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Ausgabe:

November/2013

Spalte:

1181–1196

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Martin Karrer

Titel/Untertitel:

Die Schriften Israels im Hebräerbrief




Der Hebräerbrief gibt seine Rätsel ungern preis. Schon die Alte Kirche war sich über Autor, Ort und Zeit uneins, was sich bis in die Handschriften hinein spiegelt.1 Diese Uneinigkeit ist bis heute geblieben. Weder die im deutschen Sprachraum dominierende Datierung ins späte 1. Jh.2 noch die bevorzugte Ansiedlung zwischen Rom bzw. der Italia von Hebr 13,24 und Alexandria, der Wirkungsstätte Philos,3 weder die in der kritischen Forschung seit Langem fast selbstverständliche Trennung des Hebräerbriefs von den Deuteropaulinen4 noch die Gliederung des Textes5 sind unangefochten.6 Trotzdem gibt es in vielerlei Hinsicht bemerkenswerte Forschungsfortschritte. Summieren wir sie für einen in jüngster Zeit besonders umfangreich diskutierten Bereich, die Schriftbenutzung:

Der Hebräerbrief sticht durch die Zahl seiner 35, ohne Mehrfachnennungen 29 Schriftzitate7 und durch ihren Umfang im Neuen Testament hervor; so ist Hebr 8,8–12 beispielsweise das längste Schriftzitat des Neuen Testaments überhaupt. Referenzen wie die Reihe der Glaubenszeugen in Kapitel 11 kommen hinzu.8 In der vorliegenden Abhandlung soll jedoch eine Konzentration auf die Zitate im Hebräerbrief erfolgen.

I Die zitierten Schriften

1. Schon die Verteilung der Zitate ist aufschlussreich. Der Hebräerbrief bevorzugt den Pentateuch (13 Mal), die Psalmen (14 Mal) und die Propheten (fünfmal sogenannte große Propheten, zweimal Dodekapropheton). Auch die Geschichtsbücher interessieren entscheidend unter der Perspektive der prophetischen Ansage; das einzige Zitat, 1Chr 17,13/2Sam 7,14, entstammt dem Prophetenwort Natans;9 hier scheint sich ein Verständnis der Geschichtsbücher als vordere Propheten abzuzeichnen. Auch die Weisheitsliteratur ist zitationsfähig, fällt aber im Vergleich hierzu an Bedeutung ab.10 Bemerkenswerterweise führt zudem kein einziges Zitat über den Bestand hinaus, der später die hebräische Bibel, den Tanach, ausmacht.11 Der Autor übergeht selbst das Buch Ester, dessen Durchsetzung derzeit im Judentum noch nicht abgeschlossen war. So wird er zum Zeugen einer Konzentration des Schriftverständnisses auf die heiligen Schriften Israels in Form von Tora, Nebiim und Ketubim.

Nach Josephus, Ap. I,8 umfassten die heiligen Schriften Israels 22, nach 4Esr 14,45 24 Bücher. Da beide die Schriften nicht mit Namen auflisten, bleibt ein unklarer Rand. Vielleicht sah Josephus Ruth und Threni nicht als eigene Schriften, vielleicht zählte er Prediger und Hoheslied nicht dazu. Jedenfalls zitiert der Hebräerbrief auch aus diesen vier Schriften nicht und hält sich somit in seiner Zitatauswahl an die engsten in seiner Zeit ziehbaren Grenzen.

2. Die Prävalenz der Psalmen unter den Zitaten ist ungewöhnlich, denn sie kehrt die geläufigen Gewichte um, nach denen das Gesetz die Auslegung vor allen anderen Quellen dominieren müsste. Paradigmatisch widmete Philo seine Schriften im 1. Jh. allein dem Ge­setz, in keinem einzigen Fall jedoch den Psalmen, obwohl er Psalmzitate zur Erläuterung benutzt.

Immerhin erreicht die Zahl der Zitate aus der Tora fast diejenige der Psalmen; insofern ist die Beobachtung nicht überzuinterpretieren. Ebenso wenig dürfen wir die Auseinandersetzung mit dem Priestergesetz zu einer Gesetzeskritik schlechthin erheben. Der Autor des Hebräerbriefs achtet darauf, die alternative Pries­terordnung Christi gleichfalls über das Gesetz einzuführen. In Kapitel 7 nennt er zuerst die Melchisedekszene der Tora, Gen 14,17–20, dann erst Ps 109,4 LXX. Das Verständnis Jesu nach der Ordnung Melchisedeks entspricht also seiner Überzeugung nach dem Gotteswort aus Gesetz und Psalm. Die Abwertung des Gesetzes hält sich somit in weit deutlicheren Grenzen als früher angenommen. 12

Im Allgemeinbewusstsein wird dies durch die Gesetzeskritik in Hebr 10,1 überdeckt, doch ist die dortige Aussage schon textkritisch umstritten. Der wichtige p46 schreibt, das Gesetz enthalte Schatten und Bild; die abwertende Negation οὐκ fehlt im Papyrus. Zudem lässt sich der Schatten positiv verstehen; im heißen Mittelmeerraum ermöglicht der Schatten ein Leben unter der Sonne, weshalb das Gesetz der Septuaginta an eine gute Beschattung der Bundeslade denkt, vgl. beispielsweise Ex 38,8 LXX.13

Vor diesem Hintergrund wird der Versuch von Gelardini verständlich, das Gesetz noch weiter aufzuwerten. Sie schlägt vor, den He­bräerbrief als eine Homilie zum Bußtag, dem 9. Aw Israels, zu lesen, an dem der Zerstörung des ersten und zweiten Jerusalemer Tempels gedacht wurde. Als solche Homilie müsste der Hebräerbrief eine Stelle des Gesetzes und eine Stelle der anderen Schriften Israels, besonders der Propheten, aufeinander beziehen. Nach Gelardini wäre im Hebräerbrief nur eine dieser zwei Schlüsselstellen zitiert, diejenige aus den Propheten (Jer 31/Jer 38,31–34 LXX in Hebr 8,8–12). Der Leittext der Tora, wohl die Sinaiszene mit dem Goldenen Kalb in Ex 32, wäre vorausgesetzt. Die Schuldvorwürfe des Hebräerbriefs ergäben sich aus der Tora, die Verheißung aus der Prophetie. 14

Allerdings sind die Probleme dieser Konzeption unübersehbar. Sie erhebt einen nicht zitierten Text zum Schlüssel für ein Verständnis des Hebräerbriefs und setzt eine synagogale Textordnung für die Predigt voraus, die für die neutestamentliche Zeit nicht nachgewiesen ist; zudem beginnt die spätere Haftara nicht wie Hebr 8 mit Jer 31,31, sondern mit Jer 31,33.15 So ist der These kaum zu folgen. Vielmehr macht sie durch ihre Problematik nochmals auf die Besonderheit des Hebräerbriefs aufmerksam: Wie sehr auch immer das Gesetz aufgewertet wird, bleiben doch die anderen Bereiche von Israels Schrift – die Psalmen aus den Ketubim und die Nebiim – höher gewichtet, als wir es von einem Autor erwarten würden, der sich der Tradition Israels so bewusst ist.

3. Der Autor des Hebräerbriefs kennt jüdische Traditionen jenseits des Tanach16 und jüngere Schriften Israels.17 Allerdings er­hebt er, wie schon erwähnt, keine der jüngeren Schriften zum Zitat und vermeidet den Rückgriff auf Spekulationen, die er nicht auf den Schrifttext rückbeziehen kann.

Dieser Sachverhalt fiel der Forschung besonders im Hinblick auf Melchisedek auf: Der Autor des Hebräerbriefs referiert ausschließlich die beiden Melchisedek-Stellen des Tanach, Gen 14,17–20 und Ps 109 LXX, um das Priestertum Jesu als Priestertum einer Ordnung einzuführen, die älter und maßgeblicher sei als die aaronitisch-levitische Ordnung der Tora; ähnlich wie Abraham und Melchisedek der Gabe des Gesetzes an Mose vorausgehen. Die Spekulationen der Zeitenwende um die Person Melchisedeks verwendet er nicht, obwohl sie einzelne seiner Anliegen hätten unterstützen können. 18

So anspruchsvoll seine Argumentation ist, will unser Autor doch eindeutig, dass die Leser des Briefes sie am Schrift­text nach-vollziehen können. Dies spricht stark dafür, dass er seine Leser vor allem unter Menschen nichtjüdischer Herkunft sucht.19

4. Runden wir den Befund durch eine negative Wahrnehmung ab: Keine Schrift der Völker befindet sich nach dem Hebräerbrief auf der Höhe der Schriften Israels. Niemals zitiert der Autor des Hebräerbriefs einen nichtjüdischen Dichter oder Philosophen und dies, obwohl er Gedanken Senecas kannte.20

Ziehen wir aus all diesen Beobachtungen die Schlussfolgerung, so muss der Autor des Hebräerbriefs nicht unbedingt Judenchrist sein. Seine eigentümliche Haltung zum Gesetz würde gleichermaßen zu einem Völkerchristen passen, der den Anschluss von Menschen der Völker an die Gemeinde Jesu als Verpflichtung auf die heiligen Schriften Israels versteht, unter denen das Gesetz herausragt, ohne dass es ganz unbefangen zu leben wäre.21 So oder so gibt seine Prävalenz für die Schriften Israels, die zum Tanach wurden, seiner Theologie herausragenden Rang: Der Hebräerbrief verlangt vom Christentum, es müsse sich zutiefst Israel und den Schriften der hebräischen Tradition Israels verpflichtet sehen.

