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Ausgabe:

November/2013

Spalte:

1252–1254

Kategorie:

Kirchengeschichte: 20. Jahrhundert, Zeitgeschichte

Autor/Hrsg.:

Morgenroth, Matthias

Titel/Untertitel:

Jörg Zink. Eine Biographie.

Verlag:

Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2013. 255 S. m. 38 Abb. Geb. EUR 22,99. ISBN 978-3-579-06591-5.

Rezensent:

Uwe Wolff

Wer in den 60er oder 70er Jahren des 20. Jh.s evangelisch getauft, konfirmiert oder getraut wurde, kam an Jörg Zink (*1922) nicht vorbei. Bildbände mit besinnlichen Sprüchen, Anleitungen zum Gebet und moderne Übersetzungen der Bibel aus seiner Feder gehörten zu den Geschenken, die auch von Pastoren gerne überreicht wurden. Die Bücher und Diaserien des evangelischen Pfarrers sind millionenfach verkauft worden, so dass sich der Schüler von Helmut Thielicke von der Württembergischen Landeskirche im Jahr 1980 beurlauben lassen konnte. Jörg Zink war von 1957–1961 als Leiter des Burckhardthauses in Gelnhausen und Berlin zuständig für die Mädchenarbeit der EKD. Als Fernsehbeauftragter seiner Landeskirche sprach er von 1961–1980 über 100 Mal das »Wort zum Sonntag«. Von 1969 bis 2011 füllten seine Bibelarbeiten die größten Säle auf dem Kirchentag.
Inzwischen hat der religiöse Buchmarkt andere Protagonisten. Die Bücher von Jörg Zink haben sich überlebt. Das darf man bei aller Anerkennung seiner eindrucksvollen Lebensleistung sagen. Zeitlos aber ist die Aufgabe, das Wort Gottes und die Botschaft Jesu in der jeweiligen Epoche zu vermitteln. Warum dieser Brückenschlag zwischen Tradition und Gegenwart Jörg Zink gelang, könnte eine Frage der Praktischen Theologie und der Biographieforschung werden, zu der die Biographie des jungen evangelischen Publizisten Matthias Morgenroth erstes Material vorlegt.
M.s Biographie zeigt einen Autor, der seit früher Jugend diszipliniert einem strukturierten Tagesablauf folgt. Er ist nicht nur in der theologischen und schöngeistigen Literatur zu Hause, sondern auch in Natur und Handwerk. Dieses Leben in ganzheitlichen Be­zügen ist die Grundlage für den didaktischen Transfer und die Verknüpfung der biblischen Botschaft mit Erfahrungen aus der Lebenswelt.
Jörg Zink wurde durch die Jugendbewegung der 1920er Jahre, den frühen Verlust seiner Eltern und die Kriegserfahrungen entscheidend geprägt. Seine Eltern gründeten einen christlichen Bruderhof bei Schlüchtern-Elm. Hier versuchten sie, ein Leben in Gütergemeinschaft zu führen. Das Experiment scheiterte. Die Mutter starb an Auszehrung, der Vater unmittelbar nach der zweiten Eheschließung an Tuberkulose. Mit vier Jahren war Jörg Zink Vollwaise. Seine Stiefmutter, Martha Mahle, stammte aus jener Familie, die heute als Mahle GmbH weltweit zu den größten Automobilzuliefern gehört. Martha Mahles geistliche Heimat war der Köngener Bund, der aus einem Schülerbibelkreis hervorgegangen war und von dem Indologen und Religionswissenschaftler Jakob Wilhelm Hauer (1881–1962) geleitet wurde. Hauer war von 1927 bis 1945 Ordinarius in Tübingen. Nach internen Auseinandersetzungen um die Richtung des Bundes kam es zu einer Spaltung. Die alte, vom Pietismus und dem Gedanken der Brüderlichkeit geprägte Richtung des Köngener Bundes wurde durch Rudolf Dauer (1892–1976), Jörg Zinks späteren Schwiegervater, fortgeführt. Zink war und blieb ein Na­turbursche von robuster physischer und psychischer Gesundheit, der auch auf nacktem Waldboden schlafen und von Stechmücken umschwärmt Einkehrtage halten konnte. Selbständigkeit und Verantwortlichkeit, Verbindlichkeit und Fürsorge gehörten zu jenen Tugenden des christlichen Bundes, die ihn auch während des Zweiten Weltkrieges begleiteten. Zink wurde Funker in einem Zerstörergeschwader, später auch Pilot. Er überlebte drei Flugzeugabstürze. Nach seinem Studium der Theologie arbeitete er drei Jahre als Repetent im Tübinger Stift.
Die vollständige Geschichte der deutschen Jugendbewegung, ihrer herausragenden Gestalten wie Romano Guardini und ihrer katholisch geprägten Bünde wie dem »Quickborn« oder dem »Bund Neudeutschland« ist noch nicht geschrieben worden. Die einflussreichen jungen Theologen der Nachkriegszeit waren teilweise, wie der katholische Lutherforscher Erwin Iserloh (1915–1996), durch den Bund Neudeutschland geprägt. Die Arbeit von M. deutet hier auf evangelischer Seite biographische Zusammenhänge zwischen der Blauen Blume des Wandervogels und den Kirchentagen an, die eingehender Erforschung harren. Jörg Zink war und blieb ein jugendbewegter Geist.