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Ausgabe:

September/2013

Spalte:

966–967

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Bullinger, Heinrich

Titel/Untertitel:

Werke. Abt. 3: Theologische Schriften. Bd. 5: Pastoraltheologische Schriften. Bearb. v. D. Roth.

Verlag:

Zürich: Theologischer Verlag Zürich 2009. XVI, 256 S. m. CD-ROM. Lw. EUR 92,00. ISBN 978-3-290-17460-6.

Rezensent:

Ernst Koch

Der Band enthält drei Schriften des Zürcher Antistes, die sich zwei alltäglich-lebenspraktischen Fragen widmen und von denen zwei 1535 bzw. 1540 im Druck erschienen sind. Bei ihnen handelt es sich um das Ehebüchlein von 1540 sowie den »Bericht der Kranken« von 1535. Der dritte Text des Bandes dokumentiert ein als einzig erhaltene handschriftliche Fassung überliefertes Autograph Bullingers, das ebenfalls der Frage der Ehe gewidmet ist: die »Volkommne un­derrichtung desz christlichen eestands« von 1527. Die Einleitung stellt die guten Gründe dar, die zur Aufnahme beider der Ehe gewidmeten Texte in den Band geführt haben, so einerseits die Feststellung, dass das Material der »Volkommnen underrichtung« vollständig im Druck von 1540 wiederkehrt, andererseits dass es sich bei dem Druck von 1540 um ein völlig neu gestaltetes Werk handelt, in das beispielsweise Erfahrungen aus dem Zürcher Ehegericht eingeflossen waren.
Allein die volkssprachige Fassung aller drei Texte zeigt, dass es Bullinger darum ging, die Themen, denen sie gewidmet waren, Lesern weit über den Kreis der lateinkundigen unter seinen Landsleuten hinaus vorzulegen und damit einem verbreiteten Bedürfnis nachzukommen. Im Sachgehalt der beiden behandelten Themen zeigen sich allerdings deutlich unterschiedliche Akzente. Der »Be­richt der Kranken« erweist sich als ein seelsorgerlich zentriertes Werk, das eher zur Gattung der Sterbebücher gehört, als dass es Anleitung zum therapeutischen Umgang mit der Krankheit gibt. Dem gegenüber wenden sich die beiden Schriften zur Ehe neben theologisch-eheethischen Themen detailliert auch wirtschaftlichen Fragen sowie Fragen der Haushaltsführung und der Kinderpflege, der Kleidung und Erziehung zu, eine Beobachtung, die bereits in der Bullingerforschung besprochen worden ist. Insofern sind die Ehebüchlein eine Quelle auch für Rechtsgeschichte, Volkskunde und Alltagsgeschichte.
Die Edition des frühen Textes von 1527 legt aus sprachlichen Gründen und im Hinblick auf interdisziplinäre Überlegungen ein spezielles Gewicht auf Worterklärungen. Für Sacherklärungen konnte auf die seit 2004 vorliegende Werkausgabe von Bullingers Werken hingewiesen werden, die auch die Kranken-Schrift in einer heutigem Deutsch entsprechenden Fassung enthält.
Ohne Zweifel wäre es reizvoll, Texte gleicher Thematik aus der frühen Wittenberger Reformation mit den Ausführungen Bullingers zu vergleichen. Wenn nicht alles täuscht, zeigen die frühen Sermone Luthers auf den ersten Blick stärkere theologische Akzentuierungen als die Zürcher Texte. Der Gewinn der nun vorliegenden Schriften Bullingers zu Ehe und Krankenseelsorge für künftige vergleichende Forschung liegt auf der Hand.