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Ausgabe:

Oktober/2013

Spalte:

1079–1081

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Kim, Sun-Jong

Titel/Untertitel:

Se reposer pour la terre, se reposer pour Dieu. L'année sabbatique en Lv 25,1–7.

Verlag:

Berlin u. a.: De Gruyter 2012. XVIII, 283 S. = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 430. Geb. EUR 99,95. ISBN 978-3-11-027557-5.

Rezensent:

Rainer Kessler

Eine monographische Untersuchung des Sabbatjahrs nach Lev 25,1–7 findet ihre Rechtfertigung darin, dass es eine solche bisher noch nicht gibt, wie Sun-Jong Kim, der Verfasser der vorliegenden, von Jan Joosten in Straßburg betreuten Dissertation feststellt (XI.214). Zwar sind in letzter Zeit vermehrt Kommentare zum Buch Leviticus (Jacob Milgrom), Studien zum Heiligkeitsgesetz (Lev 17–26) insgesamt (Klaus Grünwaldt und Andreas Ruwe) oder auch nur zu Lev 25 erschienen (Jean-François Lefebvre, »Le jubilé biblique: Lv 25 – exégèse et théologie«, aus dem Jahr 2003). Sie behandeln alle auch das Sabbatjahr, aber immer sogleich in größeren Zusammenhängen. Deshalb ist ein konzentrierter Blick auf die kurze Perikope durchaus sinnvoll.
K. gliedert seine Arbeit in drei Kapitel. Im I. Kapitel (Einleitung) legt er nach Klärung der Terminologie den historischen Rahmen fest, in dem er den Text versteht. Abweichend vom in Deutschland weitgehend geteilten Konsens einer Datierung des Heiligkeitsgesetzes in die exilische oder nachexilische Zeit vertritt er die Auffassung, dass H und mit ihm die Bestimmungen zum Sabbatjahr aus der vorexilischen Epoche stamme. Die relative Datierung der Gesetzeskorpora sieht er so, dass sowohl H als auch das Deuteronomium das Bundesbuch voraussetzen und weiterentwickeln, und zwar parallel zueinander und unabhängig voneinander.
Immer noch in der Einleitung nimmt K. sodann einen Vergleich von Lev 25,1–7 mit anderen alttestamentlichen Texten vor, die ebenfalls von der Hervorhebung des siebten Jahres handeln. Das sind die Aufnahme des Motivs in Lev 26,34–35.43, sodann die zwei Paralleltexte in Ex 23,10–11 (Brachjahr) und Dtn 15,1–11 (Er­lassjahr), die narrative Erwähnung in Jer 34,8–22 (Freilassung von Sklavinnen und Sklaven unter Zidkija mit explizitem Bezug auf Dtn 15) und in Neh 5,1–13 (wo K. einen Torabezug vermutet, der im Text allerdings nicht ausdrücklich hergestellt wird) und 10,32b sowie schließlich das Motiv von den nicht eingehaltenen Sabbatjahren in 2Chr 36,21. Eine solche Einbettung des Sabbat­jahres von Lev 25,1–7 in den Zusammenhang übriger Erwähnungen einer vergleichbaren Einrichtung ist sinnvoll und nötig. Die Schwierigkeit beim Lesen ergibt sich daher, dass der Text von Lev 25,1–7 selbst noch gar nicht untersucht worden ist, was zu ständigen Vorwegnahmen nötigt.
Das II. Kapitel ist der Exegese von Lev 25,1–7 gewidmet. Nach Übersetzung und Bemerkungen zum Text setzt K. mit einem commentaire sélectif ein (70), der in der Tat etwas selektiv vom Sabbat, vom Weinberg und Ölbaum – die in Ex 23,11 zusammen vorkommen und wovon in Lev 25,3 nur der Weinberg übrigbleibt – und vom Numeruswechsel in der Perikope handelt. Trotz des selektiven Charakters des Kommentars an dieser Stelle macht K. im Unterpunkt 3.1.1. Le sabbat »pour YHWH« et »pour la terre« (72) eine für seine Studie zentrale Aussage. Er beobachtet nämlich, dass im Text zweimal von einem »Sabbat für JHWH« (V. 2.4) und einem »Sabbat für das Land« (V. 4–5) die Rede ist, nicht aber von einem Sabbat für die Menschen. Zwar profitieren die Menschen und Tiere vom Sabbat, indem sie im Sabbatjahr reichlich zu essen bekommen. Der »Sabbat des Landes« wird ihnen »zur Nahrung« (V. 6). Aber dies ist nicht das Ziel, sondern gewissermaßen nur ein Nebeneffekt. Ziel des Sabbatjahres ist das Ruhen für das Land und für Gott, wie es auch der Titel der Arbeit zum Ausdruck bringt ( Se reposer pour la terre, se reposer pour Dieu).
