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Ausgabe:

November/2013

Spalte:

1236–1238

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Novum Testamentum Graecum. Editio Critica Maior. Hrsg. v. Institut f. Neutestamentliche Textforschung, Münster. IV

Titel/Untertitel:

Die Katholischen Briefe. Hrsg. v. B. Aland, K. Aland †, G. Mink, H. Strutwolf u. K. Wachtel. Teil 1: Text. Teil 2: Begleitende Materialien. 2., rev. Aufl.

Verlag:

Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft 2013. XVI, 39*, 436 u. 144 S. Lw. EUR 78,00. ISBN 978-3-438-05606-1.

Rezensent:

Karl-Wilhelm Niebuhr

Nach Erscheinen der 28. Auflage des Nestle-Aland liegt nun auch die 2. revidierte Auflage der Editio Critica Maior zu den Katholischen Briefen vor, auf der die neue Handausgabe beruht (vgl. dazu ThLZ 138 [2013], 323–325). Die vier zwischen 1997 und 2005 erschienenen Lieferungen der ECM sind nun zu zwei Teilbänden zu­sam­mengebunden, getrennt nach Textausgabe und begleitenden Ma­terialien (die bisher auf die Einzellieferungen verteilten Listen sind jetzt für alle sieben Briefe zusammengeführt).
Maßgeblich für die Gestaltung und Benutzung der 2. Auflage der ECM sind die »Bemerkungen zum Text der zweiten Auflage der Katholischen Briefe« (11*–20*, engl. 30*–39*), die an die Stelle der »Bemerkungen zur Textkonstitution« in den bisherigen Lieferungen getreten sind. Sie erläutern auf das Knappste, aber gut nachvollziehbar die methodischen Grundlagen der gegenwärtigen textkritischen Arbeit des Münsteraner Instituts (ein Verzeichnis aktueller Publikationen dazu: 19* f.). Hier werden auch die Veränderungen dokumentiert und erläutert, die sich im Zuge der Arbeit an den Katholischen Briefen sukzessive ergeben haben. Sie betreffen nicht nur Weiterentwicklungen der elektronischen Hilfsmittel zur Erschließung der Handschriften und zur Auswertung des Variantenbestands, sondern auch die aus ihrer Anwendung resultierenden erweiterten Möglichkeiten bei der Interpretation des so erschlossenen Materials und bei den textkritischen Entscheidungen im Blick auf die angestrebte Rekonstruktion des Ausgangstextes der Überlieferung. Dies führte auch zu einer systematischen Revision der bisher publizierten Textrekonstruktionen in der ECM.
Die wichtigste sich daraus ergebende Änderung gegenüber der 1. Auflage besteht in der Einführung einer gespaltenen Leitzeile, im Apparat mit einer Raute markiert, an Stellen, an denen »nicht er­mittelt werden [konnte], welche Variante im Hinblick auf den Ausgangstext höher zu bewerten ist« (XVII, vgl. 15* f.). Hier werden nunmehr zwei gleichrangige Varianten untereinander geboten, die nach Meinung der Herausgeber beide als Ausgangstext infrage kommen. Das betrifft immerhin 43 Stellen innerhalb der Katho­-lischen Briefe (Liste: 18* f.; Änderungen gegenüber NA 27: 17* f.) und belegt erneut, dass die textkritische Arbeit am Neuen Testament niemals abgeschlossen sein wird.
Ein weiterer Akzent, der sich schon in jüngeren Veröffentlichungen zur Arbeit des Münsteraner Instituts andeutete, betrifft die Neubewertung des byzantinischen Textes. Dieser Begriff wird jetzt nicht mehr im Sinne der herkömmlichen Texttypen (und ihrer traditionellen Bewertung) verwendet, sondern eher formal für »die im Verlauf von Jahrhunderten entstandene Textform, die von der Mehrheit der neutestamentlichen Handschriften seit dem 9. Jahrhundert überliefert wird« (14*, Anm. 20). Dahinter steht die selbst für die Herausgeber überraschende Beobachtung, dass einige Zeugen des byzantinischen Textes außerordentlich hohe Übereinstimmungen mit dem Ausgangstext aufweisen, so dass auch bisher für typisch byzantinisch gehaltene Varianten prinzipiell als Ausgangstext infrage kommen und daher in die Entscheidung an strittigen Stellen einbezogen werden müssen.
Mit der jetzt vorgelegten revidierten Ausgabe der Katholischen Briefe hat das Institut für Neutestamentliche Textforschung ein Werk abgeschlossen, das einen Meilenstein der textkritischen Arbeit am Neuen Testament darstellt. Der Bibelwissenschaft steht damit nicht bloß für die Katholischen Briefe eine einzigartig abgesicherte Textgrundlage zur Verfügung, sondern, fast noch wichtiger, mit der systematischen Erschließung und Erforschung des Gesamtbestands der Textüberlieferung zum Neuen Testament wurden die methodischen Grundlagen geschaffen und anhand der Katholischen Briefe auch bereits exemplarisch erprobt, mit deren Hilfe der Text des Neuen Testaments in der gegenwärtig bestmöglichen Gestalt für Wissenschaft, Kirche, Kultur und Gesellschaft zur Verfügung gestellt werden kann.