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Ausgabe:

November/2013

Spalte:

1221–1222

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Weber, Beat

Titel/Untertitel:

Werkbuch Psalmen III. Theologie und Spiritualität des Psalters und seiner Psalmen.

Verlag:

Stuttgart: Kohlhammer 2010. 369 S. Kart. EUR 28,90. ISBN 978-3-17-018676-7.

Rezensent:

Bernd Janowski

Nachdem er 2001 und 2003 in seinem Werkbuch Psalmen I die Ps 1–72 und in seinem Werkbuch Psalmen II die Ps 73–150 ausgelegt hatte (s. ThLZ 129 [2004], 378 f. und ThLZ 131 [2006], 371 f.), legt Beat Weber mit dem 3. Band der »Werkbuch«-Reihe so etwas wie eine Summe seiner psaltertheologischen Forschungen vor. Wie die Vorgängerbände will auch dieser Band die Einsichten und Ergebnisse der neueren Psalmenforschung nicht nur für das theologische Studium, sondern auch für die Praxis in Kirche und Schule zugänglich machen. Das geschieht in einer gut lesbaren, wenn auch dicht formulierten Sprache, die den »Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Theologie auf der einen und Spiritualität und ›Praxis‹ auf der anderen Seite« (5) herzustellen beabsichtigt. Der Vf. nennt das einen »integrativen An­satz« (vgl. 26).
Das Buch besteht aus sieben, unterschiedlich langen Kapiteln, einem ausführlichen und gegliederten Literaturverzeichnis (287–363) sowie zwei Registern (Stellenregister, Sach- und Namenregister: 364–369). Jedem Kapitel ist eine Inhaltsübersicht und seinen Unterabschnitten jeweils eine Zusammenstellung ausgewählter Literatur vorangestellt, die für die Argumentation zentral ist. In Kapitel 1: Vorüberlegungen (19–27) geht es zunächst um Überlegungen zur »Psaltertheologie« und ihren Unterschied von bzw. Zusammenhang mit der »Psalmentheologie«. Der Vf. zielt beides an: eine auf das Buch be­zogene »Theologie und Spiritualität des Psalters« (19 ff.) und eine auf die Einzelpsalmen bezogene »Theologie und Spiritualität der Psalmen«. Beide Zugangsweisen, auf deren Korrelation der Leser ge­spannt ist, werden mit der neueren Forschung ins Gespräch gebracht (22 ff.) und abschließend biographisch verankert (26).
Eine erste Kostprobe für das Funktionieren der besagten Korrelation gibt Kapitel 2: Der Psaltereingang als Leseanleitung (28–54). Unter »Psalter-Eingang« versteht der Vf. nicht nur das aus Ps 1–2 bestehende Eingangsportal/Proömium des Psalters (s. dazu F. Hartenstein/B. Janowski, Psalmen, BK XV/1, Lieferung 1, Neukirchen-Vluyn 2012, 1–6), sondern die »Ouvertüre Ps 1–3«, in der Verstehenshinweise gegeben werden, die für das Buch insgesamt von Bedeutung sind. Zunächst wird jeder der drei Eröffnungspsalmen einzeln analysiert (mit Übersetzung) und danach die »Tripelouvertüre« unter dem thematischen Dreiklang Weisheit und Wegweisung (Ps 1) – Königsherrschaft und Prophetie (Ps 2) – Beten und Singen (Ps 3) als Ganzes betrachtet (50 ff., mit der Skizze 54; zur Kritik an diesem Vorschlag s. Hartenstein/Janowski, a. a. O., 5 f.). Das ausführ­liche Kapitel 3: Beten und Singen (»Liturgie«) (55–154) enthält fünf Unterabschnitte, die querschnittartig formale und materiale Hauptaspekte einer Psalmentheologie und -anthropologie zusam­menstellen und analysieren: zunächst die Psalmengattungen (von der »Klagebitte« bis zum »Lobpreis«, verdeutlicht anhand von Ps 13; 30 und dem »Gebetsweg Ps 22–24: 68 ff.), dann die Raum- und Zeitaussagen, die sich in den Psalmen abbilden und für ihr(e) Weltbild(er) konstitutiv sind (Mythos, Geschichte, Jahres-/Festzeiten, Zion, Tempel, Himmel/ Unterwelt, verdeutlicht anhand von Ps 48: 92 ff., mit Ps 102 als abschließendem Textbeispiel: 98 ff.), weiter die Personen (Gott, Mensch) und kommunikativen Konstellationen (Sprechhandlungen u. a., verdeutlicht anhand von Ps 2: 133 f., mit Ps 28 als abschließendem Textbeispiel: 134 ff.) und schließlich die Motive, Themen und