II Die benutzte Textform


1. Die Auswahl der Schriften Israels ist durch die hebräische Schrifttradition geprägt, aber die benutzte Textform ist griechisch. Wie Josephus, ein Zeitgenosse des Autors des Hebräerbriefs, die Geschichtsbücher Israels unbeschadet seiner Schriftenliste in einer griechischen Fassung mit erheblichen Berührungen zum sogenannten »antiochenischen Text« liest,22 so verwendet der Hebräerbrief die Schriften Israels überhaupt auf Griechisch. Die Forschung beobachtet dies seit Langem,23 auch wenn es sich in den Quellenverweisen bei Nestle-Aland28 bislang nur teilweise niederschlägt.24 Eine gute Zusammenfassung des Forschungsstandes von 2003/2004 ist bei Gheorghita und Rüsen-Weinhold zu finden.25

2. Die Blüte der Text- und Septuagintaforschung präzisierte das Bild dank der inzwischen angewachsenen Quellen wie den Qumranfunden, LXX-Papyri u. a. Zwei übergreifende Monographien entstanden, dazu Spezialstudien zu einzelnen Textbereichen26 und zahlreiche Aufsätze. Skizziert seien hier lediglich Erstere:

S. E. Docherty (2009) erarbeitete den Rang des bis vor Kurzem als spät angesehenen lukianischen, antiochenischen Textes für den He­bräerbrief anhand der Psalmzitate in Hebr 1,5–13 und 3 f.27 Der an­tiochenische Text ist demnach nicht eine junge Rezension der Septuaginta, sondern, wie bei den Geschichtsbüchern, so auch bei den Psalmen schon in vorneutestamentlicher Zeit grundgelegt.28

G. J. Steyn (2011 und frühere Beiträge)29 beobachtete darüber hinaus, dass viele der Zitate schon vor ihrer Aufnahme im Hebräerbrief als Zitate begegnen, gelegentlich in Qumran (MidrEsch), häufiger jedoch bei Philo, der fast alle Zitate aus Gen, Ex und Dtn bietet, und im frühen Christentum auf jeden Fall ab Paulus. Zur Geschichte des Zitierens gehört somit die Vorliebe für bestimmte Schlüsseltexte wie beispielsweise Ps 2. Der Autor des Hebräerbriefs steht in dieser lebendigen Geschichte des Zitierens und bevorzugt in seiner Zeit vertraute Textausschnitte.

Der Autor des Hebräerbriefs griff jedoch nicht nur auf bekannte Texte und Passagen bei seiner Argumentation zurück und berücksichtigte ebenso den Unterschied im Bekanntheitsgrad der unterschiedlichen Zitate. Vertraute Texte bevorzugt er am Anfang von Textreihen in knapper Wiedergabe.30 Weniger bekannte Texte dagegen präsentiert er umfangreich, so dass Leserinnen und Leser den Textgang nachvollziehen können.

Namentlich sind die Psalmen 39 LXX, 94 LXX und 101 LXX sowie Jer 38 LXX31 nach Steyns Untersuchung vor dem Hebräerbrief noch nicht in Zitationen belegt. Dass der Hebräerbrief diese Texte ausgedehnter zitiert als die vertrauten Ausschnitte aus der Tora oder Ps 110, ist daher nicht nur theologisch, sondern auch kommunikativ bedingt.32

Unter den Textformen lenkte Steyn das Augenmerk darauf, dass der benutzte Pentateuch- und Proverbientext oft mit Philo über-einstimmt.33 Auf den ersten Blick könnte dies für eine alexandri­nische Herkunft des Hebräerbriefs sprechen, doch Parallelen sollten nicht mit Einflüssen verwechselt werden und erlauben nicht aus sich heraus Genealogien. So könnte ein von Philo und dem He­bräerbrief benutzter Text im 1. Jh. einfach besonders weit verbreitet gewesen sein.34

Dies gilt umso mehr, als jüngste Untersuchungen darauf verweisen, der früh­christliche Pentateuchtext und namentlich der des Hebräerbriefs stehe außerdem der Textform des Codex Ambrosianus (LXX-Codex F) nahe, die jünger ist als das Old Greek, aber nicht zwingend alexandrinisch.35

Komplementär gibt es Parallelen zu Quellen, die mit Sicherheit in Rom – dem zweiten möglichen Entstehungsort des Hebräerbriefs – umliefen, wobei auch diese nicht zu überschätzen sind. Trotzdem bleiben diese Parallelen ebenso auffällig wie die zu Philo: Hebr 10,30 benutzt wie Röm 12,19 eine dem späteren Symmachus nahe Textform von Dtn 32,35 f., und 1Clem 36 bietet eine zu Hebr 1,5–14 verwandte Stellenkatene mit einer übereinstimmenden Abweichung zum heutigen LXX-Haupttext. 36 Die benutzten Schrifttexte des Hebräerbriefs klären den Entstehungsort nicht, passen aber am bes­ten zu den Favoriten der Entstehungsorte: Rom und Alexandria.

Zu den genannten Textformen, dem antiochenischen Text und Vorformen für Philo wie Symmachus, kommt nach Steyn ein weiteres Feld hinzu, das er liturgisch nennt; da die christliche Liturgie erst allmählich im Entstehen ist, wäre jedoch der Ausdruck »vorliturgisch« oder »durch Gemeindegebrauch geprägt« besser. So führt er die Kombination von Ex 24,8, aufgenommen in Hebr 10,19 mit Stichwort »Blut«, und Ps 39,7–9 LXX in Hebr 10,5–8 mit Stichwort »Leib« auf Einflüsse der frühchristlichen Mahlfeier zurück. 37 Ob dies Konsens werden kann, ist fraglich; zu umstritten ist die Relevanz der Eucharistie für den He­bräerbrief. Die Grundbeobachtung ist jedoch bedeutsam: Besonderheiten des frühchristlichen Schrifttextes können im 1. Jh. im Umlauf gewesen sein, auch wenn wir sie in den Handschriften der Septuaginta nicht finden.

3. Der Schrifttext Israels enthielt um die neutestamentliche Zeit zahlreiche Varianten, hebräische wie griechische; dies wiesen spätestens die Qumranfunde nach. Viele der griechischen Varianten betrafen dabei den Stil. Ein schönes Beispiel bildet die Substitution von ἀναστρέφειν aus Gen 14,17 (Old Greek) durch ὑποστρέφειν in Hebr 7,1. Die unterschiedliche Vorsilbe änderte nichts an der Semantik des »zurückkehren«, berücksichtigte aber eine kleine Verschiebung in der Lexik von der ptolemäischen zur römischen Zeit, wie Chr.-J. Gruber analysierte.38 Wahrscheinlich entnahm der Autor sie der kurz vor ihm entstandenen Textentwicklung; zahlreiche LXX-Handschriften bieten ὑποστρέφειν. Sollte jedoch der Autor das Kompositum unabhängig von Vorlagen gewählt haben, so würde sich der Grundvorgang doch trotzdem bestätigen: Die Sprache der Schriften Israels wird um die Zeitenwende stilistisch aktualisiert, um den alten Sinn für Leserinnen und Leser angesichts des aktuellen Sprachstandes aufrechtzuerhalten.39

Betrachten wir dazu noch Ps 109,1 LXX, das verbreitetste Psalmzitat der frühchristlichen Literatur.40 Es begegnet in Mk 12,36/Mt 22,44 mit der Lesart ὑποκάτω, im Hebräerbrief und den sonstigen Zitaten mit ὑποπόδιον. Ὑποκάτω gibt den Ausgangstext סֹדֲה vorzüglich zielsprachlich mit einem präpositional verstehbaren Adverb wieder, während ὑποπόδιον als Nomen die hebräische Ausgangssprache, den »Schemel«, abbildet. – In überkommene Septuagintahandschriften drang ὑποκάτω nicht ein,41 doch ist hierfür kein spezifisch christliches Interesse erkennbar. Textgeschichtlich passt vielmehr die Abbildung des hebräischen Textes (ὑποπόδιον) aus dem Hebräerbrief zu den Revisionstendenzen ab dem 1. Jh. v. Chr., den kaige-Tendenzen. Daher könnte ὑποκάτω eine wichtige, in den Septuagintahandschriften sekundär verdrängte Textform bieten.

Interessant ist wieder der Ort des Hebräerbriefs. Dessen Autor entscheidet sich für die dominierende Sprachform seiner Zeit, den Haupttext der Septuaginta, und nicht für die christlich überlieferte Sonderform. Sein Anliegen, mit dem aktuellen und verbreitetsten Stand der heiligen Schriften innerhalb des Judentums zu argumentieren und die Gemeinde Jesu nicht aus der jüdischen Schriftentwicklung zu isolieren, tritt sinnenfällig vor Augen.

4. Einzelne weitergehende Eingriffe des Autors des Hebräerbriefs in den Schrifttext schließt all dies nicht aus. Namentlich die Einbettung in den Kontext verlangt vornehmlich syntaktische Glättungen und Anpassungen; bei Zitatwiederholungen erlaubt er sich Variationen, die das aufmerksame Lesen verlangen, was ein rhetorisches Mittel darstellt. Allerdings sind diese redaktionellen Eingriffe für das Verständnis des Hebräerbriefs weniger bedeutsam als sein Bemühen, seinen Textvorlagen zu folgen. Selbst die Variationen verlassen das durch die Überlieferung der LXX bekannte Textfeld in der Regel nicht.

Hebr 10,16 f. etwa wiederholt das Zitat von Jer 38,33 f. LXX unter Umstellung der Motive von Herz und Verstand. Dies ist durch den hebräischen Text vorgezeichnet und spiegelt sich in der LXX-Überlieferung, besonders א* und A.

