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Ausgabe:

Oktober/2013

Spalte:

1118–1119

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Schwarz Lausten, Martin

Titel/Untertitel:

Die heilige Stadt Wittenberg. Die Beziehungen des dänischen Königshauses zu Wittenberg in der Reformationszeit. Aus d. Dän. übers. v. D. Harbsmeier.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2010. 205 S. m. Abb. = Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, 10. Geb. EUR 34,00. ISBN 978-3-374-02723-1.

Rezensent:

Hans-Otto Schneider

Den Beziehungen zwischen Dänemark und Wittenberg eine Mo­nographie zu widmen, das leuchtet zunächst vor allem aus dänischer Perspektive ein, und nicht von ungefähr wurde der hier zu besprechende Band ursprünglich für ein dänisches Publikum verfasst. (Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »Den hellige Stad Wittenberg. Danmark og Lutherbyen Wittenberg i reformationstiden«, København 2002.) Das wird auch in der Auswahl der 16 vorzüglichen farbigen Tafeln und der 53 schwarzweißen Abbildungen spürbar, die einen deutlichen Schwerpunkt auf das Wittenberg der Reformationszeit bzw. auf dessen Relikte legen, während die dänische Seite sehr viel weniger im Bild vor Augen geführt wird, wohl weil der Text teilweise auf spezifische Darstellungen Bezug nimmt und so auch die Bildredaktion der deutschen Ausgabe mitbestimmte, während die Gegebenheiten auf dänischer Seite als besser bekannt vorausgesetzt werden; vielleicht ließe sich hier bei einer zweiten Auflage die eine oder andere einschlägige Abbildung ergänzen, etwa von den Königinnen, den Residenzen, den Hauptkirchen.
Dennoch ist der von einem ausgewiesenen Kenner der Reformationsgeschichte verfasste Band nicht etwa nur für die Gemeinden der dänischen und deutschen Minderheiten diesseits und jenseits der Grenze von Belang. Trotz der gesamteuropäischen Ausstrahlung der Wittenberger Reformation kann man sagen, dass die Verbindung zwischen Wittenberg und Dänemark von einer einzigartigen Qualität war: König Christian II. und seine Ehefrau Elisabeth, eine Schwester Karls V., hielten sich zeitweise in Wittenberg auf und verkehrten mit Luther; Christian III., der die Reformation in seinen Königreichen Dänemark und Norwegen durchsetzte, unterhielt einen intensiven Schriftverkehr mit den führenden Wittenberger Theologen; Bugenhagen hielt sich zwei Jahre mit seiner Familie in Kopenhagen auf, um die kirchlichen Verhältnisse des Landes zu ordnen; hunderte dänischer Studenten wurden durch die Professoren der Leucorea geprägt, und Christian III. war es auch, der noch die verwitwete Katharina v. Bora und ihre Kinder finanziell unterstützte. »Die heilige Stadt Wittenberg« – so Christian II. in einem Brief an seine Frau (67) – wurde zeitweilig zum geistlichen Zentrum Dänemarks (vgl. 197), der dänische König Christian III. zu einem tatkräftigen, verlässlichen Unterstützer der Reformatoren, auch wenn er mit dem Versuch, Butter und Fische nach Wittenberg zu senden, zu seinem großen Verdruss mehrfach scheiterte (vgl. 133 f.).
Der Vf. beleuchtet die Beziehungen zwischen Dänemark, nicht zuletzt dem dänischen Königshaus, und den Wittenberger Reformatoren unter vielfältigen Aspekten: Auf ein einleitendes Kapitel »Martin Luther und die Reformation« (13–37) folgen die Abschnitte: »Luther wird in Dänemark bekannt« (39 f.), »Die Auffassung des Re­formkatholiken Poul Helgesen über Luther« (41–44), »Fastnachtsspaß mit dem ersten Wittenberger in Kopenhagen« [Verspottung Martin Reinhards durch Altgläubige] (45–48), »Wittenberger Theologen kommen nach Kopenhagen« (49–55) [dabei wird auch über das kurze Gastspiel Karlstadts berichtet und über den Versuch, 1521 Luther selbst anzuwerben], »Von Wittenberg inspirierte Reformen« (57 f.), »Christian II. in der heiligen Stadt Wittenberg« [darin wird auch Christians Exil und Luthers Trostbrief an den Gefangenen in Schloss Sonderburg behandelt] (59–87), »Die wittenbergisch-lutherische Re­formation in Dänemark« [hier er­fahren wir u. a., dass Luther in der Handfeste (Wahlkapitulation) König Friedrichs I. erwähnt wird, weil der Reichsrat versuchte, das Vordringen reformatorischer Bestrebungen auf diese Weise zu unterbinden] (89–105), »Dänische Studenten in Wittenberg« [von herausragender Bedeutung: Peder Palladius] (107–127), »Der Briefwechsel Christians III. mit den Theologen in Wittenberg« [Luther, Melanchthon, Major, Jonas und besonders Bugenhagen; tiefe Enttäuschung des Königs angesichts der innerlutherischen Streitigkeiten] (129–178), »Bücher von Wittenberg nach Dänemark und umgekehrt« (179–196); ein kurzes Kapitel »Dänemark – Wittenberg – Dänemark« (197 f.) schließt den Text.
Der Band ist auch für historisch interessierte Nichtfachleute verständlich geschrieben. Der Vf. hat sich beim wissenschaftlichen Apparat auf die nötigsten Nachweise und Anmerkungen be­schränkt. Dietrich Harbsmeier ist für die gut lesbare Übersetzung zu danken. Abgerundet wird der gelungene Band durch ein Personen- und ein Ortsregister.