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Ausgabe:

November/2013

Spalte:

1268–1269

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Neddens, Christian Johannes

Titel/Untertitel:

Politische Theologie und Theologie des Kreuzes. Werner Elert und Hans Joachim Iwand.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2010. 917 S. m. 6 Abb. = Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie, 128. Geb. EUR 110,00. ISBN 978-3-525-56354-0.

Rezensent:

Hartmut Kreß

Das Buch stellt die Drucklegung einer systematisch-theologischen Dissertation dar, die im Jahr 2008 in Greifswald angenommen worden ist. Neben der klassischen protestantischen Kreuzestheologie be­schäftigt sich Christian Johannes Neddens mit dem Topos der politischen Theologie. Er weist kurz auf die Theoriebildung zur politischen Theologie bei Carl Schmitt hin, die um die vielzitierte Formel kreiste, alle prägnanten Begriffe der modernen Staatslehre seien säkularisierte theologische Begriffe (33). Summarisch er­wähnt die Dissertation neuere Debatten zur Zivilreligion (44 ff.) und bekundet ihrerseits Interesse an einer Abgrenzung von poli­-tischer Theologie als einer christlich-religiösen Überlegitimierung politischen Handelns (41.47). Hierzu sei die Theologie des Kreuzes geeignet, auf die das Buch anhand der Werke Werner Elerts und Hans Joachim Iwands eingeht. Für beide Autoren wird auch auf unveröffentlichte Archivmaterialien zurückgegriffen (866.872). N. referiert neben der Sekundärliteratur, die sich mit Elert (75 ff.) und Iwand (443 ff.) befasst, ausführlich Gedankengänge der beiden lutherischen Theologen selbst. Ihre Werke werden in chronolo­gischer Reihenfolge vorgestellt, und zwar zumeist in der Form, dass der Inhalt einzelner Schriften fortlaufend wiedergegeben wird.
Thematisch zu Elert sind z. B.: der Antimodernismus (134), das Nein zur neuzeitlichen Theorie von Subjektivität und Autonomie (289), geschichtstheologische (95) und kriegstheologische (122.363) Spekulationen einschließlich der Deutung des Krieges als Kampf zwischen Gott und Teufel (260), die Orientierung am »deutschen Wir« (129), die Verknüpfung von Luthertum und Deutschtum (255), die Idee einer lutherischen Reichskirche (313), die Schöpfungsordnungslehre oder die Betonung des Zornes Gottes (133.162.169.276). Ein eigener Abschnitt widmet sich dem der NS-Ideologie verbundenen Ansbacher Ratschlag von 1934, an dem Elert entscheidend beteiligt war (323 ff.). Im Kontrast hierzu wird an anderer Stelle des Buches Iwands Distanznahme gegenüber den Deutschen Christen hervorgehoben (583). Iwand habe sich freilich ebenfalls von der politischen Theologie Karl Barths, seinem Leitbild des politischen Gottesdienstes und seiner theologischen Überlegitimierung des Staates abgesetzt (702 ff.). Hiermit weist die Dissertation im Spiegel Iwands zu Recht auf gravierende gedankliche Probleme bei Barth hin. Insgesamt sei Iwand stärker Luther als Barth verpflichtet (817 f.).
Das Buch umfasst nahezu 1000 Seiten. Es enthält Inhaltswiedergaben von Schriften Elerts und Iwands und lässt sich als Material­aufarbeitung oder als Materialsammlung nutzen. Jedoch fehlen die systematische Konzentration, kontextuell-zeitgeschichtliche oder tiefergreifendere geistesgeschichtliche Interpretationen und vor allem eine systematische Durchdringung oder kohärente Re­-flexion des Problemfelds der politischen Theologie. Letztere wäre eigentlich sinnvoll gewesen. Der Sache nach ist auch noch in der Gegenwart an politischen Theologien unterschiedlicher Couleur unverändert Ideologiekritik geboten.