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Ausgabe:

September/2013

Spalte:

930–931

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Phillips, David L.

Titel/Untertitel:

From Bullets to Ballots. Violent Muslim Movements in Transition.

Verlag:

New Brunswick: Transaction Publi­-shers 2009. X, 239 S. Geb. £ 44,95. ISBN 978-1-4128-0795-1.

Rezensent:

Friedmann Eißler

Der anzuzeigende Band des damaligen Gastdozenten, jetzt Direktors des Menschenrechtsinstituts (ISHR) der Columbia University David L. Phillips beschreibt extremistische islamische Bewegungen in unterschiedlichen Stadien ihres Entwicklungsprozesses zwischen radikaler Gewaltanwendung und friedlichem politischem Engagement. In sechs jeweils ähnlich aufgebauten Kapiteln werden die ägyptische Muslimbruderschaft, Hisbollah, Hamas, die Kurdische Arbeiterpartei (PKK), die Bewegung Freies Aceh (GAM) sowie die Befreiungsfront für Jammu und Kaschmir (JKLF) behandelt. Hauptkriterium für die exemplarische Aufnahme einer Bewegung in diesen Band ist eine erkennbare interne Debatte über die Entwicklung von der Waffe zur Wahlurne. Die Unterkapitel sind mit geringen Unterschieden in der Gewichtung und Anordnung den Themen Geschichte, Ideologie, Struktur und Führerschaft, Finanzierung, Umgang mit Wahlen, Eskalation, inter-nationale Akteure sowie »Der Weg nach vorne« (strategische Über­legungen und Ratschläge zum Umgang mit der betreffenden Gruppe) gewidmet. Ein siebtes Kapitel beinhaltet Schlussfolgerungen.
Die Themenstellung weckt angesichts der enormen Umwälzungen in der islamischen Welt hohe Erwartungen. Auch wenn einzuräumen ist, dass die jüngsten Entwicklungen den Sachstand des Buches vielfach überholt haben, hätte man sich doch tiefergehende Analysen der Faktoren und möglichen Strukturen des komplexen und überaus bedeutsamen Wandels von der Gewalt zur konstruktiven Politik gewünscht. Die Fallstudien bieten allerdings in ihren Sachteilen weitestgehend kaum mehr als das, was in allgemein zugänglichen Internetartikeln zu den jeweiligen Gruppen zu finden ist. Personen werden nicht ausführlich eingeführt, politische Entscheidungen nur oberflächlich in ihren historischen, sozialen und kulturellen Kontexten dargestellt, religiöse Differenzierungen vor allem im Blick auf den Islam nur sehr pragmatisch wahrgenommen. Zur »Analyse« ideologischer Zusam-men­hänge wird schon einmal auf Interviews mit Literaten zurück-gegriffen (Elie Wiesel: »Hezbollah is Iran«, 57). Im ersten Kapitel sind ca. 80 % der Belege aus Zeitungen und Magazinen entnommen, von den restlichen Anmerkungen bezieht sich ein Teil auf politische Statements oder Sicherheitsdokumente. In den anderen Kapiteln sieht es kaum anders aus. So geht es auf der Grundlage von Resolutionen, Strategiepapieren und Dokumenten aus Si-cherheitskreisen kaum um Forschung und Analyse, sondern im Wesentlichen um politisch-strategische Beratung. Deutlich wird dies auch in den Schlussfolgerungen, die zur Beförderung des gewünschten Übergangs vom militanten Islamismus zum berechenbaren politischen Akteur ein je unterschiedlich gewichtetes Zusammenspiel von »Konfrontation, Zwang und Kooperation« empfehlen. Die Perspektive ist ausschließlich die US-amerika-nischer Außen- und Sicherheitspolitik (und zwar der Bush-Ära).
Fazit: Das Ganze mutet wie eine Zusammenfassung von Lektionen aus Schulungen für US-Politiker, Militärs und Sicherheitsbeamten in Buchform an. Über den (überlegenen) Standpunkt, den die USA dabei einnehmen, und damit verbundene psychologische Befindlichkeiten gibt der Band reichlich und instruktiv Auskunft.