Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Januar/1999

Spalte:

34–36

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

De Moor, Johannes C.

Titel/Untertitel:

The Rise of Yahwism. The Roots of Israelite Monotheism. 2nd rev. and enlarg. ed.

Verlag:

Leuven: Peeters 1997. XV, 445 S. gr.8 = Bibliotheca Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium, 91. Kart. bFr 1400. ISBN 90-6186-339-4.

Rezensent:

Erhard S. Gerstenberger

Der Autor spürt den Wind neuzeitlicher Veränderung, der auch Alttestamentler trifft. "As old social prejudices are breaking down there is an increasing demand for new, more adequate images of God" (1). Er will u. a. den Herausforderungen verschiedener Befreiungstheologien begegnen, indem er verstärkt ägyptische und vorderorientalische Funde und Dokumente aus dem 2. Jahrtausend v. Chr. für die komplizierte Frage nach dem Ursprung des Jahweglaubens auswertet und die relevanten biblischen Texte im Licht der zeitgenössischen Quellen einer neuen Durchsicht und Interpretation unterzieht. Am Ende der biblischen Tradition steht der alles in einem repräsentierende Gott, der dem Tod überlegen ist. Diese Idee soll für die heutige Weltlage die richtige Gottesvorstellung sein: "... it emancipated man from an animated world in which even stones, trees, chairs and tables could harbour deities. This faith allowed a more detached view of nature which ... ultimately opened the door to modern science" (376).

Das 1990 zuerst erschienene Werk liegt jetzt in einer erweiterten und aktualisierten 2. Aufl. vor (Zuwächse besonders in Kap. 3; 4; 5; 7), Zeichen für seine erhebliche Publikumswirksamkeit.

Das "spirituelle Klima" der Spätbronzezeit (Hauptstichwort im ganzen Buch), ausgehend vom Ägypten Echnatons, hat nach Meinung J. C. de Moors in allen Regionen der alten Kulturwelt monotheisierende Theologien hervorsprießen lassen. In Nordkanaan soll dabei Baal die Vorherrschaft im Pantheon übernommen haben (Ugarit!), während in Südkanaan eine agressive exklusivistische Manifestation Els, eben der spätere mosaische Jahwe-El, sich zum einzigen Gott entwickelte (vgl. bes. Kap. 7, 310-369).

Theophore Personen- und Ortsnamen, nach Perioden und Stammeszugehörigkeit (!) sortiert, sind dem Vf. ein erster, "objektiver" Beleg dafür, daß in der vorstaatlichen Zeit Israels El in der Vorhand war (Kap. 2, 10-40). Der Geist der Spätbronzezeit wird aus ägyptischen, mesopotamischen und ugaritischen Quellen erhoben: Die Ehrfurcht vor den Göttern war dahin, man spottete und mockierte sich über die zeitgenössischen Gottesvorstellungen, kurz, der Polytheismus steckt in einer tiefen Krise (Kap. 3, 41-102). Da regten sich überall die monolatrischen Tendenzen. Amun wurde in Ägypten zum absoluten König der Götter, Baal usurpierte gegen einen schwächlichen El-Vater den höchsten Thron, und in Basan, dem eigentlichen Jahwe-Land, begann der dynamische Jahwe-El (vgl. Analyse des Jahwe-Namens: 325-333; Jakob erster Jahwe-Anbeter, 369) mit der Eroberung des Gottesberges Zaphon seinen glänzenden Siegeszug; der historische Hiob gehörte zu seinen frühen Anhängern (Kap. 4, 103-207). Die zweite große Etappe wurde durch Mose, in Ägypten dokumentiert unter dem Namen Beja (!, evtl. jahwehhaltig, 215), Kanzler und graue Eminenz des Pharaos Siptah und der Pharaonin Tausret, eingeläutet.

