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Ausgabe:

September/2013

Spalte:

968–969

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Hasselhoff, Görge K., u. David von Mayenburg [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Die Zwölf Artikel von 1525 und das »Göttliche Recht« der Bauern – rechtshistorische und theologische Dimensionen.

Verlag:

Würzburg: Ergon 2012. 265 S. = Studien des Bonner Zentrums für Religion und Gesellschaft, 8. Geb. EUR 45,00. ISBN 978-3-89913-914-3.

Rezensent:

Konrad Hammann

Die Zeiten, in denen die Geschichtswissenschaft den Bauernkrieg 1524/25 kontrovers diskutierte, scheinen endgültig der Vergangenheit anzugehören. An die Stelle häufig ideologiegeleiteter Deutungsansätze sind seit den 1970er Jahren Bemühungen getreten, den Bauernkrieg in seinen territorialen Ausprägungen und in seinem Verhältnis zur reformatorischen Bewegung unter sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Aspekten differenziert wahrzunehmen. Dabei sind den Zwölf Artikeln der oberschwäbischen Bauern, der Entstehung und kontemporären Rezeption dieses program­matischen, weit verbreiteten und überaus wirkungsvollen Mani­-festes bereits eingehende Untersuchungen gewidmet worden. Der vorliegende Band, der eine 2010 in Bonn durchgeführte interdisziplinäre Tagung dokumentiert, soll die nach Meinung der Herausgeber bisher nicht hinreichend beachtete Verschränkung theolo­gischer und rechtlicher Argumentationszusammenhänge in den Zwölf Artikeln und deren frühen Rezeption aufzeigen.
In zwei Abteilungen werden die Zwölf Artikel exegetisch analysiert und von ihrer Wirkungsgeschichte her in den Blick genommen. Im einleitenden Beitrag konzentriert sich Peter Blickle nach einem Überblick über die Entstehungsgeschichte des Textes auf die Forderung nach Freiheit (Art. 3), die die Intention der Bauern verdeutliche, im Rekurs auf das Evangelium durch legislative Maßnahmen eine Änderung der bestehenden gesellschaftlichen Zustände anzustreben. Luther habe, wie seine Kritik an den Zwölf Artikeln zeige, ein anderes Verständnis der christlichen Freiheit als die Bauern vertreten. Allerdings stehe deren den politischen und sozialen Bereich mit einbeziehendes Freiheitskonzept heutigen Auffassungen näher als dasjenige Luthers (19–42).
Mit einer Analyse des Schriftgebrauchs in den Zwölf Artikeln eröffnen Görge K. Hasselhoff und Andreas Pietsch die erste Abteilung des Buches. Die 60 Bibelstellenverweise in den Marginalien belegen den Anspruch der Verfasser, ihre Forderungen als biblisch legitimiert anzusehen. Jedoch lassen sich nicht alle Schriftbelege eindeutig verifizieren und einer bestimmten Funktion zuordnen (45–65). In der Forderung nach dem Pfarrerwahlrecht (Art. 1) schwingen, wie Andreas Thier hervorhebt, auch traditionelle naturrechtliche Vorstellungen mit (67–76). Christoph Goos betont in Hinblick auf die Ablehnung des kleinen Zehnten (Art. 2), der Leibeigenschaft (Art. 3) und der Todfallabgaben (Art. 11) ebenfalls den eher traditionellen denn revolutionären Charakter dieser Forderungen und distanziert sich von Blickles Inanspruchnahme der Zwölf Artikel als eines Programms, das in die Vorgeschichte der Entwicklung zur Demokratie und zu den Menschenrechten in der Moderne gehöre (77–98). Die das Agrarrecht betreffenden Artikel zum Jagd- und Fischereirecht (Art. 4), zur gemeindlichen Holznutzung (Art. 5), zur Neutaxierung der Pachtabgaben (Art. 8) sowie den Allmenden (Art. 10) weisen durchgängig juristische Argumentationsstrukturen auf – so David von Mayenburg. Er zeigt die große Bedeutung des Grundsatzes des Jedermannsrechtes im Text ebenso auf wie die Kenntnisse, die die Verfasser von der zeitgenössischen Rechtstheorie besaßen (99–130). Unter Berücksichtigung des Bergrechts in der Frühen Neuzeit verortet Hannes Ludyga die Forderungen bezüglich der Begrenzung der Frondienste (Art. 6 u. 7) in ihrem rechtsgeschichtlichen Kontext (131–138), während Martin Asholt die Aussagen zum Strafrecht (Art. 9) als nicht gegen die Obrigkeit gerichtet auffasst (139–159).
Zur Wirkungsgeschichte der Zwölf Artikel rekapituliert zu­nächst Michael Basse die Stellungnahme Luthers, freilich etwas freundlicher als Blickle (163–177). Sodann hellt Mathias Schmoeckel die Kritik Melanchthons am Manifest der Bauern im Licht seiner Hochschätzung des römischen Rechts und seiner Aristotelesrezeption auf (179–202). Ferner geht Ute Mennecke der Frage nach, warum Johannes Brenz in seinem Gutachten zu den Forderungen der Bauern Luthers Unterscheidung zwischen den beiden Reichen wohl theoretisch, aber kaum praktisch aufnimmt (203–221). Das von Urbanus Rhegius im März 1525 für den Memminger Rat verfasste Gutachten steht in neuer Edition im Zentrum des Beitrags von Hellmut Zschoch über den Augsburger Prediger (223–243). Weniger auf die Zwölf Artikel als vielmehr auf die allgemeine Be­wertung des Aufruhrs im Denken des altgläubigen Juristen Konrad Braun ausgerichtet ist die abschließende Studie Fabrizio Dal Veras (245–256).
Ein Buch über einen oft behandelten Gegenstand kann naturgemäß nicht durchweg Neuigkeiten bieten. Der Bonner Tagungsband führt aber auf dem neuesten Forschungsstand verlässlich in die Programmschrift der Bauern von 1525 ein.