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Ausgabe:

November/2013

Spalte:

1246–1248

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Acta Cusana. Quellen zur Lebensgeschichte des Nikolaus von Kues. Bd. II, Lfg. 1

Titel/Untertitel:

1. April 1452 – 29. Mai 1453. Im Auftrag d. Heidelberger Akademie der Wissenschaften hrsg. v. J. Helmrath, H. Hallauer u. E. Meuthen.

Verlag:

Hamburg: Felix Meiner 2012. VIII, 447 S. u. 16 S. Beilage. Kart. EUR 268,00. ISBN 978-3-7873-2219-0.

Rezensent:

Karl-Hermann Kandler

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Nicolai de Cusa: Opera Omnia XX: Scripta mathematica. Ed. M. Folkerts. Hamburg: Felix Meiner 2010. XLVIII, 294 S. Kart. EUR 386,00. ISBN 978-3-7873-1737-0.
Nikolaus von Kues: Predigten in deutscher Übersetzung. Hrsg. am Institut für Cusanus-Forschung v. W. A. Euler, V. Ranff, K. Reinhardt u. H. Schwaetzer. Bd. 2: Sermones XXVII–CXXI. Münster: Aschendorff 2013. XVI, 601 S. = Opera omnia, XVIII. Geb. EUR 79,00. ISBN 978-3-402-03482-8.


