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Ausgabe:

April/1996

Spalte:

409–411

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Kriewitz, Jörg

Titel/Untertitel:

Die Errichtung theologischer Hochschuleinrichtungen durch den Staat.

Verlag:

Tübingen: Mohr 1992. XIX, 199 S. gr. 8o = Jus Ecclesiasticum, 42. Lw. DM 58,­. ISBN 3-16-145840-0.

Rezensent:

Joachim E. Christoph

Die Theologischen Fakultäten an den staatlichen Universitäten gehören in rechtlicher Hinsicht zu den sog. ’gemeinsamen Angelegenheiten’ von Staat und Kirche. Das Kirchenrecht der respektiven Religionsgemeinschaft, das Staatskirchenrecht und das Hochschulrecht sowohl des Bundes wie der Länder und schließlich das Vertragsstaatskirchenrecht in Gestalt der Kirchenverträge und Konkordate müssen herangezogen werden, wenn Rechtsfragen dieser Fakultäten bzw. Fachbereiche geklärt werden sollen. Nach den grundlegenden Arbeiten von Solte (Theologie an der Universität, München 1971) und M. Heckel (Die theologischen Fakultäten im weltlichen Verfassungsstaat, Tübingen 1986) hat der Rechtsstreit zwischen dem Bischof von Limburg und dem Land Hessen über die Einrichtung eines Diplomstudienganges "Katholische Theologie" an der Universität Frankfurt a. M. die Ausarbeitung von drei einschlägigen Monographien hervorgerufen. Neben den Untersuchungen von M. Heckel (Organisationsstrukturen der Theologie in der Universität, Berlin 1987) und Kirste (Der Diplomstudiengang Katholische Theologie an der Universität in Frankfurt, Münster u. a. 1988) ist die hier anzuzeigende Arbeit von K. zu nennen. Die von M. Heckel betreute Dissertation wurde im Wintersemester 1988/89 von der Juristischen Fakultät zu Tübingen als Doktorarbeit angenommen und 1992 in teilweise aktualisierter Form als Buch veröffentlicht.

Anlaß für den sich bereits im zweiten Verfahrensdurchgang befindenden Prozeß ist die Rechtsfrage, ob gegen den erklärten Willen des zuständigen röm.-kath. Ortsbischofs, in dessen Diözese die kircheneigene Philosophisch-Theologische Hochschule St. Georgen gelegen ist, ein Diplomstudiengang für Volltheologen an dem seit 1971 bestehenden Fachbereich "Religionswissenschaften" eingerichtet werden durfte, in dem bis dahin nur Religionslehrer in zwei geteilten "Betriebseinheiten" für evangelische und katholische Theologie ausgebildet worden waren. Nachdem der Bischof mit seiner Klage in zweiter Instanz vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) Kassel ein obsiegendes, allerdings nicht rechtskräftiges Urteil erstritten hatte (NVwZ 1988, 850 = ZevKR 33 [1988] 79), verfügte das zuständige Ministerium durch Erlaß die Bildung von zwei eigenständigen Fachbereichen Evangelische und Katholische Theologie. Mit einem weiteren Erlaß, gegen den sich der Bischof jetzt im zweiten Verfahrensdurchgang wendet, stimmte das Ministerium u. a. der Einführung des Diplomstudienganges "Katholische Theologie" im jetzt zuständigen Fachbereich durch die beigeladene Universität zu, erhob gegen die angezeigte Studienordnung keine Bedenken und genehmigte die von der Beigeladenen vorgelegte Diplomprüfungsordnung.

Die angesichts dieses Rechtsstreites angefertigte Arbeit von K. behandelt mehr, als der Titel "Die Errichtung theologischer Hochschuleinrichtungen durch den Staat" vermuten läßt. Nach einer knappen Einleitung zeichnet der Vf. in einem 1. Abschnitt die Geschichte der Neugründungen theologischer Fakultäten im 19. und 20. Jh. nach (2-20), die ­ wie die Beispiele der Kath.-theol. Fakultäten zu Marburg und Gießen zeigen ­ gegen den Willen der röm.-kath. Kirche in Deutschland bisher nie erfolgreich waren.

In den folgenden Abschnitten werden die Kompetenz des Staates zur Errichtung theologischer Fachbereiche und Studiengänge auch gegen den kirchlichen Widerstand (21-64), die Einrichtung theologischer Fachbereiche und Studiengänge (65-86), einzelne organisationsrechtliche Fragen (87-106), die Bedeutung der Fachbereichsorganisation für die theologische Wissenschaft (107-133), die Errichtung ökumenischer Hochschuleinrichtungen (134-148), die kirchliche Mitwirkung in bekenntnisrelevanten Angelegenheiten (149-166), die Verleihung theologischer akademischer Abschlüsse und Grade (167-177) und schließlich die Beteiligung der Kirchen bei der Planung theologischer Hochschuleinrichtungen (178-181) behandelt. Ein knappes Schlußwort sowie ein Literaturverzeichnis und ein Sachregister runden die sprachlich ansprechend geschriebene Dissertation ab.

