Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

April/1996

Spalte:

408 f

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Campenhausen, Axel Freiherr von u. Gernot Wiessner

Titel/Untertitel:

Kirchenrecht –­ Religionswissenschaft.

Verlag:

Stuttgart: Kohlhammer 1994. 178 S. 8o = Urban-Taschenbücher 430, 1. Grundkurs Theologie,10, 1. Kart. DM 32,­. ISBN 3-17-012691-1.

Rezensent:

Jörg Winter

Der auf 10 Bände angelegte Grundkurs Theologie will einen umfassenden, allgemein verständlichen Einblick in die Probleme und Aufgabenstellungen geben, die sich für die wissenschaftliche Theologie heute ergeben. Der Band 10,1 enthält die in keinem inneren Zusammenhang stehenden Beiträge der in Göttingen lehrenden Autoren Axel Freiherr von Campenhausen zum Kirchenrecht und Gernot Wiessner zur Religionswissenschaft. Das zweite Thema umfaßt dabei etwa die doppelte Länge des ersten.

Im kirchenrechtlichen Teil gibt von Campenhausen zunächst einen Überblick über die rechtstheologischen und geschichtlichen Grundlagen des evangelischen Kirchenrechts. Er arbeitet dabei die Unterschiede zum Verständnis des Kirchenrechts in der römisch-katholischen Kirche heraus und stellt mit knappen Strichen die nach dem zweiten Weltkrieg vorgelegten rechtstheologischen Entwürfe von Johannes Heckel und Erik Wolf vor. Ein Kapitel über die Typen evangelischer Kirchenverfassungen schließt sich an. Hier werden insbesondere die Grundsätze der Leitung der Kirche in geistlich-rechtlicher Einheit und des Zusammenwirkens der verschiedenen Leitungsorgane (Bischof, Synode, Kirchenverwaltung) gewürdigt, wie sie in der Grundordnung der Evangelischen Landeskirche in Baden richtungweisend formuliert worden sind. Im folgenden Abschnitt werden die Grundzüge des Pfarrerdienstrechtes und einige Einzelfragen (Ordination, Versetzung, Disziplinarrecht, Lehrbeanstandung) abgehandelt, bevor sich der Autor dem kirchlichen Dienst- und Arbeitsrecht für privatrechtlich angestellte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zuwendet. In einem kurzen Abschnitt über das jus liturgicum finden sich kritische Bemerkungen über Erprobungsgesetze und Experimentierklauseln im Agendenrecht. Der kirchenrechtliche Teil schließt mit Ausführungen über die kirchlichen Amtshandlungen und die Kirchenzucht sowie über die Diakonie. Religionsfreiheit, Trennung von Staat und Kirche, Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften, Kirchenmitgliedschaft und Kirchensteuerrecht sind die Stichworte, die im Kapitel über das Staatskirchenrecht angesprochen werden. Die in das Grundgesetz übernommenen Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung sind im Anhang abgedruckt.

Im religionswissenschaftlichen Teil konzentriert sich Wiessner darauf, die Verschränkung der religionswissenschaftlichen Forschung mit der Entwicklung der erkenntnistheoretischen Fragestellung in der europäischen Philosophie darzustellen. Er schlägt dabei einen großen Bogen von der Geistesgeschichte der griechischen Antike über die Rolle der Philosophie der Aufklärung bei der Entwicklung der Religionswissenschaft bis hin zur Religionswissenschaft im 19. und 20. Jh. Am Ende werden Themen der Religionswissenschaft in der Gegenwart erörtert. Neben den erkenntnistheoretischen Fragestellungen zieht sich wie ein roter Faden das Problem durch die Darstellung, ob Religionswissenschaft als explizite Negation oder als Rechtfertigung religiöser Phänomene betrieben wird. Als wesentliche Aufgabe heutiger Religionswissenschaft sieht es der Autor unter anderem an, zu einer systematischen Ordnung des gesamten religionshistorischen und religionsethnologischen Materials zu kommen.

Gemessen an dem Anspruch, eine allgemein verständliche Darstellung zu geben, gilt für beide Beiträge, daß sie diesem nicht in vollem Umfange gerecht werden. Für den Unkundigen können sie nicht mehr sein als eine erste Einführung, deren Wert sich erst im Zusammenhang mit weiterem Literaturstudium ergibt. Die umfangreichen Literaturhinweise zu den einzelnen Abschnitten bieten dafür eine hervorragende Grundlage. Für den kundigen Leser bietet sich der Band als kurzgefaßte Wiederholung an ­ zum Beispiel zur Vorbereitung auf ein Examen.