Dies zieht eine wesentliche Konsequenz nach sich: Die Zitate des Hebräerbriefs beleuchten die Textgeschichte der Septuaginta vom Old Greek bis zur Vorbereitung der sogenannten jüngeren Übersetzungen wie Symmachus und sind als Zeugen der Septuaginta-Überlieferung aufzuwerten. Im Einzelfall legt sich sogar eine Revision des ältesten rekonstruierten Septuagintatextes, des Old Greek, nahe. Relevant ist dies vor allem dort, wo neu entdeckte Septuagintahandschriften die Textform im Hebräerbrief stützen, wie das beim Psalter, dessen kritische Edition durch Rahlfs mehr als 80 Jahre zurückliegt, der PBod 24 tut. Dieser Papyrus enthält die Lesart σῶμα in Ps 39,7 LXX, die Rahlfs gegen die Haupthandschriften der Septuaginta zugunsten von ὠτία gemäß dem masoretischen Text ablehnte, da er sie für einen Sekundäreinfluss des Hebräerbriefs hielt.42 Allem Anschein nach wird die anstehende Neuedition des griechischen Psalters hier den Rahlfs-Text korrigieren müssen.43

PBod 24 stützt außerdem πυρὸς φλόγα in Ps 103,4 LXX wie in Hebr 1,7. Daher erwägt Cadwallader, den heutigen LXX-Haupttext auch an dieser Stelle zu korrigieren.44

III Die Schriften Israels als Beweismittel


1. Der Autor des Hebräerbriefs versteht diesen als niedergeschriebene Rede, als ὁ λόγος τῆς παρακλήσεως in Hebr 13,22, daher gestaltet er ihn zutiefst rhetorisch.45 Den Schriftzitaten kommt hierbei eine zentrale Funktion zu: Der Autor des Hebräerbriefs erhebt sie an­knüpfend daran, dass die gemeinantike Rhetorik göttliche Äußerungen als Beweismittel anerkennt,46 zum Beweismittel schlechthin. Menschliche Rede – und damit seine eigene Argumentation – muss sich seiner Überzeugung nach auf göttliche Rede stützen und die vorgegebene göttliche Rede entfalten, wenn sie maßgebliche Überzeugungskraft gewinnen will. Diese Rede Gottes aber erfolgt im Schriftwort; aus heutiger Perspektive somit dem Schriftwort des Tanach bzw. des Alten Testaments.

2. Dieser Rang der Zitate spiegelt sich in der Gestaltung des Hebräerbriefs wieder. Der Autor verweist die Zitate nicht an nachgeordnete, unterstützende Orte, sondern begründet durch sie seine Argumentation und gliedert sie;47 aus diesem Grund stellt er sie vorzugsweise an den Anfang von Redeteilen. Beispielhaft genannt sei hierbei die erste Zitatreihe in Hebr 1,5–13 gleich nach der Texteröffnung, an der Stelle, an der ein antiker Briefschreiber an sich das Wohlwollen seiner Leserinnen und Leser für sich sucht, was Paulus rhetorisch zur Danksagung entwickelt. Diese ungewöhn­liche Textgestaltung verbietet es dem Autor, seine eigene Person näher zu charakterisieren. Unsere geringen Informationen über ihn sind nicht durch einen Zufall bedingt, sondern hohe Absicht. Folgen wir der Intention des Hebräerbriefs, ist daher die Mühe zu relativieren, die die neutestamentliche Einleitungswissenschaft auf die »Rätsel« um Autor und Ort des Hebräerbriefs verwendet.

3. Gott spricht in den zitierten Worten: Dies bedeutet, dass das Gotteswort, auf das zu hören ist, nach dem Hebräerbrief nicht primär ein geschriebenes und schon gar nicht ein vergangenes, sondern lebendiges, aktuell ergehendes Wort ist. Kein einziges Mal markiert der Autor ein Zitat durch das Motiv »es ist geschrieben«;48 durchgängig verwendet er Eröffnungen durch Verben des Sagens, wie beispielsweise λέγειν in Hebr 1,5, und des Bezeugens, wie beispielsweise μαρτύρειν oder διαμαρτύρεσθαι in Hebr 2,6 und 7,17.

Die Zuordnung der Sprecher ist nicht immer eindeutig möglich. Theobald49 zählt 22 Mal Gott, viermal den Sohn, zweimal den heiligen Geist und nur fünfmal sonstige Sprecher. Diese Zählung mag sich im Einzelnen leicht verschieben, das Gefälle ist jedoch eindeutig: Priorität in der Wahrnehmung von Is­raels Schriften hat das Reden Gottes, nicht das Reden von Menschen.50

Höchst eindrücklich wird auf diese Weise auch das Wort eines Da­vidspsalms explizit Rede Gottes, denn nicht der vergangene David spricht in die Gegenwart, sondern Gott spricht in David, wenn aus dem Psalm zu hören ist »Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht« (Ps 94,7 f. LXX in Hebr 4,7).

4. Es reizt, hier das Neue Testament zu überschreiten und Konsequenzen für die theologische Erörterung der Schriftinspiration zu ziehen: Der Hebräerbrief ist von den späteren christlichen Inspirationstheorien klar zu unterscheiden. Nicht nur steht ihm die Vorstellung einer Inspiration der eigenen, später neutestamentlichen Schrift in ihrem Wortlaut ferne. Auch bei den Schriften Israels geht es ihm nicht um die einstige Entstehung des Schriftwortes, sondern um die lebendige Wahrnehmung des vorhandenen, sprachlich in geschichtlicher Bewegung befindlichen Textes. Erst bzw. gerade im aktuell gesprochenen Wort erweist sich der Schrifttext als Wort Gottes und Zeugnis des Geistes. 51

Dies ähnelt überraschend der reformatorischen Theologie hinsichtlich des aktuell, als Anrede ergehenden Wortes Gottes, birgt allerdings eine nicht zu unterschätzende Konsequenz: Für die heutige kritische Lektüre des Tanachs/des Alten Testaments sind die Schriften, aus denen der Hebräerbrief zitiert, Worte von Menschen, die sich gegebenenfalls an ein ergangenes Wort Gottes erinnern. Der Hebräerbrief dagegen macht die Worte Gottes zur Mitte und Perspektive auf alle Schriften. Hart ändert er daher die Gewichte etwa im Psalter: Im Psalter finden sich viele Hymnen und Klagen aus der Gemeinde; im Hebräerbrief vernehmen wir anders nur ein einziges seiner vielen Psalmzitate aus dem Mund der Gemeinde: Ps 117,6 LXX/145,5 LXX in Hebr 13,6 f. Zudem lässt der Autor des Hebräerbriefs selbst dieses Gemeindewort auf ein vorangehendes Gotteswort antworten: Hebr 13,6 kombiniert dazu Jos 1,5, Dtn 31,6 und Gen 28,15. Die Aktualisierung des Hebräerbriefs konstituiert also eine spezifisch theologische, nicht philologisch-kritische Relation von Gotteswort und Menschenwort. Das Gotteswort ist in der Lektüre der Schrift zu hören, das Menschenwort Antwort, die sich vom Wort Gottes stärken lässt, es durchdenkt und lebt.

Das Gefälle zeigt sich bis in die Darstellung der Glaubenszeugen von Hebr 11: Der auffällig hellenistische Ausdruck χρηματισθείς, »durch ein Orakel unterwiesen«, in Hebr 11,7 könnte auf die Vorstellung eines Henoch-Orakels an­spielen.52 So gelesen, wäre ein Gotteswort in Orakelgestalt an Noah ergangen, auf das er mit dem Bau der Arche gehört hätte. Das Verhalten Noahs wäre somit auch für hellenistisch-frühkaiserzeitliche Liebhaber von Orakeln ein Musterbeispiel für das Verhältnis von Gottes Wort und menschlicher Antwort.

IV Die Schriften Israels in der Argumentation

des Hebräerbriefs

1. Die Schriftzitate bilden das Rückgrat des Hebräerbriefs. Daher lässt sich an ihnen das argumentative Gefälle des Hebräerbriefs ablesen:

– Hebr 1,1–4,13: Die Schriftkatene in Hebr 1,3–14 erlaubt den Leserinnen und Lesern des Hebräerbriefs, den Worten Gottes zum Sohn zu lauschen. Dies zeichnet die Leserinnen und Leser aus53 und drängt sie dazu, sich auf den Weg in die himmlische Ruhe zu machen; ein Weg, der ihnen offensteht, da die Väter ihn noch nicht vollendeten.54

– Hebr 4,14–10,31: Diesen Weg vollziehen sie unter Christus, dem Sohn55 und Hohepriester nach der Ordnung Melchisedeks,56 der den Willen Gottes nach der Schrift tat,57 weshalb Gott ihrer Sünden nicht mehr gedenkt.58

– Hebr 10,32–13,25: Auf diesem Weg orientieren sie sich am Glauben,59 wie dies in Hebr 11 die großen Gestalten der Schriften Israels vorzeichneten, und damit an dem, was irdisch nicht zu sehen ist. Das lässt sie alle gegenwärtigen Beschwernisse als Erziehung des Herrn verstehen60 und eine Ethik entwickeln, die des Herrn als Helfer gewiss ist.61

Das Gerüst aus Schriftzitaten formt demnach das Grundverständnis des Hebräerbriefs; der Argumentationsgang ist an den Zitaten nachvollziehbar und dank derer relativ leicht zu erfassen, so kompliziert und anspruchsvoll sich die umgebenden Ausführungen auch erweisen.

2. Der Horizont der Auslegungstraditionen, die der Autor des Hebräerbriefs benutzt, wird in der jüngsten Forschung als offen angesehen: Die zitierten Schriften verweisen in die jüdische Welt; dennoch ist die Argumentation mit den Schriften auch nichtjüdisch-griechisch zu verstehen.

Hellenistische Synagogenpredigten sind schwer zu vergleichen,62 die rabbinischen Leseordnungen im 1. Jh. n. Chr. noch nicht ausgebildet.63 Midraschim und Pesherim entstehen zur Zeit der Abfassung des Hebräerbriefs,64 doch erst in viel späteren Jahrhunderten ist der Midrasch zu den Psalmen, Midrasch Tehillim, belegt, der zum formalen Vergleich mit dem Hebräerbrief, na­mentlich dem Vorgehen in Hebr 3,7–4,11,65 besonders wichtig wäre. Ältere Midraschim konzentrieren sich auf die Tora, und der Hebräerbrief verwendet kein griechisches Äquivalent zur Pescher-Auslegungs-Formel der frühjüdischen Literatur.66 Somit sind einseitige Ableitungen abzulehnen.67

Wenden wir uns den beiden bedeutendsten Stilmitteln in der Auslegung zu, so ist der Schluss vom Geringeren zum Größeren, den schon Paulus liebt68 und den der Hebräerbrief extensiv verwendet, ebenso als jüdisches wie als griechisch-römisches Argumentationsmittel, dort über die rhetorische comparatio, vertraut.69 Die Auslegung einer Schriftstelle mithilfe einer zweiten, die in Hebr 4,1–11 begegnet,70 gilt jüdisch als gezerah shewa,71 passt aber gleichfalls vor den Hintergrund der Homer-Philologie, denn diese prägte die Methode aus, eine schwierige Wendung durch einen zweiten Referenten aus dem umgebenden Textcorpus zu erläutern.72

So wiederholt sich der Befund, der sich schon in § 1 darstellte: Das überragende Interesse an den Schriften Israels spricht dafür, dass der Autor des Hebräerbriefs jüdischer Herkunft ist. Viele Eigentümlichkeiten jedoch, zuvor die Verschiebung des Hauptaugenmerks von der Tora auf die Psalmen, nun der Verzicht auf eine sich von den Völkern trennende Auslegungsterminologie, machen bewusst, dass er für Menschen der Völker schreibt. Es ist somit nicht einmal auszuschließen, dass der Autor selbst aus den Völkern stammt und sich Eigentümlichkeiten dadurch erklären lassen, dass er seine Schrift- und Auslegungskenntnis erst im tiefen Studium der Schriften aufgrund seiner Zuwendung zu Israel und der Gemeinde Jesu erwarb.

