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Ausgabe:

Mai/1999

Spalte:

542–544

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Faber, Roland

Titel/Untertitel:

Der Selbsteinsatz Gottes. Grundlegung einer Theologie des Leidens und der Veränderlichkeit Gottes.

Verlag:

Würzburg: Echter 1995. XII, 472 S. 8 = Studien zur systematischen und spirituellen Theologie, 16. Kart. DM 56,-. ISBN 3-429-01689-4.

Rezensent:

Bernd Hildebrandt

Die Arbeit reiht sich ein in die Bemühungen, Gottes Veränderlichkeit als transzendentale Bedingung der Möglichkeit der Heilsgeschichte zu denken (30). Im kritisch-reflektierenden Durchgang durch die theologischen Konzeptionen, die die Veränderlichkeit Gottes diskutieren, formuliert der Vf. bestimmte Bedingungen, die eingehalten werden müssen, soll sowohl ein Rückfall in den metaphysischen Begriff der Unveränderlichkeit Gottes vermieden als auch eine Remythologisierung des Gottesverständnisses ausgeschlossen werden. Letzteres würde Gottes Teilnehmen am Kreuzesgeschehen zum Letzthorizont der Gotteslehre machen, womit das Leiden in Gott verewigt würde und folglich von einer Überwindung des Leidens als Ziel des Selbsteinsatzes Gottes in seinem Erlösungshandeln nicht eigentlich mehr gesprochen werden könnte (148f.). Der metaphysische Gottesbegriff hingegen würde die Teilnahme Gottes am Leiden ausschließen, so daß Gott und Welt voneinander isoliert blieben.

Als inhaltliche Bedingung für das Zusammendenken des Todesgeschicks Jesu mit dem Wesen Gottes fordert der Vf. die trinitarische Letztbegründung in christologisch vermittelter Konkretheit (375). Sie besagt, daß das Leiden Jesu, die Einheit von immanenter und ökonomischer Trinität vorausgesetzt, im innertrinitarischen Sein Gottes fundiert werden müsse. In diesem Kontext muß dann aber auch die Aussage von der ursprünglichen Einheit des einen Wesens Gottes Bedeutung erlangen, soll die Gefahr gebannt werden, daß das dialektische Erkenntnisprinzip, das Gottes Offenbarung unter dem Gegensatz von Leiden und Tod im Denken zu verantworten sucht, zu einer Entgegensetzung von Vater und Sohn im innertrinitarischen Sein ausgeweitet wird (334). Damit aber würde, wie der Vf. dies vor allem in Moltmanns Ausführungen zum Thema angelegt sieht, die Gottesrede diastatisch und die Einheit Gottes zu einer zukünftigen Größe (335). Die Offenbarung unter dem Widerspruch wäre dann jedoch nicht mehr Akt der Freiheit Gottes, vielmehr müsse sich Gott so (als der ewig leidende Gott) und nicht anders offenbaren (172). Das aber führe in die Gnosis und bliebe "in der Negation metaphysisch gedachter Einheit von ihr noch abhängig" (337). Somit liegt auch dem Gegensatzdenken, das doch gerade den metaphysischen Gottesbegriff überwinden will, ein projektives Verständnis der Analogie zugrunde, das auf die Erkenntnis des Ähnlichen durch Ähnliches fixiert ist.

Gegen diesen einfachen Rückschluß vom heilsgeschichtlich Erhobenen auf Gottes Sein in sich fordert der Vf. die reziprok-analoge Argumentationsstruktur für die Gotteslehre (140). Erst diese macht mit Gottes geschichtlichem Wesen als solchem ernst. Sie vermag sowohl die Einheit als auch die Differenz von immanenter und heilsökonomischer Trinität zu denken.

Der Begriff des Reziproken steht hierbei für den Tatbestand, daß in einem Aussagebereich alle Aussagen miteinander kommunikabel sein und aufeinander zurückweisen müssen (35). Konkret bedeutet dies, daß die heilsgeschichtlichen Aussagen für das Verständnis der immanenten Trinität relevant sind und umgekehrt (79).

