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Ausgabe:

Mai/1999

Spalte:

549 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Stock, Konrad [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Zeit und Schöpfung.

Verlag:

Gütersloh: Kaiser/Gütersloher Verlagshaus 1997. 170 S. gr.8 = Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie, 12. Kart. DM 58,-. ISBN 3-579-02080-3.

Rezensent:

Markus Huppenbauer

Der vom Herausgeber mit einem informativen Vorwort (7-10) versehene Sammelband druckt sechs Vorträge ab, die auf den Jahrestagungen der Fachgrupe Systematische Theologie der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie 1994 und 1995 zu den Themen "Zeit" und "Schöpfung" gehalten wurden.

Mit "Endet die Zeit? Bemerkungen zum Zeitproblem im Aspekt naturwissenschaftlicher Erschliessung" (11-40) legt Eberhard Wölfel einen anspruchsvollen "Werkstattbericht" (11) vor. Nach einem Abschnitt über die irreversible Zeit von Zeitprozessen (12 ff.) und einem über reversible Zeit mit Bemerkungen zum Problem der Gleichzeitigkeit im Anschluß an Einstein (20 ff.) referiert er F. Cramers Theorie der Verknüpfung dieser zwei Zeitbegriffe (36 ff.), deren Bedeutung für Selbst- und Gotteserfahrung zum Schluß (39 f.) kurz angedeutet wird.

Christian Link grenzt in "Gott und die Zeit. Theologische Zugänge zum Zeitproblem" (41-66) im kritischen Anschluß an Lévinas biblische Zeitwahrnehmung als "Gotteszeit" von "Weltzeit" (43) ab. "Gotteszeit" meint im Unterschied zu chronologischen Zeitbestimmungen und begrifflichen Fixierungen einer Einheit der Zeit das Retten dessen, "was unsere Zeit verloren geben muß" (52). Sie bleibt Ereignis, das sich menschlichem Zugriff entzieht (55) und schließt an das Bild vom "zukommenden Gott" (58) als Ermöglichungsgrund der Schöpfung an. Reflexionen zur "Zeitoffenheit Gottes" (63) schließen den Text mit der Frage ab, wie die Weltzeit "ihre Spuren in Gottes Ewigkeit hinterläßt" (64).

"Meine Zeit in Gottes Händen" (67-90) von Eilert Herms schließt an das Bekenntnis von Ps 31,16 an. In aufwendigen transzendental-phänomenologischen Analysen beantwortet er drei Fragen: 1.) Welchen prädikablen Gegenstand bezeichnet der Ausdruck "Zeit" (68 ff.)? 2.) Was heißt "Zeit" in der Näherbestimmtheit als "meine Zeit"? (82 ff.) 3.) Was besagt die Prädikation "meiner Zeit" als befindlich in "Gottes Händen" (88ff.)? Herms Text versucht insbesondere zu zeigen, daß das Dasein Gottes als notwendige Bedingung von Zeit und insofern als das ursprüngliche Begründen je "meiner Zeit" gedacht werden muß.

Hartmut Rosenau überwindet in "Die Ordnungen der Schöpfung - zwischen Ideologie und Weisheit" (91-113) im Anschluß an Augustins "De ordine" (99 ff.) die Fetischisierung von Konzepten institutioneller Ordnungen. Er denkt Ordnungen der Schöpfung existential als jene "Grundbestimmungen menschlichen Daseins", die zwar "vorgegeben und nicht ausgesucht sind", die aber doch Gestaltungsspielräume zulassen (111). Er schlägt vor, sie ästhetisch-weisheitlich "als Möglichkeiten einer vieldeutigen, darum aber nicht unverbindlichen, weil durch Traditionsvermittlung geschulten ,Wahrnehmung’ ... der ... nicht eindeutig aufweisbaren Gegenwart des Schöpfer-Gottes in der Lebenswelt der Menschen" aufzufassen (112).

Nach Wölfels Beitrag liegt mit demjenigen von Ulrich H. J. Körtner, "Schöpfung und Autopoiesis. Zur Auseinandersetzung der Theologie mit dem Programm der Kritischen Evolutionstheorie" (114-142), ein weiterer vor, der den Dialog mit den Naturwissenschaften vollzieht. Nach einer kenntnisreichen Einführung in die Probleme des interdisziplinären Gesprächs (114ff.) rekonstruiert Körtner die Kritische Evolutionstheorie (120 ff.). Er kritisiert den typisch neuzeitlichen Begriff des autonomen Subjektes, den diese und die ihr verwandte Theorie autopoietischer Systeme verwenden (133 ff.) und sieht gerade in dieser Kritik Anschlußmöglichkeiten für einen christologisch vermittelten Schöpfungsbegriff (137 ff.).

Wolfgang Schobert hebt in seinem Beitrag ",Es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen’ (Kol 1,16). Zum Sinn der Lehre von der Schöpfungsmittlerschaft Christi" (143-170) den antimetaphysischen Gehalt dieser Lehre hervor (160). Dennoch insistiert er auf ihrem "ontologischen Sinn" (144). Gerade indem sie sich anders als theoretisch, nämlich primär doxologisch-metaphorisch artikuliert, läßt sie gemäß Schobert lebensweltlich entdecken, wozu Welt als Neuschöpfung in Wahrheit bestimmt ist. Die Lehre ist so gesehen unverzichtbar, um den Zusammenhang von Schöpfung und Versöhnung zu denken (162).

Der Sammelband repräsentiert gut ausgewählte Positionen aktueller Schöpfungstheologie. Die meisten Beiträge treffen sich darin, daß im Unterschied zu vielen angelsächsischen Publikationen mit einem theologisch eigenständigen, anthroporelationalen Thematisieren von Natur als Schöpfung ein eher kritischer Dialog mit den Naturwissenschaften etabliert wird. Nichtsdestoweniger ist es schade, daß die reichhaltige Diskussion zum Thema aus dem angelsächsischen Raum kaum rezipiert wird.