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Ausgabe:

Oktober/2013

Spalte:

1129–1130

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Weigel, Valentin

Titel/Untertitel:

Zwei nützliche Traktate. Bericht zur ›Deutschen Theologie‹. Die vernünftige Kreatur. Hrsg. v. H. Pfefferl.

Verlag:

Stuttgart-Bad Cannstatt: frommann-holzboog 2012. LX, 132 S. m. Abb. = Valentin Weigel Sämtliche Schriften. Neue Edition, 1. Lw. EUR 386,00. ISBN 978-3-7728-1840-0.

Rezensent:

Ernst Koch

Der Band bietet die Edition von zwei der frühesten Schriften des Zschopauer Pfarrers sowie einen Anhang mit einem Text, als dessen Autor bisher W. gelten konnte, was jedoch inzwischen nicht mehr mit Gewissheit behauptet werden kann.
Bei den beiden in sich geschlossen überlieferten Texten handelt es sich um »Zwei nützliche Traktate« und »Bericht zur ›Deutschen Theologie‹«, ein Plädoyer für die im Jahrzehnt nach 1510 erstmals in zwei Druckausgaben erschienene »Theologia Deutsch«. Für beide Texte ergeben sich für den Herausgeber keine Probleme, was ihre Datierung (1570 bzw. 1571) und ihre Abfassung durch W. betrifft. Dabei ist zu bemerken, dass die an zweiter Stelle genannte Schrift zwei formale Besonderheiten aufzuweisen hat: Sie ist mit genauer Datierung (25. März 1571) und einer Widmung an W.s Kollegen Christoph Corner in Großrückerswalde versehen und außer in zwei Handschriften als Druck überliefert, nämlich innerhalb eines Sammeldrucks mit paracelsischen und weigelianischen Texten, der 1618 in Frankfurt am Main erschienen ist. Diese Besonderheiten verdienen es, dass dieser Umstand im Vergleich mit der Überlie­ferung anderer Schriften des Zschopauer Pfarrers und ihrer oft komplizierten und schwer entscheidbaren Echtheit nahezu ein Glücksfall genannt werden kann. Andererseits kann er insofern nachdenklich machen, als für den Kreis um W. der »Bericht« als eine seiner Grundschriften gegolten haben mag und deshalb für wichtig erscheinen ließ, ihn in gedruckter Form zugänglich zu machen. Der Herausgeber betont jedoch im Unterschied zu der von Winfried Zeller vertretenen Meinung, der »Bericht« beziehe sich lediglich auf das erste Kapitel der »Theologia Deutsch«, dass W. mit ihm eine Einführung zum Inhalt der gesamten Schrift habe geben wollen. Die Edition beruht auf dem Druck von 1618 und berücksichtigt lediglich die abweichenden Lesungen des in den beiden Handschriften gebotenen Auszugs aus der Vorrede.
Der Edition der »Zwei nützlichen Traktate«, die Bekehrung des Menschen und die ›Armut des Geistes‹ betreffend, liegen vier Handschriften zugrunde, von denen die in Halle an der Saale neu ent­-deckte Fassung als Leittext benutzt ist. Der Herausgeber sieht Datierung (1570) und Echtheit für gesichert an. Inhaltlich bezieht sich W. in starkem Maße auf die Ausgabe der Predigen Taulers und Pseudo-Eckharts, während er seine deutlichen Bezugnahmen auf die »Theologia Deutsch« nicht erwähnt. Dies aber macht zusätzlich die in der Überlieferung enthaltene Datierung in der Nähe des »Berichts« gewiss. Die für die »Traktate« typische ungeschminkte und gelegentlich grobe und »beleidigende« (vgl. XLI) Polemik W.s, die die Edition belegen kann, bezieht sich auf die gesamte Breite der Wittenberger Reformation, aber auch auf Johannes Calvin und den Heidelberger Katechismus, setzt sich nicht nur in verstärktem Maße im »Bericht«, sondern auch in W.s späteren Schriften fort und prägt insgesamt den Charakter beider Frühschriften des Zschopauer Pfarrers.
Eine andere Stellung in der Überlieferung von W.s Schriften kommt dem im Anhang aufgenommenen Text »Die vernünftige Kreatur« zu. Aufgrund einer neu entdeckten Handschrift, die ebenfalls eine genaue Datierung (5. August 1571) enthält, und einer de­taillierten kritischen Untersuchung widerruft der Herausgeber seine bisher vertretene Auffassung, dass es sich bei diesem Titel um ein echtes Werk W.s handele. Der Zweifel an seiner bisherigen Überzeugung beruht auf Stil, Argumentation und weiteren Kriterien lite­rarischer Verarbeitung, die er beobachtet und die nunmehr eine »von Weigel angelegte Gedanken- und Ideensammlung« bzw. – noch wahrscheinlicher – »eine frühe Nachahmung durch einen Vertrauten bzw. Adepten in Weigels Nähe«, der bis zum August 1571 Zugang zu Weigel-Texten gehabt haben mag, vermuten lässt (XLVII).
Wiederum ist wie bereits zu den vorangehenden Bänden der Edition zu betonen, dass die Qualität der Arbeit des Herausgebers an Texterstellung und dichter Kommentierung einen mustergültigen Eindruck hinterlässt. Hinzuweisen ist auf die beigegebenen Abbildungen einzelner Seiten aus Handschriften und Druck, wichtig für eventuell künftig auftauchende anonyme Texte verwandten Inhalts. Die künftige Beschäftigung mit den Texten W.s selbst und denen seiner Anhänger, die derzeit in der Forschung neu wahrgenommen wird, wird ohne Zweifel von dieser Edition in reichem Maße profitieren.