3. Hohe Kunst ist die von Abschnitt zu Abschnitt wechselnde Behandlung der Schriftzitate zwischen Hebr 1, dem Beginn der Zitate im Hebräerbrief mit einer Katene, und Hebr 13,5 f., dem Ab­schluss der Zitate durch eine knappe Kombination aus Tora, Josua und Psalm. Heutige Leserinnen und Leser mag dies irritieren; in der frühen Kaiserzeit steht dies jedoch für eine glanzvolle rhetorische variatio, die Leserinnen und Leser stets aufs Neue fesselt.

Die Stellenkatene in Hebr 1 ist nach Ansicht des Autors des Hebräerbriefs selbstevident; er verzichtet auf eine Auslegung. Das Zitat aus Ps 8 erlaubt in Hebr 2,5–8 sowohl eine christologische Auslegung, so der Akzent von Hebr 2,8 f., als auch eine anthropologische gemäß ἄνθρωπος im Zitat von Hebr 2,6; beides ist jedoch intendiert.73 Hebr 3–4,11 schreitet ein einzelnes Zitat überaus umfangreich ab, näherhin ein solches aus den Psalmen, was an den Midrasch erinnert. Hebr 4,3 f. kombiniert daraufhin ein Psalm- und ein Torawort: Ps 94,11 LXX und Gen 2,2. In Hebr 5,5 f. folgt die Kombination zweier Psalmworte, unter ihnen Ps 109,4 LXX – womöglich nach einer komplizierten Textgeschichte.74 Das Zitat aus der Tora, Gen 14,17–20, folgt dem hier erstmals angesprochenen Psalmwort über Melchisedek in Hebr 7,1–3; in der Darlegung wird in Hebr 7,4 ff. nun jedoch das Wort aus Genesis weiter abgeschritten. Hebr 10,37 f. schließlich kombiniert Prophetenworte, Jes 26,20 und Hab 2,3 f., vor einer Para-phrase aus der Tora und den Geschichtsbüchern in Hebr 11. All dies sind unterschiedliche Weisen der Textkombination und Textbenutzung.

Die rhetorische Kunst macht den Hebräerbrief zur sprachlich an­spruchsvollsten Schrift des Neuen Testaments. Sie setzt freilich voraus, dass die Adressaten die Vielfalt und überraschenden Wendungen der Zitation und Darlegung nachvollziehen können. In Hebr 5,12–14 setzt der Autor dies in eine weitere rhetorische Geste um: Er provoziert die angeschriebenen Gemeinden, als wären sie ungeschult, damit sie seinen Text als in der Wahrnehmung Geübte, als fast schon Vollkommene lesen.

4. Eingebettet in den gemeinantiken Horizont, kommt den jüdischen Auslegungstraditionen größte Relevanz zu. Die schon an­gesprochene Studie von Docherty bringt dies auf den aktuellen Stand, indem sie nach A. Samely75 auf die jüdische Technik der Segmentierung von Texten in Targum und Mischnah sowie nach A. Goldberg76 auf eine Grundform des Midrasch aufmerksam macht, die Lemma, erweiterbares Diktum und oft mühsam zu erschließende und vielfältig durchführbare exegetisch-hermeneutische Operation enthält.77 Die so unterschiedlichen Verfahrensweisen in Hebr 1, segmentierte Zitate ohne Auslegung, und Hebr 3–4, kompliziert fortschreitende Darlegung, sind demnach ungewöhnlich und passen dennoch in den jüdischen Horizont der Zeit.78

Nicht minder lebt die gestalterische Variation des Hebräerbriefs im Fortgang von jüdischen theologischen Impulsen. Selbst etliche Differenzen der griechischen Textüberlieferung, die für den He­bräerbrief wichtig sind, basieren schon auf einem Spielraum des hebräischen Textes; so erlaubt beispielsweise הטמ in Gen 47,31 die Vokalisierung zu הָטִמִ, »Bett«, im MT, und zu הֶטַמ, »Stab«, in LXX und Hebr 11,21. Daher sucht die Forschung verstärkt nach Auslegungstraditionen bis ins hebräische Umfeld, die unterschiedliche Textlesarten berücksichtigen. Dies bedarf mancher methodischen Klärung, da die vorneutestamentlichen jüdischen Interpretationsquellen knapp und Versuche, Lücken durch Reminiszenzen in rabbinischen Quellen und bei den Kirchenvätern zu füllen, erprobungsbedürftig sind.79 Dennoch ist der Ansatz vielversprechend, denn er bereichert unsere Kenntnis darüber, wie der Hebräerbrief Schriften und Deutungshorizonte Israels zu den Völkern bringt.

Nicht vergessen werden darf in dieser Vielfalt, wie stark das frühe Judentum an hellenistischen Entwicklungen teilnimmt. Die Rezeption der jüdischen Schriften in griechischer Form erlaubt deshalb grundsätzlich auch Rezeptionen mittelplatonischen Denkens, deren Umfang derzeit diskutiert wird.80

Darüber hinaus sucht die Forschung nach der Wahrnehmung übergreifender Konzepte aus Israels Schriften. So evozieren die Zi­tate aus dem Dtn81 sowie das Interesse des Hebräerbriefs an Segen, Fluch82 und dem Eingang in das Land der Ruhe Gottes einen gewissen deuteronomistischen Einfluss, vor allem über die Schluss­kapitel des Deuteronomiums. Allerdings zitiert der Hebräerbrief Dtn 28 nicht direkt, und erst der Ausleger verbindet die verstreuten Referenzen.83 Wie so oft ist auch hier gegenüber Großkonzepten Vorsicht geboten.

5. Die Diskussion um das Verhältnis des Hebräerbriefs zu Israel fokussiert sich am Wort vom neuen Bund, Jer 38,31–34 LXX (Jer 31,31–34 MT). Dieses Wort spielte vorneutestamentlich jenseits der Gemeinschaft um die sogenannte Damaskusschrift keine große Rolle. Im frühen Christentum gewann es sodann an Gewicht bis zur Klimax in Hebr 8,8–12.84

Dieses Zitat steht in etwa in der Mitte des Hebräerbriefs. Trotzdem ist es nicht zum entscheidenden Bezugspunkt des Hebräerbriefs überhaupt zu erklären, wie S. Fuhrmann jüngst vorschlug.85 Der Briefautor führt dieses Zitat nicht in den Anfangskapiteln des Hebräerbriefs ein, sondern nach den Grundaussagen über den Sohn und Hohepriester, so dass es seine Theologie eher expliziert als begründet.86 Zur Länge des Zitats sieht er sich nach den oben angeführten Indizien nicht zuletzt dadurch genötigt, dass er das Wort aus Jeremia bei den Adressaten für weniger bekannt erachtet als andere Texte wie beispielsweise Ps 2.

Der Hebräerbrief wertet somit Jer 38 LXX auf. Hebr 8,13 gibt das Ziel des Zitates an: Das Wort spreche vom neuen Bund und habe dadurch den ersten Bund »alt gemacht«, nahe ans »Verschwinden« gebracht. – Die Forschung verglich dies früher mit dem hebrä­i­schen Jeremiatext und fand dadurch eine harte Abwertung des Bundes Gottes mit den Vätern. Schenker87 dagegen vollzog kürz-lich den durch die Forschung am Hebräerbrief unausweichlichen Schritt: Mit dem Hebräerbrief zu vergleichen ist die griechische Schriftüber­lieferung und ihre vom masoretischen Text gegebenenfalls abweichende Grundlage. Jer 38,32 LXX jedoch vertritt, die Väter seien nicht in Gottes Bund geblieben und Gott habe darauf da­durch ge­antwortet, dass er sich nicht um sie gekümmert habe. Schenker schlussfolgerte, die Häuser Israel und Juda würden nach dieser Stelle der Septuaginta faktisch ohne Bund leben, bevor Gott ihnen seinen neuen Bund zuspricht.88 Dies begegnete heftigem Widerspruch89 und ist doch exegetisch für die Septuaginta nicht von der Hand zu weisen.90

In der Konsequenz verändert der Hebräerbrief sein Gesicht: Er nämlich folgt der Septuaginta, obwohl er sie zitiert, nicht in ihrer von Schenker herausgearbeiteten Radikalität. Vielmehr beachtet er – angeregt durch eine frühchristliche Tradition, nach der Gott die Berufung Israels keineswegs fallen lässt?91 – das Objekt zu ἠμέλησα in Jer 38,32 LXX genau und deutet, Gott habe die Väter vernachlässigt; der erste Bund indes bestehe. Dies entspricht dem Bild der Väter in Hebr 3–4: Sie versagten, aber Gottes Schwur bestand.92 Der erste Bund ist deshalb nach dem Hebräerbrief eben nicht vergangen; er erreicht höchstes Alter und verblasst lediglich vor dem überwältigenden Glanz der himmlischen Ruhe und des himmlischen Le­bens. Auch diese Position kann und muss diskutiert werden.

