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Ausgabe:

September/2013

Spalte:

939

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Moser, Christian

Titel/Untertitel:

Umstrittene Prophetie. Die exegetisch-theologische Diskussion um die Inhomogenität des Jesajabuches von 1780 bis 1900.

Verlag:

Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Theologie 2012. 126 S. = Biblisch-Theologische Studien, 128. Kart. EUR 22,99. ISBN 978-3-7887-2578-5.

Rezensent:

Ulrich Berges

Es gibt kleine und zugleich wichtige Bücher: Die Monographie von Christian Moser, Oberassistent am Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte an der Universität Zürich, gehört zu dieser Gattung höchst willkommener Druckerzeugnisse! In meines Wissens bisher unerreichter Fülle stellt er die exegetisch-theolo­gische Diskussion um die Uneinheitlichkeit des Buches Jesaja in der Zeit von 1780 bis 1900 vor. Dabei zeigt er auf, dass es nicht ein genialer Geist gewesen ist, der die über zwei Jahrtausende gültige Lehrmeinung von der Homogenität des Jesajabuches aus den Angeln hob, sondern dass sich eine ganze Reihe von Gelehrten in einer Art Forschungswelle zu der neuen Sichtweise auf dieses Prophetenbuch durchrangen. Dabei lässt der Vf. nicht nur die Befürworter der neuen Richtung, d. h. der Inhomogenität zu Wort kommen, sondern auch diejenigen, die dieser Neuerung skeptisch und ablehnend gegenüberstanden. So beugt er der irrigen Ansicht vor, es habe sich um ein geradliniges Entwicklungsmodell gehandelt, »das vom tiefen Dunkel der vorkritischen Exegese in das helle Licht der modernen Bibelwissenschaft führt« (7). Nach kurzen einleitenden Seiten (7–9) werden im zweiten Kapitel (10–59) die entscheidenden Stationen der Jesaja-Forschung in der Neuzeit vorgestellt: »vom Verdacht zur These« (10–42) und »von der These zum Paradigma« (42–59). Dabei kommen Exegeten wie Koppe, Döderlein und Eichhorn zu Wort und dies dergestalt, dass lange Passagen wörtlicher Zitate in den Anmerkungen nachzulesen sind. U.a. lernt man, dass Friedrich Wilhelm Carl Umbreit der Erste war, der explizit von protojesajanischen und deuterojesajanischen Weissagungen sprach. Im dritten Kapitel (60–88) nimmt der Vf. das Anliegen derer auf, die den Verfechtern der neuen Richtung mit scharfer Kritik begegneten (u. a. Drechsler, Jahn, Hengstenberg, Keil). Ge­-rade die messianischen Weissagungen in Gestalt der Gottesknechtslieder, die Leiden und Tod Jesu Christi im Voraus bezeugten, würden die Autorschaft des Propheten Jesaja erfordern und ga­rantieren. Echtheit und Authentizität müsse man immer zu­sam­men im Blick behalten!
Die weitere Entwicklung separierte aber beide Problemfelder und betonte, Jes 40 ff. seien zwar nicht authentisch jesajanische, aber dennoch echte, inspirierte Prophetien. Das vierte Kapitel (89–98) widmet sich dem Einfluss von Bernhard Duhm, der in seinem Kommentar zu Jesaja aus dem Jahre 1892 mit der Einführung von Tritojesaja als Autor von Jes 56–66 die weiteren Weichen der Jesajaforschung stellen sollte. Dieses Kapitel bricht ein wenig abrupt ab, wohl nicht nur, weil mit Duhm die zeitliche Grenze um 1900 erreicht ist, sondern weil nun auch stärker exegetische Fragen in Betracht gezogen werden müssten. Nach dem kurzen Resümee (99–101) folgen die Biogramme von über 70 Exegeten, die in diesem Aufriss der Forschungsgeschichte genannt wurden (102–121). Diese Daten sind ungemein hilfreich für die Leser dieser Publikation, wofür der Rezensent dem Vf. ausdrücklich danken möchte.