Traditionen wie Rettung, Vertrauen, Sünde, Gnade u. a. (mit Rekurs auf die Gnadenformel Ex 34,6 f. im Psalter: 151 ff.). Leider wird das Organisationsprinzip und Darstellungs­interesse dieses Kapitels (trotz 55 f.) nicht recht deutlich, was sich auch an der wenig prägnanten Überschrift »Beten und Singen (Liturgie)« zeigt. Das ist schade, weil der Vf. viele Anstöße aus der älteren und neueren Psalmenforschung aufnimmt und geschickt bündelt und seine Darstellung immer wieder durch wichtige hermeneutische Überlegungen unterbricht (z. B. 122 ff. »Zum Umgang mit Feind- und Vergeltungsaussagen heute«!). Eigentlich hätte er auch das Kapitel 4: Königsherrschaft Gottes und seines Gesalbten (»Prophetie«) (155–176) noch dazu nehmen können, weil zumindest die Unterabschnitte inhaltlich zum »königlichen Gesalbten« (158 ff.) und zur »universalen Königsherrschaft Gottes« (172 ff.) zu Kapitel 3 IV/2 (Gott) und 3 IV/3 (Mensch) passen. Auch hier gibt es wieder erläuternde Textbeispiele wie Ps 81 als abschließendes Beispiel für den Zusammenhang von Psalmen und Prophetie (169 ff.).
Die Einsicht, dass der Psalter (vgl. die Spitzenstellung von Ps 1!) und viele Psalmen weisheitlich imprägniert sind, gehört spätestens seit G. von Rad (s. G. von Rad, Weisheit in Israel, Neukirchen-Vluyn 1970/42013, 42.51.213 ff. u. ö.) zum Allgemeingut der alttestamentlichen Wissenschaft. In Kapitel 5: Wegweisung (»Weisheit«) (177–199) werden zunächst die Konturen der Weisheit als elementare Form der Erkenntnisfindung und Lebensbewältigung (177 ff.), dann die weisheitliche Akzentuierung von Psalmen durch Tora, Schöpfung und Ge­schichte, Liturgie und Lehre (179 ff., verdeutlicht anhand von Ps 112: 186 f.) und schließlich der Psalter als weisheitliche Wegweisung (188 ff., Überblick zur Wegmetaphorik: 191 f., verdeutlicht an­hand von Ps 145: 197 ff.) skizziert. Diese Perspektive hat sich auch im Finale des Psalters Ps 146–150, dem sogenannten Schlusshallel, nie­dergeschlagen, dem sich Kapitel 6: Der Psalter-Ausgang als Einstimmung in anhaltenden Lobpreis (200–212) zuwendet. Es gehört zu den Grundeinsichten der neueren Psalmenforschung, dass der Psalter ab Ps 3 mit der Klage beginnt und mit dem Gotteslob endet (200 ff.) und somit diesen »Tempel aus Worten« (s. B. Janowski, Ein Tempel aus Worten. Zur theologischen Architektur des Psalters, in: E. Zenger (ed.), The Composition of the Book of Psalms (BEThL 238), Leuven/ Louvain 2010, 279–306) in Ps 150 solenn beschließt. Jetzt ist alles ge­sagt, was zu sagen war und was gesagt werden konnte. Dennoch hat die Septuaginta dem noch einen weiteren Psalm (Ps 151: 209 ff.) hinzugefügt, mit dem sie im Unterschied zur Überschrift in Ps 3 (mit Bezug auf 2Sam 15 ff.) einen Bezug zu den Anfängen Davids (Kampf mit Goliath in 1 Sam 17) herstellt. Das letzte Wort dieses Psalms ist »Israel« (Ps 151,7b) und damit der Empfänger von Gottes Heilswirken.
Das Buch ist aber noch nicht zu Ende, sondern versucht in Kapitel 7: Psalmen und Psalter in Geschichte, Theologie und Spiritualität (213–286) »in den vorangegangenen Teilen Angesprochenes zu fundieren wie auch abzurunden« (213). Leider ist dieses aus sieben Unterabschnitten bestehende Kapitel wenig übersichtlich organisiert (namentlich die Abschnitte 7 I–III hätten m. E. an den Anfang gehört) und enthält überdies zahlreiche Redundanzen. Gleichwohl sind auch diese Teile des Buchs wertvoll, weil sie psaltertheologische (240 ff.), kanonische (242 ff.) und wirkungsgeschichtliche Aspekte (261 ff.) thematisieren. So überwiegt am Ende trotz allem der positive Eindruck, mit diesem »Werkbuch Psalmen III« ein Kompendium in Händen zu halten, das Bausteine für eine (künftige) Theologie und Spiritualität des Psalters und seiner Psalmen liefert und damit der theologischen Wissenschaft und kirchlichen wie schulischen Praxis einen guten Dienst tut.