Obwohl der Abschluss des »Jahrhundertwerks« der kritischen Edition der Schriften des Nikolaus von Kues schon 2004 gefeiert wurde, folgen noch einige Editionen seiner Schriften nach, zunächst seine mathematischen Schriften. Bisher lagen sie in neuerer Zeit nur in deutscher Übersetzung von Josepha Hofmann gedruckt vor. Diese Ausgabe ist aber längst vergriffen. Menso Folkerts hat sich der schwierigen Editionsaufgabe mit glänzendem Ergebnis unterzogen. Nach einem Vorwort erklärt er die Editionsgrundsätze, beschreibt die Entstehung und die zeitliche Einordnung der 13 Schriften. Wie in den Opera omnia üblich, werden in drei kritischen Apparaten die Abweichungen in den Handschriften und frühen Drucken vermerkt, die Zitate und Anklänge an Zitate angegeben und schließlich Zitate und Vergleiche in anderen cusanischen Schriften aufgeführt. Der Editor hatte bereits auf dem Symposion 2001 »Die Quellen und die Bedeutung der mathematischen Schriften des Nikolaus von Kues« beschrieben (Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft, Band 28, Trier 2003).
In seinen Schriften unterschiedlichen Umfangs unternimmt es N. v. K., mithilfe mathematischer Untersuchungen philosophisch-theologische Probleme einer Lösung näher zu führen. Schon in De docta ignorantia, vor allem in Buch I, hatte er mathematische Beispiele angeführt. Er schrieb (I, n. 30–33), »dass die sichtbaren Dinge in Wahrheit Bilder der unsichtbaren Dinge sind«, dass »an sich uns unzugängliche Dinge im Symbol erforscht werden können« und dass »die Weisen ihre Beispiele für die Gegenstände […] im Bereich dieser mathematischen Gegenstände gesucht« haben. Er will »die endlichen mathematischen Figuren […] auf gleichartige unendliche Figuren übertragen«. In seinen mathematischen Schriften sind ihm erstaunliche Erkenntnisse zuteil geworden, die ihn nahe an die Infinitesimalrechnung heranführten und ihn zu einem Wegbereiter neuzeitlicher Mathematik haben werden lassen. Zwar verfüge der Mensch nur über ein ungenaues Wissen, doch durch die Mathematik könne dies belehrt werden. So wird sie ihm ein Mittel zur Gottes-, Welt- und Selbsterkenntnis. Berühmt geworden sind seine Untersuchungen zur Quadratur des Kreises. Bisher haben die mathematischen Schriften in der Cusanus-Forschung am Rande gestanden. Nur wenige Untersuchungen haben sie in den letzten Jahrzehnten berücksichtigt (so Fritz Nagel, Diana Bormann-Kranz). Es ist dringend zu hoffen, dass sie künftig stärker beachtet werden. Dabei wird sich zeigen, dass sie sowohl für die Geschichte der Ma­thematik als auch für Philosophie und Theologie Gewicht haben.
Nachdem 2007 ein erster Band von Predigten des N. v. K. in deutscher Übersetzung erschienen war (vgl. ThLZ 133 [2008], 283–285), der seine Predigten als Bischof von Brixen (1452–1458) enthält, folgen nun die Übersetzungen der Predigten, die er vor dieser Zeit, nämlich zwischen 1443 und 1452, gehalten hat, vornehmlich als Dekan von St. Florin in Koblenz und als Legat des Papstes an ganz verschiedenen Orten. Sieben Übersetzer waren dabei am Werk, wobei auch ältere Übersetzungen, so von Rudolf Haubst, übernommen wurden. Sie wurden auf der Grundlage der kritischen Edition der Sermones in den Opera omnia, Band XVII, angefertigt. Dem Text ist jeweils eine kurze Einführung bzw. Zusammenfassung vorgeschaltet, Zeitpunkt und Ort der Predigt werden aufgeführt, ebenso, ob und gegebenenfalls wo bereits eine Übersetzung erschienen ist. Soweit vorhanden, wurde spezielle Literatur angegeben. Die Zusammenfassungen erleichtern es, die Kerngedanken jeder Predigt schnell zu erfassen. Bekanntlich sind die Predigtmanuskripte des N. v. K. von ganz unterschiedlicher Länge. Oft handelt es sich nur um kurze Entwürfe von wenigen Zeilen. So umfasst die Predigt CXIII sieben Druckzeilen, endend mit »etc.«. Manche Predigten sind aber auch sehr umfangreich. So umfasst die Predigt LXVII 20 Druckseiten. Eine Pfingstpredigt, gehalten 1444 in Koblenz, liegt in mehreren Entwürfen vor. Sie enthält die eingehendste Darlegung seiner Pneumatologie. Ähnliches gilt für die Predigt zum Trinitatisfest 1446. In ihr legt N. v. K. die Trinitätslehre dar, doch so, dass vor allem das Staunen über die Unbegreiflichkeit Gottes deutlich wird. Es erweist sich also wieder, dass ohne Kenntnis seiner Predigten seine Gedankenwelt, vor allem seine Theologie, nicht umfassend erkannt werden kann. Die Predigten lassen aber erkennen, womit sich N. v. K. selbst befasst hat. So nimmt im Laufe der Zeit seine Kenntnis der Schriften des Johannes Scotus Eriugena ebenso zu wie die von Meister Eckhart. Auch hat er sich mit der hochscholastischen Lehrtradition befasst.
Seit 1977 werden die Acta Cusana herausgegeben. Bisher lag Band I seit 2000 in fünf umfangreichen Lieferungen vor, bearbeitet von Hermann Hallauer (†) und Erich Meuthen. Jetzt werden sie nach deren Vorarbeiten von Johannes Helmrath und Thomas Woelki bearbeitet. In den Acta Cusana werden alle Quellen zur Lebensgeschichte des N. v. K. in chronologischer Reihenfolge zu­sam­mengestellt. Es werden demnach von ihm verfasste schriftliche Äußerungen – seien es Briefe, seien es Urkunden oder Notizen usw.– abgedruckt, aber ebenso alle Äußerungen seiner Zeitgenossen über ihn, soweit sie bekannt geworden sind. Damit ist die Grundlage für eine umfassende Biographie über N. v. K. gegeben. Aber zugleich wird seine ganze Zeit lebendig. Kein Historiker kann, wenn er über die Zeit forscht, in der N. v. K. lebte, diese umfassende Materialsammlung unberücksichtigt lassen. Es liegt hiermit eine Dokumentation vor, die seine Schriften in ihren zeitlichen Kontext einordnet, zugleich aber werden Texte abgedruckt, die seine in den Opera omnia veröffentlichten Schriften ergänzen. In Band II wird N. v. K. sowohl in seiner Amtsführung als Bischof von Brixen anschaulich als auch als päpstlicher Legat im Reich. Diese Aufgabe beendete er als installierter Brixener Bischof. Die Lieferung endet mit seiner Reise nach Rom 1453, wo er seinen Bericht über die Legation vor Papst Nikolaus V. erstattete. Das gute Verhältnis zwischen ihm und Papst Nikolaus V., der zahlreiche Entscheidungen des Kardinals ausdrücklich billigte und auf seine Bitten hin wichtige Entscheidungen für das Bistum traf, wird ebenso erkennbar wie seine Fürsorge für sein Bistum. Hier bekam N. v. K. nun Gelegenheit, das durchzusetzen, was er auf seiner Legationsreise an­derswo gefordert hatte. Das ist ihm nicht leicht gemacht worden, ja, daran ist er schließlich sogar gescheitert, was aber erst in den nächsten Lieferungen dokumentiert werden wird. Wie rigoros er vorging, wird etwa an Nr. 3058 deutlich. Es handelt sich dabei um seinen Befehl an die Kleriker seiner Diözese, sich innerhalb eines Monats von ihren Konkubinen zu trennen. Andernfalls sollten sie öffentlich Sünder genannt werden. Den Konkubinen wurde die Teilnahme an den Gottesdiensten verweigert. Einen Tag später, am 7. Februar 1453, erließ er Statuten (Nr. 3059), die detailliert die Lebensführung der Kleriker und die Ordnung der gottesdienstlichen Handlungen ebenso wie die Praxis der Seelsorge bestimmten– und das alles unter Androhung von Strafen im Falle der Nichtberücksichtigung. Weiter bemühte er sich energisch, alte Besitzungen des Bistums geltend zu machen bzw. zurückzugewinnen. Dass er sich mit all dem Feinde machte, die Jahre später letztlich über ihn triumphierten, ist von daher zu verstehen. Ebenso wurde schon in dieser Anfangszeit seines Wirkens in Brixen der Grundstein gelegt für seine heftige Auseinandersetzung mit der Äbtissin Verena von Stuben, die sich seinem Reformeifer sehr bald energisch und letztlich erfolgreich widersetzte. Weit darüber hinaus wird die Zeit lebendig, in der er wirkte.
Hermann Hallauer und Erich Meuthen hatten nicht nur die Verantwortung für das bisherige Editionsvorhaben, sie haben auch tatkräftig noch an der Bearbeitung der ersten Lieferung des zweiten Bandes der Acta mitgewirkt, bis Krankheit, Alter und schließlich Hallauers Tod ihre weitere Arbeit an dem Vorhaben beendete. Doch der größere Teil des Manuskriptes stammt noch von Hermann Hallauer. Ebenso hat Erich Meuthen, der die Verantwortung für Band I trug, an diesem II. Band so intensiv mitgearbeitet, dass etwa ein Viertel der in dieser Lieferung enthaltenen Texte ihm zu verdanken ist.
Ein immenses Werk ist weitergeführt worden. Dafür gebührt ein herzlicher Dank den bisherigen wie den neu hinzugekommenen Bearbeitern. Auf längere Zeit wird diese Edition noch die neuen Verantwortlichen beschäftigen.