Nach Bemerkungen zur – konzentrischen – Struktur von Lev 25, 1–7 wendet K. sich den Protagonisten des Textes zu, nämlich dem Volk und dem Land. Der ausführliche Abschnitt über das Volk befasst sich im Wesentlichen mit der Liste von V. 6 (und 7). Dabei vertritt K. die These, dass es sich bei den dort genannten Gruppen, dem Sklaven und der Sklavin, dem Lohnarbeiter und dem Beisassen (tôšāb, K. gibt mit hôte wieder), um Ausländer handelt. Dass das bei allen drei Gruppen möglich ist, wird man nicht bestreiten können. Aber ist es deshalb auch grundsätzlich so gemeint? Für Sklavinnen und Sklaven kann man dazu auf das Jobeljahrgesetz verweisen, wonach Israeliten nicht versklavt werden sollen, während echte Sklavinnen und Sklaven nur von den Völkern ringsum genommen werden sollen (Lev 25,39–46). Allerdings wird bei dieser Argumentation gerade der Ansatz, das Sabbatjahrgesetz einmal nur für sich zu betrachten, gleich wieder außer Kraft gesetzt. Ob man also so viel Gewicht darauf legen soll, dass hier zu einer »doppelten Überschreitung vom Partikularen zum Universellen und vom Legalen zum Moralischen« eingeladen werde (130), mag dahingestellt bleiben.
Bei der Behandlung des zweiten Protagonisten des Textes, das Land, greift K. weit über Lev 25,1–7 hinaus. Insbesondere Texte des Heiligkeitsgesetzes sowie der weiteren priesterlichen Gesetzgebung werden beigezogen. Auch das Konzept von rein und unrein sowie eines konzentrischen, vom heiligen Ort als Zentrum ausgehenden Weltbilds werden behandelt und in die Erklärung des Sabbatjahrgesetzes mit hineingenommen. Im Ergebnis ist für K. das Land in Lev 25,1–7 nicht nur der Ort, der den Bedürftigen ihre Nahrung gibt, sondern Besitz und Residenz Gottes und Abbild der ursprünglichen Schöpfung, die auch außerhalb des Brachjahrs von sich aus allen das zum Leben Nötige bereitstellt.
In seinem III. Kapitel betrachtet K. den literarischen Kontext von Lev 25,1–7 (den er freilich im II. Kapitel immer schon mit herangezogen hat). Er tut dies in konzentrischen Kreisen und untersucht das Sabbatjahr im Rahmen von Lev 25, von Lev 25–26, im Heiligkeitsgesetz, im Buch Leviticus und dann gleich »in der Hebräischen Bibel« (232). Zumindest der Rahmen von P wäre hier noch ein sinnvoller Zwischenschritt gewesen. Gelegentlich referiert K. die These einer Holiness School. Leider wird nicht recht klar, welchen Erklärungswert er ihr beilegt.
Der kurze Schluss hebt das Profil von Lev 25,1–7 hervor. Es bestehe zum einen in der »religiösen Tonart« (tonalité religieuse) und in der Öffnung für den Ausländer als Ausdruck der Universalität des Textes. Religiosité und universalité sind für K. die zentralen Themen von Lev 25,1–7 (235). Beide finden ihre Einheit im Gedanken der Schöpfung, denn in ihr ist die Erde heilig, und sie ist ein universelles Geschehen. Dass man zur Profilierung dieser Deutung das Gegenbild eines »nationalistischen Partikularismus des Deuteronomiums« braucht (237), halte ich für zweifelhaft. Gleichwohl wird man K. zustimmen können, dass das Sabbatjahrgesetz in einem anderen Register – nach der Tonart eine weitere Metapher aus der Musik – gehalten ist als das Deuteronomium, das ein sehr direktes soziales und politisches Interesse verfolgt. Dagegen lässt die Einladung von Lev 25,1–7 an Menschen und Tiere, sich vom Ertrag des Landes zu nähren, »uns eintauchen in eine Welt, die direkt aus der Schöpfung hervorgegangen ist, wie wenn das Sabbatjahr eine Wiederholung dieses Ursprungsgeschehens sein sollte« (238 f.).
Auch wenn man nicht jede Voraussetzung und Schlussfolgerung teilt, muss man anerkennen, dass K. an einem oft nur am Rand wahrgenommenen Text ein markantes Profil herausgearbeitet hat.