Als der reaktionäre Herrscher Sethnacht Tausret verdrängte, folgen Mose-Beja und die entthronte Herrscherin, wahrscheinlich als Liebespaar, im März 1190 v. Chr. nach Transjordanien (243; 231). Bileam empfing sie in Basan (245 ff.). Inschriften belegen ihren Weg durch die Sinaihalbinsel. Die biblische Tradition würdigt die Pharaonin als Mirjam, Schwester des Mose (231; Kap. 5, 208-270). Vom Landtag zu Sichem (Jos 24) bis zum Davidsbund (2Sam 7) geht dann die Entwicklung zum Monotheismus konsequent weiter, auch gegen den Widerstand der Polytheisten (vgl. die Jothamfabel, die gegen Jahwe, den Dornbuschbewohner, polemisiert, 282-291, oder den Kampf Gideons). Der davidische Endstand mit seiner Zionstheologie zeigt bereits lange vor Deuterojesaja und dem exilischen Glauben ausgeprägte exklusivistische Züge (Kap. 6, 271-309).

Im Schlußteil beleuchtet de Moor noch einmal die religionsgeschichtliche Genese des Jahweglaubens aus einem ursprünglich in Basan beheimateten Ahnenkult (Gott der Väter) zum bilderlosen, alleingültigen Stammes-, Staats- und Weltengott (Kap. 7, 310-369). Mose hatte großen Anteil an der Reform und Konsolidierung des Jahwekultes (262-270).

Mehrere Züge dieser Darstellung erfordern unsere Aufmerksamkeit:

Das Gesamtbild der Glaubensgeschichte Israels stimmt nach J. C. de Moor mit dem biblischen Grundmuster überein und ist dennoch in den großen Rahmen der altorientalischen Religionen hineingezeichnet. Der Autor entschuldigt sich zwar für sein historisch-kritisches Vorgehen (wem gegenüber?), läßt aber die traditionellen, schon deuteronomistischen Leitlinien der Glaubensgeschichte Israels voll in Geltung (vgl. 110-112 und 299 mit 208-211). Eine kritische hermeneutische Besinnung (Wo stehen wir? Welche Interessen und Erwartungen projizieren wir in die Texte hinein? Ist der neuzeitliche Begriff Monotheismus überhaupt auf die israelitische Antike anwendbar?) ist dem Autor genau so unbekannt wie sozialgeschichtliche und kontextuelle Überlegungen, welche die Interessen und Vorstellungen der Überlieferer in der Tiefe erhellen könnten. Darum nimmt er trotz aller Beteuerungen, historisch-kritisch zu arbeiten, die biblischen Texte (wahrscheinlich im Namen christlich-dogmatischer Festlegungen) nahezu "at face value". Sie geben ihm nicht nur das geschichtliche Gerüst, sondern können auch problemlos (gegen die Proteste mancher Kollegen, welche z. B. der Archäologie ein eigenständiges und divergierendes Zeugnisrecht zuweisen) mit allen möglichen außerbiblischen Informationen harmonisiert und aufgefüllt werden.

Noch bedenklicher ist der nur ganz am Anfang und ganz zum Schluß auftauchende Anspruch, auf diese Weise ein heutiger Zeit gemäßes und heutige echte Bedürfnisse stillendes Gottesbild herausdestillieren zu können. Der Gottesglaube, welcher in letzter Konsequenz und als größte Errungenschaft die moderne Wissenschaft freigesetzt haben soll, ist jedenfalls schon seit etlichen Jahren - und mit Recht - ins Gerede gekommen (vgl. z. B. Carl Amery, Das Ende der Vorsehung, Hamburg 1972; Sally McFague, Models of God, Philadelphia 1987). Er scheint mir auch ein auf einer technischen Fortschrittsideologie gewachsenes Zerrbild des alttestamentlichen Gottes zu sein.

Alles in allem ist J. C. de Moors neuerstandene Arbeit (neuer Wein in alten Schläuchen?) ein mit viel altorientalischen Detailwissen gefertigtes phantasievolles, farbenreiches Gemälde, das stellenweise mitreißende Fabulierkunst verrät. Es sei besonders all denen zur Lektüre empfohlen, die sich aus erster Hand davon überzeugen wollen, daß die vorstaatliche Glaubensgeschichte Israels und damit die Entstehung des Jahweglaubens schwerlich in der geschilderten Weise stattgefunden haben können.