6. Schließen wir die Übersicht mit einem Blick auf die Stellenkatene in Hebr 1, einen der zentralen christologischen Abschnitte des Neuen Testaments:93

– Die Katene beginnt mit im 1. Jh. n. Chr. sehr bekannten Texten, Ps 2,7 LXX, 2Sam 7,14/1Chr 17,13 LXX, und endet mit Ps 109,1 LXX. Der Autor des Hebräerbriefs sucht seine Leserinnen und Leser durch ihnen vertraute Schriftworte für seine Darlegungen zu gewinnen.94 Aus den Schriftworten ergibt sich daraufhin die Sohneschristologie, der er umfassende Geltung für Vergangenheit (ποτε), Gegenwart (σήμερον) und Zukunft zuspricht (Futur im Zitat von 2Sam 7,14; vgl. Hebr 1,5 nach Hebr 1,2).

– Die drei genannten Texte, Ps 2,7 LXX, 2Sam 7,14/1Chr 17,13 LXX und Ps 109,1 LXX, sind schon in den Psalmen Israels Gottesworte. Damit bereiten Israels Psalmen den kühnen Schritt vor, den der Hebräerbrief unternimmt: Gott spricht seine Psalmworte zum Sohn, den die Nachfolger Jesu mit Christus identifizieren. Ps 2,7 LXX und Ps 109,1 LXX begegnen auch in 1Clem 36, ebenso Ps 103,4 LXX, ein Vers, den Hebr 1,7 als Wort an die Engel liest. Vielleicht benutzt der 1Clem dasselbe Testimonium wie der Hebräerbrief, vielleicht so­gar den Hebräerbrief selbst. So oder so bleibt 1Clem 36 hinter dem Hebräerbrief zurück, denn in jenem kommt es nicht zu einem Gespräch Gottes, sondern genügt, dass »ge­schrieben ist« (1Clem 36,3). Zudem erweitert 1Clem 36 den genannten Zitatkomplex nicht um weitere Zitate aus dem Alten Testament.

– Ursprünglich keine Gottesworte sind die beiden Psalmzitate, die Hebr 1, 8–12 in die Mitte der Katene stellt: Ps 44,7 f. LXX und Ps 101,26–28 LXX. Beide zitiert der Hebräerbrief relativ umfangreich; ein Indiz dafür, dass der Autor um ihre geringe Bekanntheit und um das Wagnis seiner Übertragung weiß.95 Trotzdem will er offenbar auf das Wagnis nicht verzichten; zu wichtig sind ihm die Spitzenaussagen: Gott nennt den Sohn seinerseits Gott96 und überträgt auf ihn seinen eigenen Namen97. Alle Werke, die der Beter des Psalms 101 LXX Gott zuwies – von der Schöpfung bis zum künftigen Vergehen der Himmel –, sind deshalb laut Hebr 1,10–12 gleichermaßen Werke des Sohnes. Das Gespräch Gottes zum Sohn zwingt zu einer christologischen Reflexion des Gottesgedankens.98

– Die Pointe des Kyrios-Prädikats ist nach Ansicht des Autors des Hebräerbriefs in Ps 101,26–28 LXX deutlicher als in Ps 109,1 LXX, deshalb zitiert er letzteren Vers in Hebr 1,13 unvollständig. Er überspringt die Eröffnung »der Herr sprach zu meinem Herrn«, die dem frühen Christentum aus der Evangelienüberlieferung vertraut ist,99 und füllt diese Lücke auch im Fortgang seines Schreibens nicht. Es genügt, dass die Leserinnen und Leser diese Zeile aus anderen Kontexten kennen; nun sollen sie die Vertiefung des Kyrios-Prädikats hin vom Anfang bis zum Ende der Zeit reflektieren.

Beim Überblick über diese Beobachtungen ergibt sich die äußers­te christologische Spitze – das Verständnis Jesu aus dem Namen Gottes – aus der Anwendung der Schrift. Dennoch verursacht das eher hermeneutische Unruhe als Beruhigung, denn das Kyrios-Prädikat steht nicht in der hebräischen Überlieferung von Ps 102,26, sondern ausschließlich in der Septuaginta: Dort redet der Psalmvers Gott selbst an, nicht den Sohn. Deshalb ist die christologische An­wendung von Ps 101,26–28 LXX im Hebräerbrief hinterfragbar. Es wundert nicht, dass Ps 101,26–28 LXX in der christologischen Reflexion nach dem Hebräerbrief nirgends die Bedeutung von Ps 109,1 LXX erreicht 100 und heute in der christologischen Reflexion kaum eine Rolle spielt. Die Kühnheit des Hebräerbriefs verschafft demselben so eine Sonderstellung in der christlichen Literatur.101

V Ergebnis


Das letzte Jahrzehnt hat die Kenntnis über die Schriftrezeption des Hebräerbriefs außerordentlich bereichert. Wie sich zeigte, nimmt der Autor an der Konzentration des jüdischen Schriftverständnisses im 1. Jh. n. Chr. auf die Schriften teil, die ursprünglich hebräisch geschrieben waren. Er benutzt jedoch diese Schriften wie das hellenistisch-frühkaiserzeitliche Judentum der Diaspora in griechischen Fassungen – kein einziger direkter Rückgriff auf die hebräische Sprache ist nachweisbar –, und er bevorzugt auffällig die Psalmen gegenüber der Tora. Er zitiert so genau wie möglich, da das Wort der Schrift in gegenwärtiger Rede Gottes lebendig wird, doch ist er an die Textfassungen gebunden, zu denen er Zugang erhält. Manchmal greift der Autor des Hebräerbriefs deshalb einen alten Septuagintatext auf und ist sogar für die Rekonstruktion des Grundtextes der Septuaginta, des Old Greek, von größter Bedeutung; manchmal dagegen gebraucht er jüngere Fortschreibungen der Septuaginta, manchmal gar eine fast zeitgenössische Textform. Er verrät die Kenntnis jüdischer Segmentierung von Schriftzitaten und jüdischer Auslegungsweisen, vom Stil des Midrasch über die Kombination von Schriftworten bis zum Schluss vom Geringeren zum Größeren. Der Autor vermeidet jedoch eine terminologische Abgrenzung dessen gegen die Argumentation der Völker; darum lässt sich sein Schriftgebrauch auch vor dem Hintergrund der antiken Rhetorik und Homerphilologie verstehen.

Diese inneren Spannungen geben dem Hebräerbrief einen prägnanten religionsgeschichtlichen und theologischen Ort. Es ist nicht sicher zu entscheiden, wo der Autor zwischen Rom und Alexandria schreibt; indes ist eindeutig, dass er sich in diesem weiten Raum nicht nur Leserinnen und Leser vorstellt, die jüdischer Herkunft sind, sondern auch Adressaten nichtjüdischer Herkunft. Von ihnen verlangt er, dass sie das Wort des einen Gottes, des Gottes Israels nach den Schriften, hören und unverbrüchlich aus diesem Wort der Schriften Israels leben. Sein Christentum ist nach seiner Absicht vor dem »parting of the ways« von Christentum und Judentum anzusiedeln. Falls der Autor des Hebräerbriefs selbst aus den Völkern stammt, was zu erwägen ist, macht er seine Schrift zum Muster dessen; er kennt das Denken der Völker, ordnet es aber durchweg dem Durchdenken der Schriften Israels zu. 102

Von heute aus gesehen stemmt der Hebräerbrief sich damit gegen die sich abzeichnende Trennung der Gemeinde Jesu von den jüdischen Gemeinden. Jüdische Christen können ihn als zugespitzte Darlegung der ihnen vertrauten Schriften verstehen und Völkerchristen die kühne Argumentation bewundern. Leser, die sich dem nicht anschließen, werden freilich nicht minder einiger Probleme gewahr: Sie werden in den Schriften Israels keine himmlische Anrede Gottes an Christus finden, sondern sie als vor- bzw. außerchristliche Texte lesen. Die große Variationsbreite in der Schriftauslegung wird für sie durch die Kritik an den Vätern Israels beschädigt werden, wie sehr auch immer der Glanz des jetzigen Redens Gottes die Kritik nach Ansicht des Autors des Hebräerbriefs überstrahlt. Aus der zwingenden Argumentation wird daher in heutiger Betrachtung ein großer theologischer Entwurf, der zur Antwort provoziert 103 und unterschiedliche Antworten erlaubt.

Summary


In the past decade, there has been much research dealing with the reception of Israel’s scriptures in Hebrews. The most significant results are: 1) Hebrews cites only scriptures which were considered to be sacred scriptures in the Judaism of that time. In this much, ac­-cording to its self-understanding, Hebrews belongs to the era be­-fore the »parting of the ways« between Christianity and Judaism. 2) Hebrews cites the scriptures according to the Greek textual tradition. That makes the quotations witnesses for the Septuagint and related textual forms. 3) In his interpretation the author employs Jewish methods and Greek rhetoric. His own origin could have been Gentile as well as Jewish Christian. 4) Hebrews cites the words of the scriptures as the living, spoken word of God, Christ and the Spirit. 5) The author derives all important decisions concerning issues from Christology from the relation to Israel’s patriarchs from the words of the scriptures. Therefore the quotations are essential for the line of argument in Hebrews.

