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Ausgabe:

September/2013

Spalte:

961–963

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Stephens, Mark B.

Titel/Untertitel:

Annihilation or Renewal? The Meaning and Function of New Creation in the Book of Revelation.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2011. XI, 343 S. = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament. 2. Reihe, 307. Kart. EUR 79,00. ISBN 978-3-16-150838-7.

Rezensent:

Franz Tóth

Die Studie von Mark B. Stephens ist seine unter der Leitung von Chris Forbes und Paul Barnett 2009 am Department of Ancient History of Macquarie University eingereichte, leicht überarbeitete Dissertation, die nach Bedeutung und Funktion der Rede von der Neuschöpfung in der Johannesapokalypse fragt. Ziel der Arbeit ist es zu klären, ob die Johannesoffenbarung die Rede von der Neuschöpfung – eine in der Forschung immer wieder gern aufgeworfene Frage – eher unter dem Aspekt der Diskontinuität oder der Kontinuität zur alten Schöpfung thematisiert. Zugleich will S. auch nach der rhetorischen Funktion der Neuschöpfung in der Apk fragen, so dass eben nicht nur isolierte Textpassagen analysiert werden, vielmehr im Sinne einer »holistic analysis« (8) das Ganze der Apk vor dem Hintergrund der speziellen Fragestellung beleuchtet wird. Flankiert wird die Analyse durch eine eingehende Untersuchung relevanter biblischer und frühjüdischer Texte, die ebenfalls neu gewichtet werden. Gegenüber dem zugegebenermaßen etwas knappen Forschungsbericht (3–8) – so wird z. B. die Arbeit von David Mathewson, A New Heaven and A New Earth, JSNTSup 238, lediglich im Fußnotenapparat erwähnt – ist damit das Proprium der vorliegenden Studie klar umrissen. Die profilierte und für moderne Forscher durchaus interessante Fragestellung (vgl. jetzt die umfassende Monographie von Andrew Chester, WUNT 293) enthält freilich auch ein heuristisches Risiko. S. räumt selbst ein, »that Revelation was not written to address such concerns. It neither intends to, nor does it provide, a systematic set of answers to our various eschatological questions.« (2) Entsprechend umsichtig sucht S. die biblischen und frühjüdischen Textzeugnisse auszuleuchten und die durchaus divergenten Aspekte zu benennen.
Methodisch greift S. für seinen »holistic approach« (11) auf rhetorische und narrative Analyseschritte zurück, die in wohltuender Kürze präsentiert (13–18) werden, bevor dann eine Untersuchung relevanter Texte des Alten Testaments (19–45), der frühjüdischen Apokalyptik (46–116), der frühchristlichen Schriften (117–140) und speziell der Johannesapokalypse (141–257) geboten wird. Abgerundet wird die Studie durch drei Appendizes, die zur Klärung be­stimmter biblischer Wortfelder (Natur, Schöpfung, Erlösung, Eden und Tempel) dienen sollen.
Das Schlüsselwort bārā’ in den eschatologischen Reden Jes 65, 17–25 – ein für Apk 21 wichtiger Prätext – impliziert nach S. keinen se­man­tischen Zusammenhang mit der Vorstellung einer Neuschöpfung ex nihilo (26), vielmehr gehe es um eine grundlegende Transformation der bestehenden Schöpfung: »This is a consummation of history, not a denial of it.« (29) Auch in Ez 47,1–12 herrscht die Vorstellung von »environmental healing not environmental replacement« (33). Zwar scheinen Zerstörungsschilderungen von globalem Ausmaß wie z. B. Jes 24–27 eine völlige Auflösung der Schöpfung nahezulegen, S. deutet diese Stellen mit D. Brent Sandy jedoch als hyperbolischen Stil, um aber zugleich anzumerken, dass ein einseitiger metaphorischer Auslegungsansatz ebenfalls irreführend sei (41 f.). Damit berührt S. ein hermeneutisches Kernproblem, nämlich wie denn nun genau das Reden von Zerstörung und Neu-Schöpfung objektsprachlich zu fassen ist – ein kritischer Punkt, den S. leider