa die des Orion Center for the Study of the Dead Sea Scrolls. Zu Sirach s. auch die Bibliographie von F. V. Reiterer, Bibliographie zu Ben Sira, Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 266, Berlin u. a. 1998.
28) Dementsprechend ist die systematische Erfassung der in den Texten behandelten theologischen Themen erst in Teilbereichen geleistet. Vgl. etwa die Überblicksstudien zu ausgewählten Themenbereichen im Aufsatzband von A. Schmitt, Der Gegenwart verpflichtet. Studien zur biblischen Literatur des Frühjudentums, Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 292, Berlin u. a. 2000, die allerdings sämtlich nur einen kleinen Ausschnitt aus dem reichhaltigen Textmaterial in den Blick nehmen.
29) Bd. VI, Lieferungen 1–5, hrsg. v. H. Lichtenberger und G. S. Oegema, Gütersloh 2000 ff.
30) S. dazu das Vorwort der Herausgeber in Bd. VI/1.1, IX–XI.
31) S. die Liste der Schriften in Bd. V der Reihe »Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit« (s. Anm. 8).
32) A.-M. Denis, Fragmenta Pseudepigraphorum quae supersunt graeca una cum historicorum et auctorum Judaeorum hellenistarum fragmentis, PsVTGr IIIb, Leiden 1970, 149–156; N. Walter, Pseudepgraphische jüdisch-hellenistische Dichtung: Pseudo-Phokylides, Pseudo-Orpheus, Gefälschte Verse auf Namen griechischer Dichter, Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, Bd. V/3, Gütersloh 1983, 182–216.
33) Zum Begriff und Konzept aus neutestamentlicher Sicht U. Mittmann/R. Genz, The Term and Concept of New Testament, in: K. Finsterbusch/A. Lange (Hrsg.), What is Bible?, Contributions to Biblical Exegesis & Theology 67, Leuven u. a. 2012, 305–337.
34) Zur Terminologie s. K. Schöpflin, Art. Kanon (AT) 3.1 und 3.3, Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (www.wibilex.de), Fachhrsg. M. Bauks und K. Koenen.
35) Manchmal wird aber auch ganz auf die Einbeziehung des frühjüdischen Schrifttums verzichtet. Vgl. z. B. U. Sals, Die Biographie der »Hure Babylon«. Studien zur Intertextualität der Babylon-Texte in der Bibel, Forschungen zum Alten Testament 2. Reihe 6, Tübingen 2004, eine Arbeit zu einem Topos, der gerade in der von der Autorin nicht berücksichtigten zwischentestamentarischen Literatur zu den Hauptmotiven der theologischen Reflexion gehört.
36) Zur weisheitlichen Klassifikation des Tobitbuches s. B. Ego, Buch Tobit, Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, Bd. VI: Supplementa, Lieferung 1: Einführung zu den jüdischen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, hrsg. von H. Lichtenberger und G. S. Oegema, Teilband 2, Gütersloh 2005.
37) Dazu grundsätzlich U. Mittmann, Die neutestamentliche Re­zeption von Ps 2 und Ps 110 (109 LXX) als Prüfstein einer gesamtbiblischen Hermeneutik und Exegese. Hartmut Geses traditionsgeschichtlicher Ansatz in der Diskussion, in: H. Assel/S. Beyerle/C. Böttrich (Hrsg.), Beyond Biblical Theolog­ies, Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 295, Tübingen 2012, 188–222.
38) Es würde zu weit führen, hier auf die biblisch-theologische Grundsatz­diskussion einzugehen, wie sie gegenwärtig im Horizont der Kanonfrage ge­führt wird. Das Spektrum der Meinungen dokumentiert der in Anm. 37 vorgestellte Sammelband zum Thema. Zur hermeneutischen Grundlegung der oben vorgestellten Sicht der theologiegeschichtlichen Entwicklung im frühen Judentum und frühen Christentum s. U. Mittmann-Richert, Thesen zur offenbarungsgeschichtlichen Grundlegung der Christologie, in: J. Frey/S. Krauter/H. Lichtenberger (Hrsg.), Heil und Geschichte, Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 248, Tübingen 2009, 307–331.
39) Dies bedeutet nicht grundsätzlich, dass das alttestamentlich-jüdische Traditionsmaterial bei der Rekonstruktion der christologischen Entwicklung übergangen würde. Dasselbe wird aber in der Regel eklektisch einbezogen im Sinne einer Materialsammlung, aus der das junge Christentum motivisch geschöpft und Einzelelemente zusammengetragen habe. Zur Programmatik dieses Ansatzes s. F. Hahn, Theologie des Neuen Testaments, Bd. II: Die Einheit des Neuen Testament. Thematische Darstellung, 2., durchges. und um ein Sachregister erg. Aufl., Tübingen 2005, 143–167.