Fussnoten:

1) H.-G. Bethge und G. Wurst arbeiten derzeit an der Edition eines koptischen Codex mit den Paulusbriefen, der in Hebr 13,24 Grüße aus der Asia statt der Italia mitteilt; vorläufiger Bericht beim SBL Annual Meeting 2011.
2) Vielfach wird insbesondere im angelsächsischen Raum eine Datierung eine Generation früher vertreten, was zu einem Spielraum der Datierung zwischen 50 und 90 führt; vgl. P. T. O’Brien, The Letter to the Hebrews, The Pillar New Testament Commentary, Grand Rapids 2010, 15 f.
3) Alternativ bringt K. Erlemann, Antiochia und der Hebräerbrief – eine Milieustudie, in: R. v. Bendemann/M. Tiwald (Hrsg.), Das frühe Christentum und die Stadt, BWANT 198, Stuttgart 2012, 114–127, Antiochia ins Spiel.
4) C. R. Rothschild, Hebrews as Pseudepigraphon. The History and Significance of the Pauline Attribution of Hebrews, WUNT 235, Tübingen 2009, vertritt eine pseudepigraphe Abfassung im Schatten des Paulus.
5) Vgl. Westfall, Cynthia Long: A Discourse Analysis of the Letter to the Hebrews. The Relationship Between Form and Meaning. London u. a.: T & T Clark International 2006. XII, 339 S. = Library of New Testament Studies, 297. Lw. £ 85,00. ISBN 978-0-567-03052-8; u. Heil, John Paul: Hebrews. Chiastic Struc­-tures and Audience Response. Washington: The Catholic Biblical Association of America 2010. XIII, 475 S. = The Catholic Biblical Quarterly. Monograph Series, 46. Kart. US$ 25,00. ISBN 0-915170-45-0.
6) Stand der Einleitungsdiskussion bei R. Kampling, Sich dem Rätsel nähern. Fragen zu den Einleitungsfragen des Hebräerbriefes, in: Kampling, Reiner [Hrsg.]: Ausharren in der Verheißung. Studien zum Hebräerbrief. Stuttgart: Katholisches Bibelwerk 2005. 164 S. = Stuttgarter Bibelstudien, 204. Kart. EUR 24,90. ISBN 978-3-460-03044-2, 11–34, und K. Backhaus, Der Hebräerbrief, RNT, Regensburg 2009, 13–79.
7) Die Zitate sind dank Einleitungsformeln in der Regel klar erkennbar. Nestle-Aland28 kursiviert außerdem zitatnahe Rezeptionen wie Gen 47,31 LXX in Hebr 11,21. Zählungen können zwischen 30 und 36 Zitaten schwanken.
8) Übersicht z. B. bei B. Kowalski, Die Rezeption alttestamentlicher Theologie im Hebräerbrief, in: Kampling, Ausharren in der Verheißung (s. Anm. 6), 35–62, hier 44–46.
9) Die zweite wichtige, aber nicht zitierende Bezugnahme wählt gleichfalls eine Ansage Gottes: 1Kön 2,35 LXX in Hebr 2,17; 3,2.6.
10) Zitat lediglich aus Prov 3,11 f. in 12,5 f. Bei den Zahlangaben gehe ich von den markierten bzw. eindeutig erkennbaren Zitaten aus.
11) Obwohl der Hebräerbrief zusätzliche, für die Septuaginta relevante Schriften berührt; vgl. besonders Hebr 1,3 mit Weish 7,25 f. und Hebr 11,25 mit 2Makk 6–7 und 4Makk 15,2.8.
12) Allerdings weist G. Holtz, Pentateuchrezeption im Hebräerbrief, in: Th. S. Caulley/H. Lichtenberger (Hrsg.), Die Septuaginta und das frühe Christentum, WUNT 277, Tübingen 2011, 359–381, darauf hin, dass die Kultgesetze von Ex, Lev und Num nicht die Würdigung wie die Texte aus Gen und Dtn finden. Sie sieht darin eine Relativierung, die der Autor in Hebr 8–10 wiederum mit der Schrift begründet.
13) Zur Diskussion vgl. die Kommentare zu Hebr 8,5 und 10,1, z. B. M. Karrer, Der Brief an die Hebräer, Band 2, ÖTBK 20/2, Gütersloh 2008, 110 f.186–189.
14) G. Gelardini, »Verhärtet eure Herzen nicht«. Der Hebräer, eine Synagogenhomilie zu Tischa be-Aw, Bibl.-Interpr.S. 83, Leiden 2007.
15) Scharfe Kritik in der Rezension durch C. Mosser, Review of Biblical Literature 11 (2009), abgerufen unter http://eastern.academia.edu/CarlMosser/ Papers/ 264839/Review_of_Gelardinis_Verhartet_eure_Herzen_nicht_De_Hebraer_eine_Synagogenhomilie_zu_Tischa_be-Aw_Brill_2007_; am 05.09. 2012.
16) Vgl. unten zu Hebr 11,7.
17) Vgl. Hebr 1,3 mit Weish 7,25 f., Hebr 11,25 mit 2Makk 6–7 u. 4Makk 15,2.8.
18) Genannt seien die Rückführung Melchisedeks bis vor die Sintflut, die uns dank slHen erhalten blieb, sowie die Eschatologisierung Melchisedeks in 11QMelch. Vgl. G. L. Cockerill, Melchizedek Without Speculation: Hebrews 7.1–25 and Genesis 14.17–24, in: R. Bauckham (Ed.), A Cloud of Witnesses. The The­-ol­ogy of Hebrews in its Ancient Contexts, Library of New Testament Studies 387, London u. a. 2008, 128–144. Weitere Literatur bei Bensel, K.: Die Melchisedek-Typologie in Hebräer 7,1–28, Diss. theol. Heverlee (Belgien) 2005, Privatdruck, und G. K. Hasselhoff, Melchisedek, RAC 24, 2011, 610–629.
19) Dies ist jedoch derzeit nicht Konsens. Viele Kommentare, namentlich im englischsprachigen Raum, nehmen eine judenchristliche Adresse an; vgl. sehr pointiert Witherington III, Ben: Letters and Homilies for Jewish Chris­tians. A Socio-Rhetorical Commentary on Hebrews, James and Jude. Downers Grove: InterVarsity Press 2007. 656 S. Geb. £ 40,00. ISBN 978-0-8308-2932-3, 32 f. (Adresse an Judenchristen Roms, die durch die Ereignisse seit 49 n. Chr. traumatisiert sind).
20) Vgl. besonders Hebr 12,4–11 mit Seneca, de prov. 1,5; 4,11 f., aber auch das Gewissen in Hebr 9,9 mit Seneca, ep. 81,20.
21) Vgl. Backhaus, Hebräerbrief (s. Anm. 6), 21 f.
22) Vgl. V. Spottorno, The Status of the Antiochene Text in the First Century A. D. – Josephus and New Testament, in: S. Kreuzer/M. Sigismund, der Antiochenische Text der Septuaginta in seiner Bezeugung und Bedeutung, DSI 4, Göttingen 2013, 74–86.
23) Vgl. besonders E. Ahlborn, Die Septuaginta-Vorlage des Hebräerbriefes, Diss. Georg-August-Universität Göttingen 1967 (masch., unveröffentlicht).
24) Diese zählen die Psalmen in der Regel nach LXX, Jer in Hebr 8 aber nach dem masoretischen Text. Konsequent müssten alle Stellenverweise nach LXX erfolgen.
25) Gheorghita, Radu: The Role of the Septuagint in Hebrews. An Investigation of its Influence with Special Consideration to the Use of Hab 2:3 in Heb 10:37–38. Tübingen: Mohr Siebeck 2003. XII, 275 S. = Wissenschaftliche Un­tersuchungen zum Neuen Testament. 2. Reihe, 160. Kart. EUR 54,00. ISBN 978-3-16-148014-0; U. Rüsen-Weinhold, Der Septuaginta-Psalter im Neuen Tes­tament. Eine textgeschichtliche Untersuchung, Neukirchen-Vluyn 2004, 169–206.
26) Zu Dtn: D. M. Allen, Deuteronomy and Exhortation in Hebrews. A Study in Narrative Re-Presentation, WUNT II 238, Tübingen 2008; zu den Psalmen: D. J. Human/G. Steyn (Eds.), Psalms and Hebrews. Studies in Reception, LBS 527, New York u. a. 2010; zu den kulttheologischen Textbereichen: G. Gäbel, Die Kulttheologie des Hebräerbriefes, WUNT II 212, Tübingen 2006; manche Studien, wie etwa Anderson, David R.: The King-Priest of Psalm 110 in Hebrews. New York u. a.: Peter Lang 2001. X, 342 S. = Studies in Biblical Literature, 21. Geb. EUR 68,30. ISBN 978-0-8204-4574-8, erreichen nicht den Stand der derzeitigen Textforschung.
27) Vgl. S. Docherty, The Use of the Old Testament in Hebrews. A Case Study in Early Jewish Bible Interpretation, WUNT II 260, Tübingen 2009.
28) Vgl. S. Docherty, The Text Form of the OT Citations in Hebrews Chap-ter 1 and the Implications for the Study of the Septuagint, NTS 55 (2009), 355–365. Ein Forschungsprojekt von S. Kreuzer, Wuppertal, vermutet weitergehend, der antiochenische Text führe in großen Teilen der Septuaginta nahe an deren Ausgangstext heran. Dies hätte erhebliche Konsequenzen für die Editionsarbeit, da die Göttinger Septuaginta diese Textform geringer wertet. Für unseren Bereich können wir diese Debatte zurückstellen; zwischen vorneutestamentlicher Genese und Old Greek (3./2. Jh. v. Chr.) bleibt immer noch ein erheblicher Zeitraum.