In verfassungsrechtlicher Sicht gehört es einerseits zu den eigenen Angelegenheiten jeder Kirche, ihren theologischen Nachwuchs in eigenen Seminaren oder Hochschulen auszubilden und zu prüfen. Das Grundgesetz gewährleistet dieses durch das weit auszulegende Grundrecht der Religionsfreiheit, Art. 4 I und II GG, und die Garantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 III WRV. Andererseits unterhält der heute religiös-weltanschaulich neutrale Staat auf Grund seiner umfassenden Kulturverantwortung, Art. 5 III GG, Theologische Fakultäten, im Gegensatz zum sog. ’christlichen’ Staat vergangener Jahrhunderte, der damals aus seiner cura religionis handelte. Staat und Kirche müssen deshalb im Sinne einer Konkordanz, eines schonenden Ausgleichs zusammenwirken, wenn an staatlichen Universitäten bekenntnisgebundene Lehre und Forschung in Theologischen Fakultäten betrieben werden soll, ohne daß die eine Seite die Rechte der anderen beeinträchtigt und verletzt.

Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund prüft K. die jeweiligen Materien der ’gemeinsamen Angelegenheit’ Theologische Fakultät (Errichtung der Fachbereiche, Einrichtung von Studiengängen, Berufung des Lehrkörpers usw.) daraufhin durch, wo und in welcher Reichweite geistliche und weltliche Belange jeweils zum Zuge kommen müssen. Konsequent lehnt der Vf. die Lehre von einem Kondominium von Staat und Kirche in diesen Fakultäten ab (26). Angesichts der hier besonders interessierenden Frage einer einseitigen staatlichen Errichtungshoheit für Theologische Fakultäten bzw. der Einrichtung bestimmter Studiengänge verneint der Vf. ein kirchliches Zustimmungserfordernis auf Grund des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts und der Religionsfreiheit (23 ff., 48ff.). Das Prinzip der Trennung von Staat und Kirche, das Neutralitätsprinzip und eine vermeintliche staatliche Pflicht zur Koordination führten zu keinem anderen Ergebnis (50 ff.). Jedoch sei eine einvernehmliche, vertragliche Regelung aller in Rede stehenden Sachprobleme durch Staat und Kirche, also durch Kirchenvertrag bzw. Konkordat, vorzuziehen, weil auf diese Weise am ehesten ein gegenseitiger Interessenausgleich möglich sei (61 f.). Wenn aber ­ wie in Hessen ­ die bestehenden vertragsstaatskirchenrechtlichen Bestimmungen Neueinführungen von Studiengängen nicht umfaßten, dürfe der Staat auch einseitig gegen den Willen der Kirche von seiner hochschulrechtlichen Organisationsgewalt Gebrauch machen (62 und 182).

Dieses Ergebnis löst beim Vf. "ein nicht geringes Unbehagen" aus (62). Zugespitzt formuliert bedeutet es, daß der Staat zwar ein wohlausgestattetes ’Geisterschloߒ errichten und einrichten kann, das aber nicht mit Leben gefüllt wird. Die Studenten bleiben aus, weil der zuständige Ortsbischof die dort verbrachten Studienzeiten und -leistungen nicht anerkennt.

Diesen Sachverhalt hat der VGH Kassel in seiner zweiten, wiederum für den Bischof erfolgreichen Entscheidung in juristischer Diktion so formuliert, daß das kirchliche Selbstbestimmungsrecht "durch einen ministeriellen Erlaß verletzt (wird), durch den ein bereits ohne Einwilligung der Kirche betriebener Diplomstudiengang ’Katholische Theologie’ an einer staatlichen Universität sanktioniert werden soll, indem dem Studiengang zugestimmt und eine Diplomprüfungsordnung genehmigt wird sowie keine Bedenken gegen die Studienordnung erhoben werden" (NVwZ 1995, 505). Da gegen dieses Urteil Revision eingelegt worden ist, werden sich zumindest das Bundesverwaltungsgericht und wohl auch noch das Bundesverfassungsgericht mit diesen Fragen beschäftigen müssen.

In der ’alten’ Bundesrepublik waren die rechtlichen Aspekte der ’gemeinsamen Angelegenheit’ Theologische Fakultäten nur unzureichend vertragsstaatskirchenrechtlich geregelt. Die Dissertation von K. und der Rechtsstreit um die Einrichtung eines Diplomstudienganges "Katholische Theologie" in Frankfurt a. M. zeigen, wie schwer es ist, die Mitwirkungsrechte der Kirchen an diesen staatlichen Einrichtungen zu bestimmen. Diese Erfahrungen sind in die Verhandlungen bei dem Abschluß der evangelischen Kirchenverträge in den neuen Bundesländern eingegangen, so daß heute in allen vier Verträgen einschlägige Regelungen aufgenommen worden sind (Art. 4 I-III KV Mecklenburg-Vorpommern, Art. 3 I-III KV Sachsen, Art. 3 I-III KV Sachsen-Anhalt und Art. 3 I-III KV Thüringen). Da diese Bestimmungen aber nicht alle Sachbereiche abdecken, wird man auch hier wie in den alten Ländern auf die wohlinformierende Arbeit von K. in Zukunft zurückgreifen müssen, wenn Rechtsfragen der Theologenfakultäten geklärt werden sollen. Dies gilt um so mehr für Neuland, wenn ­ wie an der Universität zu München ­ eine Ausbildungseinrichtung für Orthodoxe Theologie geschaffen werden soll.