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Ausgabe:

September/2013

Spalte:

967–968

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Bullinger, Heinrich

Titel/Untertitel:

Werke. Abt. 3: Theologische Schriften. Bd. 6: Kommentare zu den neutestamentlichen Briefen. Röm – 1Kor – 2Kor. Hrsg. v. L. Baschera.

Verlag:

Zürich: Theologischer Verlag Zürich 2013. LXXXIII, 640 S. m. CD-ROM. Lw. EUR 140,00. ISBN 978-3-290-17665-5.

Rezensent:

Stefan Michel

Die Bibel hatte für alle Reformatoren des 16. Jh.s in ihren theologischen Arbeiten einen besonderen Stellenwert. Schriftgemäße Predigt wäre ohne das Vorhandensein von Bibelausgaben, Postillen und Kommentaren nicht möglich gewesen. Zu den – auch auf lutherischer Seite – durchaus hochgeschätzten Kommentaren zählten die des Zürcher Reformators Heinrich Bullinger. 1858 ur­teilte sein Biograph Carl Pestalozzi (1815–1869): »Einfachheit und Klarheit mit vorwaltend praktischer Richtung ist der durchgängige Charakter seiner Schriftauslegung.« Die hervorragende Edition des Römerbriefkommentars (1533) sowie der Kommentare zum 1. und 2. Korintherbrief (1534, 1535), die Luca Baschera sehr zuverlässig besorgte, macht nun eine leichte Überprüfung dieser Aus­-sage möglich.
Der vorliegende Band der Bullinger Werkausgabe wird durch eine von Christian Moser verfasste »Druckgeschichte von Heinrich Bullingers Kommentaren zu den neutestamentlichen Briefen« eröffnet (XI–LVIII). Hieraus sind einerseits Bullingers kontinuierliche Arbeit an der Kommentierung der Briefe des Neuen Testaments zwischen 1532 und 1537 zu ersehen als auch andererseits die Auflagen bis 1603 mit einer gründlichen bibliographischen Be­schreibung, wozu eine Abbildung der Titelblätter gehört, kennenzulernen. Zitate aus Bullingers »Diarium« vervollständigen die Angaben.
Gehaltvoll ist die Einleitung von Luca Baschera (LVIII–LXXXIII), in der er Hinweise zu den Widmungsvorreden der drei Kommentare (an Berchtold Haller und Dionysius Melander), zum Verhältnis des Römerbriefkommentars zu Bullingers Römerbriefvorlesung von 1525 (bereits 1983 ediert in HBTS 1), zur Textgestalt der den Kommentaren beigegebenen Bibeltexte, zu Bullingers Hermeneutik, zur Struktur der Kommentare, zu den von Bullinger herangezogenen Quellen sowie zu den Editionsrichtlinien gibt. Bullin ger folgt nicht einfach dem Text der Vulgata, sondern ringt in Auseinandersetzung mit Varianten des Erasmus um eine möglichst gute lateinische Übersetzung des Bibeltextes. Für einen Re­formator nicht untypisch ist die Auseinandersetzung Bullingers mit Auslegungen der Kirchenväter. Nach gut reformatorischer Art folgt er dem Grundsatz, dass die Schrift – unter Hilfe der regula fidei – sich selbst auslege. Ziel seiner Kommentare ist es, einerseits den Sinn der Worte kurz, sorgfältig und einfach zu erklären und andererseits falsche Lehren zu widerlegen. An verschiedenen Stellen der Kommentare finden sich längere Exkurse zu theologischen Themen, deren voller Ertrag erst in der Gesamtausgabe der Kommentare zu den neutestamentlichen Briefen 1537 sichtbar wurde. Der vorliegende Band enthält z. B. die Exkurse zu Idolatrie (35–42. 326-329), Sakramentslehre (87–93.341–345.350–352) oder Kirchenzucht (275–280.284–290).
Die Edition bietet zunächst Bullingers Vorrede zur Gesamtausgabe von 1537 (2–12), die für die Hermeneutik des Zürchers von Bedeutung ist. Der Kommentar zum Römerbrief (15–226) folgt der Erstausgabe von 1533, die mit der Gesamtausgabe von 1537 verglichen wurde. Die Edition der Kommentare zu den beiden Korintherbriefen (229–464.467–591) wurde nach den gleichen Grundsätzen besorgt. Die Anlage ist sehr übersichtlich, da die Bibeltexte kursiv abgesetzt wurden. Die in den Editionsgrundlagen enthaltenen Randglossen wurden entsprechend sorgfältig umgesetzt. Originale Seitenumbrüche und Paginierungen sind nachvollziehbar. Die Lesbarkeit des Textes wurde durch übliche Normalisierung der Interpunktion und Vereinheitlichung der Lautverwendung erleichtert. Gewissenhafte Verweise auf Quellen oder Anspielungen im sachkritischen Apparat sowie einige Kommentare helfen, Bullingers Aussagen zu erschließen. Ein textkritischer Apparat macht gelegentlich auf Varianten und Abweichungen aufmerksam.
Die Benutzung des Bandes ist nicht nur durch ein vierfaches Register zu Bibelstellen, Quellen, Personen und Orten äußerst komfortabel, sondern auch durch die Beigabe einer CD-ROM, die das gesamte Buch in einer PDF-Version bietet und so eine Volltextsuche ermöglicht.
Die Benutzung dieses Bandes macht nicht nur Freude, sondern auch Lust zur Erforschung reformatorischer Bibelauslegung. Hoffentlich werden bald weitere Editionen der restlichen Kommen­tare Bullingers zu den neutestamentlichen Briefen und dann vielleicht sogar die zu den Evangelien und zur Apostelgeschichte folgen.