29) G. J. Steyn, A Quest for the Assumed LXX Vorlage of the Explicit Quotations in Hebrews, FRLANT 235, Göttingen 2011; vgl. Human/Steyn, Psalms (s. Anm. 26), besonders 194–228; G. J. Steyn, Notes on Ps 101 (LXX) and Ps 103 (LXX) in Hebrews 1 in the Light of Evidence from the Dead Sea Scrolls and Papyrus Bodmer XXIV, Acta Patristica et Byzantina 20 (2009), 384–406; ders., An Overview of the Extent and Diversity of Methods Utilised by the Author of Hebrews when Using the Old Testament, Neotest. 4 (2008), 307–333; ders., Deuteronomy in Hebrews, in: S. Moyise, M. Menken (Eds.), Deuteronomy in the New Testament, London 2007, 152–168; ders., Torah Quotations Common to Philo, Hebrews, Clemens Romanus and Justin Martyr: What is the Common Denominator?, in: C. Breytenbach (Ed.), The New Testament Interpreted. Essays in Honour of Bernard C. Lategan, NT.S 124, Leiden 2006, 135–151; ders., The Occurrence of Ps 118(117) :6 in Hebrews 13:6. Possible Liturgical Origins?, Neotest. 40 (2006), 119–134; ders., The Vorlage of Ps 45:6–7(44:7–8) in Heb 1:8–9, HTS 60 (2004), 1085–1103; ders., Psalm 2 in Hebrews, Neotest. 37 (2003), 262–282.; ders., Some Observations about the Vorlage of Ps 8,5–7 in Heb 2,6–8, Verbum et Ecclesia 24 (2003), 493–514.
30) Vgl. hierzu Ps 2,7 und 2Sam 7,14/1Chr 17,13 LXX in Hebr 1,5.
31) Eine Passage, auf die CD VI 19; VIII 21; XX 12 und 1Kor 11,25; 2Kor 3,1–6 anspielen.
32) Zusammenfassend Steyn, Quest (s. Anm. 29), 410 f.
33) Dies gilt bis hin zur Zitatkombination in Hebr 13,5 f.; zu den Pentateuchzitaten vgl. besonders Leg. all. III, zu Prov 3,11 f. in Hebr 12,5b–6 vgl. Philo, congr. 176–177. Diese Textform beeinflusst auch nachträglich noch die Überlieferung des Hebräerbriefs: Die Variante καὶ μή statt μηδέ in p13 in Hebr 12,5 entspricht dem Proverbientext Philos in congr. 177 noch über die Haupthandschriften hinaus.
34) Dies hält Steyn, Quest (s. Anm. 29), 410, mit Verweis auf schon länger erzielte Forschungserkenntnisse fest; vgl. E. E. Ellis, Paul’s Use of the Old Testament, Edinburgh 1957, 82.
35) Vgl. besonders ἢ τρισίν in Dtn 17,6 F und Hebr 10,28, ῥίζα πικρίας in Dtn 29,(17)18 F sowie A und Hebr 12,15, φύουσα ἐνοχλῇ Dtn 29,17 (18) F, A sowie B und Hebr 12,15, πάντες ἄγγελοι θεοῦ in Dtn 32,43 Z. 2 F sowie anderen Zeugen und Hebr 1,6; vgl. dazu den Beitrag von J. de Vries, in M. Karrer/ders., Der Septuagintatext in den neutestamentlichen Schriften und der Codex Ambrosianus, erscheint in: W. Kraus u. a. (Hrsg.), Die Septuaginta: Text, Wirkung, Rezeption, WUNT, Tübingen voraussichtlich 2013; J. de Vries, Codex Ambrosianus and the New Testament. Considerations Concerning the Textual History of the Pentateuch, in: J. de Vries/M. Karrer (Hrsg.), Textgeschichte und Schriftrezeption im frühen Christentum. Textual History and the Reception of Scripture in Early Christianity, SBL.SCSt, voraussichtlich 2013.
36) Πυρὸς φλόγα in Hebr 1,7/1Clem 36,3 gegen Ps 103,4 LXX.
37) Steyn, Quest (s. Anm. 29), 272–297.411.
38) Chr.-J. Gruber, The Lexical Constancy and Changes in Heb. 7:1–3 Com­-pared to Gen. 14:17–20, in: P. Arzt-Grabner/Chr. M. Kreinecker (Eds.), Light from the East. Papyrologische Kommentare zum Neuen Testament, Philippika 39, Wiesbaden 2010, 127–138.
39) Auch weitere Eigentümlichkeiten der Übersetzungsgeschichte lassen sich womöglich erkennen; vgl. die Hinweise zu Jer 38,31–34 LXX/Hebr 8 in M. Karrer/U. Schmid, Old Testament Quotations in the New Testament and the Textual His­-tory of the Bible – the Wuppertal Research Project, in: M. Karrer/ S. Kreuzer/M. Sigismund (Hrsg.), Von der Septuaginta zum Neuen Testament. Textgeschichtliche Erörterungen, ANTF 43, Berlin 2010, 155–196, besonders 182–184.
40) Vgl. Mt 22,44; Mk 12,36; Lk 20,42 f.; Apg 2,34 f.; Hebr 1,13; 1Clem 36,5; Barn 12,10; 1Kor 15,25.
41) Soweit lässt sich das der Edition der Psalmen durch A. Rahlfs von 1931 entnehmen, die jedoch der Erneuerung bedarf.
42) A. Rahlfs (Hrsg.), Psalmi cum Odis, LXX 10, Göttingen 1931, 143 f.
43) Vgl. Steyn, Quest (s. Anm. 29), 288–293; vgl. auch M. Karrer, LXX Psalm 39:7–10 in Hebrews 10:5–7, in: Human/Steyn, Psalms (s. Anm. 6), 126–146.
44) A. H. Cadwallader, The Correction of the Text of Hebrews Towards the LXX, NT 34 (1992), 257–292.
45) Vgl. die Erörterungen zur Rhetorik in den neueren Kommentaren, beispielsweise bei D. A. deSilva, Perseverance in Gratitude. A Socio-Rhetorical Commentary on the Epistle »to the Hebrews«, Grand Rapids 2000; Backhaus, Hebräerbrief (s. Anm. 6), und Witherington, Letters and Homilies (s. Anm. 19).
46) Vgl. beispielsweise Quint., Inst. Or. V,11,36–42.
47) Inklusionen durch Schriftworte helfen daher bei der Gliederung des Hebräerbriefs, z. B. Ps 94,7–11 LXX bei der Abgrenzung von Hebr 3,7–4,10 (Zitat in Hebr 3,7–11, Wiederaufnahme in Hebr 4,7) oder Jer 38,31–34 LXX bei der Abgrenzung von 8,6–10,18.
48) Der vereinzelte Beleg innerhalb des Zitats von Ps 39,8 LXX in Hebr 10,7 nach der Zitateinleitung λέγει in Hebr 10,5 verrät gerade noch die Kenntnis dieser Formel.
49) M. Theobald, Vom Text zum »lebendigen Wort« (Hebr 4,12), in: C. Landmesser (Hrsg.), Jesus Christus als die Mitte der Schrift, FS O. Hofius, BZNW 86, Berlin u. a. 1997, 751–790, hier 764.
50) Zur Worttheologie des Hebräerbriefs vgl. die Literatur seit Theobald, Text (s. Anm. 49), und D. Wider, Theozentrik und Bekenntnis. Untersuchungen zur Theologie des Redens Gottes im Hebräerbrief, BZNW 87, Berlin u. a. 1997.
51) Vgl. Hebr 3,7; 10,15; zur Vorstellung des Geistes im Hebräerbrief vgl. T. Lewicki, Weist nicht ab den Sprechenden!, PaThSt 41, Paderborn 2004, und Emmrich, Martin: Pneumatological Concepts in the Epistle to the Hebrews. Amtscharisma, Prophet, & Guide of the Eschatological Exodus. Lanham u. a.: University Press of America 2003. XVI, 104 S. Kart. US$ 39,99. ISBN 978-0-7618-2679-8.
52) B. Heininger, Hebr 11,7 und das Henochorakel am Ende der Welt, in: Ders., Die Inkulturation des Christentums. Aufsätze und Studien zum Neuen Testament und seiner Umwelt, WUNT 255, Tübingen 2010, 257–274.
53) Ps 8,5–7 LXX in Hebr 2,6–8.
54) Hebr 4,3 f. nach Ps 94,11 LXX und Gen 2,2, vorbereitet im Zitat von Ps 94,7–11 LXX in Hebr 3,7–11.
55) Hebr 5,7; Rückgriff auf Hebr 1,5.
56) Hebr 5,6 nach Ps 109,4 LXX; 7,1–3 nach Gen 14,17–20.
57) Hebr 10,5–7 nach LXX Ps 39,5–7.
58) Hebr 10,16 f. nach Jer 38,33 f. LXX, vorbereitet im Zitat der Passage Hebr 8.
59) Hebr 10,37 f. nach Hab 2,4.
60) Hebr 12,5 f. nach Prov 3,11 f. LXX.
61) Hebr 13; vgl. besonders Hebr 13,6 mit dem Zitat aus Ps 117,6 LXX und 145,5 LXX.
62) Die Schriften Ps.-Philo, De Jona und De Sampsone, die gerne als Synagogenpredigten hellenistischen Erbes verstanden werden, sind anders angelegt als der Hebräerbrief.
63) Vgl. die Kritik an der Arbeit Gelardinis (s. Anm. 15).
64) Vgl. M. Müller, Pesher Commentary and its Afterlife in the New Testament, in: G. J. Brooke/J. Høgenhaven (Eds.), The Mermaid and the Partridge. Essays from the Copenhagen Conference on Revising Texts from Cave Four, StTDJ 96, Leiden 2011, 279–287.
65) Zur dortigen Rezeption von Ps 94 LXX vgl. zuletzt W. Kraus, Hebrews 3:7–4:11 as a Midrash on Psalm 94 LXX, in: H. Ausloos, B. Lemmelijn, M. Vervenne (Eds.), Florilegium Lovaniense. Studies in Septuagint and Textual Criticism in Honour of Florentino Garcia Martinez, BEThL 224, Leuven 2008, 275–290; Chr. Frevel, σήμερον – Understanding Psalm 95 Within, and Without, Hebrews, in: Human/Steyn, Psalms (s. Anm. 26), 165–193 und G. Steyn, The Reception of Psalm 95(94):7–11 in Hebrews 3–4, in: Human/ders., Psalms (s. Anm. 26), 194–228.
66) Dan Θ/LXX führen σύγκρισις als Übersetzung von רשׁפ ein (Dan 2,4. 7.16), doch dies wäre mit dem griechisch-rhetorischen Begriff der Synkrisis verwechselbar. Im Hebräerbrief fehlt der Begriff σύγκρισις.
67) Nur in weitem Sinn lässt sich der Hebräerbrief als »homiletic midrash« bezeichnen, vgl. zum Begriff: E. Tönges, The Epistle to the Hebrews as a »Jesus-Midrash«, in: Gelardini, Gabriella [Ed.]: Hebrews. Contemporary Methods – New Insights. Leiden u. a.: Brill 2005; Atlanta: Society of Biblical Literature 2009. VIII, 304 S. = Biblical Interpretation Series, 75. Kart. US$ 37,95. ISBN 978-1-5893-386-9, 89–105, hier 104.
68) Vgl. beispielsweise Röm 5,15.
69) Der Hebräerbrief stilisiert ihn ab Hebr 1,4 mit κρείττων.