Der andere Aspekt der vom Vf. geforderten Denkstruktur ist der Begriff der Analogie, wie er auf dem IV. Laterankonzil formuliert worden ist. Er besagt, daß die Ähnlichkeit durch die je größere Unähnlichkeit konstituiert werde (104). Mit dieser Aussage soll nicht, wie oft mißverstanden worden ist, einer Unbestimmtheit Gottes das Wort geredet, vielmehr die Gefahr des "Abspanns" der Analogie auf die Ähnlichkeit vermieden werden. Die je größere Unähnlichkeit ist als die immer noch größere Freiheit zur Liebe, aus der heraus sich Gott auch unter dem Gegensatz des Leidens offenbaren kann und dies faktisch tut, zu verstehen. Auf die Gotteserkenntnis des Menschen bezogen heißt dies, "daß eine ,Entsprechung’ immer schon auf den von sich her Erkenntnis eröffnenden Gegenstand hin aufgebrochen ist" (174). Genau damit aber wird der Behauptung, die Gottesrede sei projektiv aus der Erfahrung des Menschen heraus entwickelt, der Boden entzogen und Platz geschaffen für das Denken der Leidensfähigkeit Gottes.

Gerade und nur die lateranensisch gedachte Analogie macht es also möglich, sowohl die Einheit Gottes mit dem Geschick Jesu als auch die radikale Differenz Gottes zum Leiden innertrinitarisch einzuholen. Denn Gottes innertrinitarisches Wesen ist nun - in immer noch größerer Unähnlichkeit - als Unausschöpflichkeit der Liebe in der uneingeschränkten Hin-Gegebenheit der geliebten Personen aneinander bestimmt (433). Das ist Gottes Geschichtlichkeit. Sie ist nicht "das Ergebnis der Heilsgeschichte, sondern vielmehr umgekehrt: Sein Selbsteinsatz als innergöttlicher und innertrinitarischer Lebensvollzug ist bleibende, von den Geschöpfen uneinholbare Voraussetzung für sein Sich-Aussetzen in die Fragmentarität und die darin begründete ,Veränderlichkeit’ dieser Welt" (236). Wohl verändert sich Gott in der leidenden Hingabe. Aber in dieser Veränderung definiert Gott sein Liebe-Sein als ewiges (200). Dabei ist die Differenz zwischen dem innergöttlichen Leben und seiner leidenden geschichtlichen Konkretion festzuhalten. Doch "liegt diese Differenz im Selbst-Einsatz nicht am Selbst-Einsatz, sondern am Charakter der Fragmentarität geschöpflicher Ex-sistenz" (215). Indem Gott sich dieser Existenz aussetzt, "wird der ,Selbst-Einsatz’ Gottes ein leidender und bleibt doch zugleich und gerade so noch sein Lebens-Einsatz, erweist sich in seiner ,Unzerstörbarkeit’, weil er, dem sich aussetzend, darin und da hindurch in der Lage ist, sich seiner Lebens-,struktur’ gemäß zu vollziehen" (215 f.).

Dem Vf. ist daran gelegen, die Entsprechung von Erkenntnisstruktur und Erkenntnisgegenstand aufzuzeigen. Darin liegt auch ein apologetisches Interesse. Der Vf. identifiziert nämlich in der atheistischen Religionskritik (Feuerbachs) die Denkvoraussetzung der projektiven Analogie. Diese vermag jedoch nur beim Gleichen zu verharren und ist nicht fähig, das Unähnliche als das Neue zu denken. Und das bleibt nicht abstrakt-theoretisch, sondern hat praktische Folgen. Denn es gibt "einen inneren Zusammenhang von Erkenntnis als Selbsterfahrung des Subjekts und nicht-leidenschaftlichem, nicht-trinitarischem Gottesverständnis, das zu einem dem-,entsprechenden’ Menschenverständnis führt" (175). Die reziproke Analogie indes eröffnet die Möglichkeit, das Neue und Andere des trinitarischen Lebens Gottes wahrzunehmen und im Denken nachzuvollziehen, ohne sich seiner zu bemächtigen. Zu fragen bleibt, ob die vom Vf. durchgeführte Interpretation der Lateranformel dieser entspricht oder nicht eher, zumindest de facto, das Analogieverständnis Jüngels aufnimmt, das von der immer noch größeren Ähnlichkeit inmitten noch so großer Unähnlichkeit ausgeht (E. Jüngel, Gott als Geheimnis der Welt, 403).

Die Arbeit verlangt dem Leser im verstehenden Mitgehen einiges ab. Das liegt nicht nur an der äußerst subtilen und den Traditionen der Scholastik verpflichteten Denkleistung. Das Lesen wird vielmehr zusätzlich durch einen nicht gerade einfachen Satzbau erschwert. Wer sich gleichwohl der Mühe unterzieht, sich auf mehr als nur rhetorische Antworten auf die Frage nach der Veränderlichkeit Gottes einzulassen, wird in diesem Buch fündig werden. Nicht zuletzt die Auseinandersetzung mit den heute wichtigen Konzeptionen zu diesem Thema (v. Balthasar, Jüngel, Moltmann und Rahner) machen es zu einem Studierwerk.