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Ausgabe:

April/1996

Spalte:

406–408

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Aymans, Winfried

Titel/Untertitel:

Kirchenrechtliche Beiträge zur Ekklesiologie.

Verlag:

Berlin: Duncker & Humblot 1995. VIII, 383 S. gr.8o = Kanonistische Studien und Texte, 42. Kart. DM 148,­. ISBN 3-428-08252-4.

Rezensent:

Reinhold Sebott

In dem vorliegenden Buch sind 15 Beiträge vereinigt, die alle bereits einzeln vorher erschienen waren. Auf einige von ihnen möchte ich etwas näher eingehen.

Der Aufsatz über das Volk Gottes und den Leib Christi in der Communio-Struktur der Kirche (1-15) benennt drei Grundprinzipien, nach denen die Kirchenverfassung gebaut ist: Die Kirche ist Communio, insofern sie sichtbare Gemeinschaft des unsichtbaren Heilswirkens Gottes ist. Sie ist Communio hierarchica, insofern für den Vollzug der kirchlichen Sendung in Wort und Sakrament die Wirksamkeit des mit heiliger Vollmacht ausgestatteten geistlichen Dienstes konstitutiv ist. Die Kirche ist Communio Ecclesiarum, insofern die Gesamtkirche in und aus Teilkirchen besteht. In der Überlegung, welche der kanonistischen Lehre von der Kirchengliedschaft im Lichte des II. Vatikanischen Konzils gewidmet ist (63-86), kommt A. zu dem Schluß, daß das II. Vatikanische Konzil die Frage der Kirchengliedschaft, obwohl sie nicht zu einem ausdrücklichen Konzilsthema geworden ist, in einer umfassenden Synthese fortentwickelt hat.

Das Konzil hat die theologische Linie der Kanonistik bekräftigt, hat die in der Apologetik entwickelten Elemente der Kirchenzugehörigkeit dadurch in ein neues Licht gestellt, daß sie als die Bedingungen der vollen Kirchengemeinschaft erscheinen, und hat schließlich eine differenzierte positive Würdigung der kirchlichen Existenz der nichtkatholischen Christen unternommen. In dem Artikel über die apostolische Autorität im Volke Gottes (87-107) unterstreicht A. vor allem den Grund (und die unangefochtene Zukunft) dieser Vollmacht. Apostolische Autorität und ihr Instrument, die geistliche Vollmacht, sind konstitutive Strukturelemente der Kirche. Sie widerstehen ebenso einem rein charismatischen wie einem orakelhaft-magischen Mißverständnis der Kirche. Apostolische Autorität und geistliche Vollmacht sind darauf angelegt, die Authentizität der kirchlichen Sendung in Wort und Sakrament auf Dauer zu sichern.

Der Frage nach der oberhirtlichen Gewalt geht ein weiterer Beitrag nach (129-168). Auf der einen Seite steht hier die Kirchengewalt (sacra potestas), auf der andern Seite stehen Konsoziativgewalt (unterschieden in Verbandsgewalt und Vereinsgewalt), Dominativgewalt und Hausgewalt. Zwischenruf des Rezensenten: Der Vorschlag (vgl. S. 148 A. 53), für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens den Oberbegriff "kanonischer Lebensverband" einzuführen, dürfte keinen Erfolg haben. Man wird wohl bei dem Oberbegriff "Orden" (Ordensleben, Ordensstand, Ordensleute) bleiben müssen. Der Begriff "Orden" wird dann allerdings zweifach verwandt: einmal als Oberbegriff, dann als Gegenbegriff zu "Kongregation". ­ Ist die Synodalität eine ordentliche oder eine außerordentliche Leitungsform in der Kirche? Mit dieser Frage beschäftigt sich ein weiterer Aufsatz (169-192). Fazit: Die anstehende Frage kann nicht einheitlich beantwortet werden. Die Antwort hängt allein von der diesbezüglichen Ausgestaltung des positiven Rechts ab. In dem Maße, in dem das regelmäßige Zusammentreten gefordert und Zuständigkeiten von Rechts wegen übertragen sind, muß von ordentlicher Leitungsform gesprochen werden. Dem konsoziativen Element in der Kirche ist eine der folgenden Überlegungen gewidmet (239-271). A. bestimmt das konsoziative Element durch zwei Grundgedanken: durch die Autonomie und durch die kirchliche Einbindung. Autonomie wird hier (entgegen dem sonstigen Sprachgebrauch) relativ verstanden: Autonomie setzt den Bezug auf ein Rechtssystem voraus. Kirchliche Vereinigungen besitzen Autonomie im Rahmen des kanonischen Rechts.

Ein weiterer Artikel beschäftigt sich mit dem Projekt einer Lex Ecclesiae Fundamentalis (303-319). Der Beitrag wurde 1980 verfaßt, als noch nicht feststand, daß das Grundgesetz der Kirche schließlich (wegen der weltweit harschen Kritik an ihm) scheitern würde. A. ist der Meinung, daß ein Grundgesetz der Kirche nicht nur nützlich, sondern sogar äußerst wünschenswert ist. "Erst die Schaffung eines Grundgesetzes für die Gesamtkirche versetzt in die Lage, zu einer dezentralisierten Rechtsentwicklung in der Kirche beizutragen. Dies entspricht in mehrfacher Hinsicht den Anliegen, von denen sich die konziliare Ekklesiologie hat leiten lassen" (311). Der letzte Aufsatz des vorliegenden Buches beschäftigt sich mit der wissenschaftlichen Methode der Kanonistik (351-370). Grob gesagt, gibt es zur Zeit vier verschiedene Auffassungen: Die Kanonistik ist eine juristische Disziplin mit juristischer Methode (1); sie ist eine theologische Disziplin mit theologischer Methode (2); sie ist eine theologische Disziplin mit juristischer Methode (3); sie ist eine theologische und juristische Disziplin mit theologischer und mit juristischer Methode (4). A. bringt seine Auffassung auf folgende Formel: "Die Kanonistik ist eine theologische Disziplin, die gemäß den Bedingungen ihrer theologischen Erkenntnisse mit juristischer Methode arbeitet" (370).

Ein Nachweisverzeichnis für die 15 Artikel und ein Quellenregister schließen dieses nützliche Buch ab.