70) K. Schenck, Understanding the Book of Hebrews. The Story Behind the Sermon, Louisville 2003, 38, nennt ein Beispiel, das nur Psalmen kombiniert: die Verbindung von Ps 109,1 LXX und Ps 8,7 in Hebr 1,13; 2,8; 10,13; der Konnex erfolgt durch das Motiv der »Füße«.
71) An der hier im Fokus stehenden Stelle im engeren Sinn der Erläuterung eines Wortes jenseits der Tora, Ps 94,11 LXX, durch ein Wort der Tora, Gen 2,2.
72) Nachgewiesen in den Scholien zu Homer: D. Lanzinger, Der Verfasser des Hebräerbriefs als antiker Philologe. Zur Methodik der innerbiblischen Begriffsklärung in Hebr 4, Protokolle zur Bibel 20, 2011, 81–94.
73) Vgl. beispielsweise A. Rascher, Schriftauslegung und Christologie im Hebräerbrief, BZNW 153, Berlin u. a. 2007, 53–56; jüngste Forschung erörtert vor allem die christologischen Aspekte, so Beiträge von S. Fuhrmann, L.P. Maré und C.L. de Wet in Human/Steyn, Psalms (s. Anm. 26), 69–125.
74) Granerød, Gard: Abraham and Melchizedek. Scribal Activity of Second Temple Times in Genesis 14 and Psalm 110. Berlin u. a.: De Gruyter 2010. VIV, 317 S. = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 406. Lw. EUR 89,95. ISBN 978-3-11-022345-3, schlägt vor, den hebräischen Text grundlegend anders als LXX zu lesen. Er übersetzt den hebräischen Text von Ps 110,4 MT mit »You are a priest forever. For my sake my king is loyal« (213).
75) A. Samely, The Interpretation of Speech in the Pentateuch Targums: A Study of Method and Presentation in Targumic Exegesis, TSAJ 27, Tübingen 1992; ders., Rabbinic Interpretation of Scripture in the Mishnah, Oxford 2002; ders., Forms of Rabbinic Literature and Thought: An Introduction, Oxford 2007, und weitere Arbeiten.
76) Vgl. A. Goldberg, Mystik und Theologie des rabbinischen Judentums, TSAJ 61, Tübingen 1997; dort VII–XXIII: Überblick von M. Schlüter und P. Schäfer.
77) Docherty, Use (s. Anm. 27), 83–120.
78) Docherty, Use (s. Anm. 27), 143–200.
79) G. Walser, Textual and Contextual Background of the Old Testament Quotations in Hebrews, Diss. Leicester Ende 2012 masch., Verfahren wird im Winter 2012/13 abgeschlossen. Diese wichtigste Studie zur Frage behandelt nur wenige Schlüsselstellen: Gen 47,31, Jer 38,31 LXX und Ps 41,7 LXX. Gen 47,31 ist besonders interessant, aber auch kompliziert, denn der Segen Jakobs über Nachkommen, von dem der Hebräerbrief spricht, assoziiert womöglich noch eine Reminiszenz an den hebräischen Ausgangspunkt, die Verbeugung am Kopfende des Bettes, aus dem – ohne dass es expliziert werden müsste – die Nachkommenschaft hervorging. Die erste Hand des p 46, des ältesten Zeugen des Hebräerbriefs, liest übrigens, was Nestle-Aland28 nicht notiert, Jakob habe jeden seiner eigenen Söhne gesegnet, was dazu gut passen würde (τῶν υἱῶν αὐτοῦ; ein Korrektor des p46 ersetzt freilich auch dort αὐτοῦ durch Ἰωσήφ).
80) W. Eisele, Ein unerschütterliches Reich. Die mittelplatonische Umformung des Parusiegedankens im Hebräerbrief, BZNW 116, Berlin 2003; zu Hebr 1,6: 49–65.
81) Inklusive des auch außerhalb des in Dtn überlieferten Moseliedes Dtn 32/Od 2.
82) Vgl. Dtn 28.
83) So beispielsweise Hebr 10,26–31; vgl. Allen, Deuteronomy (s. Anm. 26), passim.
84) Wichtige Beiträge vor der jüngsten Diskussion: K. Backhaus, Der neue Bund und das Werden der Kirche. Die Diatheke-Deutung des Hebräerbriefes im Rahmen der frühchristlichen Theologiegeschichte, NTA NF 29, Münster 1996; J. Frey, Die alte und die neue διαθήκη nach dem Hebräerbrief, in: F. Avemarie, H. Lichtenberger (Hrsg.), Bund und Tora. Zur theologischen Begriffsgeschichte in alttestamentlicher, frühjüdischer und urchristlicher Tradition, WUNT 92, Tübingen 1996, 263–310 ; M. Vogel, Das Heil des Bundes. Bundestheologie im Frühjudentum und im frühen Christentum, TANZ 18, Tübingen 1996.
85) Das Christusgeschehen des Hebräerbriefs setzt nach ihm die »Verheißungsgüter der jeremianischen Verheißung« in Geltung, insbesondere die »ha­martiologischen Aussagen«, das ›gnädig sein Wollen‹ und das ›nicht mehr gedenken Wollen‹ der Sünden durch Gott; alle anderen Motive des Hebräerbriefs, auch und gerade die kultischen seien dem zuzuordnen. Vgl. S. Fuhrmann, Vergeben und Vergessen. Christologie und Neuer Bund im Hebräerbrief, WMANT 113, Neukirchen-Vluyn 2007, 8 (erstes Zitat), 7 (zweites Zitat) und Klappentext.
86) Man beachte aber die Auslegungen von Fuhrmann zu Stellen wie Hebr 2,17, in denen er die Rezeption von Jer 38 LXX angebahnt sieht (Fuhrmann, Vergeben [s. Anm. 85], 18–30).
87) A. Schenker, Das Neue am neuen Bund und das Alte am alten. Jer 31 in der hebräischen und griechischen Bibel, FRLANT 212, Göttingen 2006, 23f. u. ö.
88) Ein Motiv scharfer Trennung: ἀμέλειν findet sich in Jer 4,17 LXX für הרמ.
89) S. bes. H.-J. Stipp, Die Perikope vom »neuen Bund« (Jer 31:31–34) im masoretischen und alexandrinischen Jeremiabuch. Zu Adrian Schenkers These von der »Theologie der drei Bundesschlüsse«, JNWSL 35 (2009), 1–25, und F. Crüsemann, Das Alte Testament als Wahrheitsraum des Neuen. Die neue Sicht der christlichen Bibel, Gütersloh 2011, 174–179.
90) A. Schenker, Welche Argumente wiegen schwerer auf der Waagschale? Zwei Weisen, die Textunterschiede in Jer 31:32–33 zu erklären, JNWSL 36 (2010), 113–124.
91) Paulus gebrauchte interessanterweise den für unsere Stelle wesentlichen Stamm μελ…, als er dieses Anliegen in Röm 11,29 einführte: Die κλῆσις sei ἀμεταμέλητος.
92) Vgl. Hebr 4,3 nach Ps 94,11 LXX.
93) Sie wird in jüngerer Zeit unter zahlreichen Fragestellungen untersucht: Als Testimonium vgl. M. C. Albl, »And Scripture Cannot be Broken«. The Form and Function of the Early Christian Testimonia Collections, NT.S 96, Leiden 1999, 201–207, im Blick auf die Textgeschichte der Zitate vgl. Steyn, Quest (s. Anm. 29), 29–145), zu deren Interpretationsraum vgl. Docherty, Use (s. Anm. 27), 144–181, zu Einzelstellen vgl. beispielsweise Allen, Deuteronomy (s. Anm. 6), 44–58 u. ö., zur Eschatologie vgl. Mackie, Scott D.: Eschatology and Exhortation in the Epistle to the Hebrews. Tübingen: Mohr Siebeck 2007. XI, 284 S. = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament. 2. Reihe, 223. Kart. EUR 59,00. ISBN 978-3-16-149215-0, und D. M. Moffitt, Atonement and the Logic of Resurrection in the Epistle to the Hebrews, NT.S 141, Leiden 2011.
94) Vgl. hierzu die Arbeiten Steyns (s. Anm. 29).
95) Beide Zitate haben keine Parallele in 1Clem 36 oder einer anderen früh-christlichen Schrift.
96) Ὁ θεός in den Anreden von Ps 44,7 f. LXX.
97) »Kyrios«/Herr nach Ps 101,26 LXX.
98) R. Bauckham, The Divinity of Jesus Christ in the Epistle to the Hebrews, in: Bauckham, Richard, Driver, Daniel R., Hart, Trevor A., and Nathan McDonald [Eds.]: The Epistle to the Hebrews and Christian Theology. Grand Rapids: Wm. B. Eerdmans 2009. XVII, 456 S. Kart. US$ 40,00. ISBN 978-0-8028-2588-9, 15–36, spitzt dies zu höchster Christologie zu. Vgl. außerdem beispielsweise Rascher, Schriftauslegung (s. Anm. 73), 45–100.
99) Vgl. Mk 12,36 par.
100) Die altkirchliche Literatur entdeckte bald die Chance, nicht nur Ps 109,1.4 LXX christologisch zu verstehen, worauf sich das Neue Testament beschränkte, sondern auch schon Ps 109,3 LXX; so vermutlich ab Melito, pasch. 82, relevant für die Präexistenz.
101) Die christologische Reflexion beschreitet bald auch im Verständnis des Redens Gottes einen anderen Weg: Gott spricht ab Thphl. Ant., Autol. II 22 nicht zum Sohn, sondern schon bei der Schöpfung im Sohn, dem Logos, was eine Auswirkung der Logostheologie von Joh 1 darstellt.
102) Die Mehrheit der Forschung betrachtet ihn als Judenchristen. Dies mindert die Pointe jedoch nur geringfügig. Vgl. z. B. Docherty, Use (s. Anm. 27), 1: »the so-called ›parting of the ways‹ had not yet occurred, and Hebrews is there­fore a Jewish text, which belongs just as much to Jewish as to Christian history.«
103) Vgl. die Hinweise zur »answerability« von Schrift bei K. Backhaus, Gott als Psalmist. Ps 2 im Hebräerbrief, in: Ders., Der sprechende Gott. Gesammelte Studien zum Hebräerbrief, WUNT 240, Tübingen 2009, 101–129, hier 128.