nicht weiter vertieft (auch auf S. 219–226 kommt S. nicht über eine Problemanzeige hinaus). Hermeneutisch bleibt so die Arbeit hinter ihren Möglichkeiten zurück. In den frühjü­dischen Apokalypsetexten lässt sich naturgemäß eine stark von biblischen Traditionen geprägte breite Palette verschiedener es­cha­tologischer Entwürfe feststellen, wobei die landläufig eher negative Vorstellung über frühjüdische Apokalypsen (Pessimisus, Jenseitshoffnung mit der Erwartung völliger Zerstörung der ge­genwärtigen Schöpfung) nach S. zu revidieren ist (116). Im darauf folgenden Kapitel stellt S. in zwei längeren exegetischen Durchgängen Röm 8,19–22 und 2Petr 3,5–13 gegenüber, ohne diese zwanghaft harmonisieren zu wollen. Im zentralen Hauptteil der Arbeit referiert S. zunächst den soziologischen Hintergrund der Johannesoffenbarung unter Einbeziehung des in der Forschung verbreiteten »revisionistischen« Modells, wonach nicht mehr von einer allgemeinen Verfolgungssituation für Christen auszugehen ist, vielmehr von einer rhetorischen Situation, auf die der Autor der Johannesapokalypse mit diversen rhetorischen Strategien antwortet, um die Adressaten für seine Sache zu gewinnen. Die Rekonstruktion der Makrostruktur orientiert sich an der wiederkehrenden Schlüsselwendung ἐν πνεύματι (164–166), wobei die Beobachtung, mit Apk 16 würde eine deutliche Zäsur einsetzen, so dass »the remaining content of the story is singularly focused on the very final stages of judgement and the complete realization of eschatological sal­-vation« (168) eher von nicht begründeten inhaltlichen Erwägungen geleitet ist und am Text freilich schwerlich einen Anhalt findet. Bevor in eine Analyse von Apk 21 f. eingestiegen wird, bietet S. einen wichtigen Durchgang durch schöpfungstheologisch relevante Texte der Johannesoffenbarung, so insbesondere zu Apk 4–5, ferner 11,15–19, 3,14, 14,6–17 und 19,2. Für Apk 4–5, ein wichtiger Be­zugstext für Apk 21 f., zeigt sich, »that no element of creation is ab­andoned«, mit anderen Worten: »a frustrated creation is liberated to become what it was always intended to be« (190). Auf der Basis dieser durchaus einleuchtenden Beobachtung widmet sich S. so­dann einer eingehenderen Analyse von Apk 21f . Das Vergehen von Himmel und Erde wird, wie auch in Apk 20,11, als Theophanieschilderung interpretiert, so dass eine völlige Auflösung bestehender Schöpfungsordnung nicht im Blick sei (230 f.), vielmehr die Rede von der Neuschöpfung als Transformationsprozess zu be­greifen sei, indem die Schöpfung durch einen Gerichtsprozess von allem Widergöttlichen befreit und eschatologisch in die bereits in Apk 4,11 angekündigte Neuordnung überführt wird. »The overall message is that creation is not to be left behind, so much as taken up to a qualitatively higher plane, where its original goals and purposes are realised in surpassing measure.« (256)
Die als Appendizes – etwas lose – angehängten Begriffsuntersuchungen bieten eine knappe Einführung in zentrale Wortfelder biblischer Theologie. Während Appendix 1 den Begriff »Natur« in der hebräischen Bibel zu definieren sucht und Appendix 2 – durchaus erhellend – dem Schöpfungsmotiv im Sintflut- und Exodusbericht nachgeht, konzentriert sich Appendix 3 auf die religions­-geschichtlichen und thematischen Querverbindungen zwischen »Schöpfung«, »Eden« und »Tempel«.
Zur Frage nach der Schöpfungstheologie in der Johannesoffenbarung und der Problematik von Kontinuität und Diskontinuität der Schöpfungsordnung in biblischen und frühjüdischen Texten leistet die Arbeit von S. durchaus einen ertragreichen und weiterführenden Beitrag, wenn auch die künftige Forschung eine differenzierte Dis­kussion zur hermeneutischen Durchdringung der reichen Bildersprache über Zerstörung und Neuschöpfung noch zu leisten hat.