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Ausgabe:

September/2013

Spalte:

921–924

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Assmann, Jan, u. Harald Strohm [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Echnaton und Zarathustra. Zur Genese und Dynamik des Monotheismus.

Verlag:

Paderborn: Wilhelm Fink 2012. 312 S. = Lindauer Symposien für Religionsforschung, 3. Kart. EUR 39,90. ISBN 9783-7705-5349-5.

Rezensent:

Martin Rösel

Der Sammelband geht zurück auf ein Symposion, bei dem es um die Frage nach der Entstehung von religiösem Antagonismus ging. In einer knappen »Einführung« (12 f.) stellt Jan Assmann das Projekt »Echnaton und Zarathustra« vor, bei dem die Phänomene von Abwendung und Abgrenzung vor allem an den Stifterfiguren deutlich gemacht werden soll, die in »Rückerinnerung und Selbstbeschreibung der neuen Religionen« eine besondere Rolle spielen; daher im Titel der Verweis auf prototypische Ahnherren des Monotheismus. Fragehinsichten seien sowohl die historische als auch die gedächtnisgeschichtliche Rekonstruktion. Umso mehr irritiert, dass in dieser Einführung schlimme Vereinfachungen zu lesen sind; etwa dass Mose Gottes Gebot verkündet habe, keine anderen Götter zu verehren, Jesus und Paulus die »Buchstabengläubigkeit der Gesetzesreligionen« (Plural!) verworfen haben und Mohammed »den Ungläubigen den Heiligen Krieg erklärt« hat (13)– als sei mit solchen Aussagen das historische oder erinnerungsgeschichtliche Kernanliegen der jeweiligen Religion getroffen.
Die ersten beiden Aufsätze beschäftigen sich mit Echnaton: J. Assmann, Echnaton, Tutanchamun und Mose (13–39), nimmt die bereits behandelte Spur wieder auf, dass sich das Trauma der Amarnazeit in der Legende von den Aussätzigen greifen lasse, die vor allem bei Manetho und Hekataios von Abdera mit der Ge­stalt des Osarsiph-Mose verbunden wurde. Zusätzlich kann er zeigen, dass die traumatische Verarbeitung des Echnaton-Umsturzes sich be­reits in den Restaurationsstelen des Tutanchamun greifen lässt; über verschiedene mündliche Überlieferungsstufen seien dann die schriftlich belegten Versionen der hellenis­tischen Texte entstanden. Sehr locker und assoziativ werden am Ende des Aufsatzes ge­genseitige Beeinflussungen der Amarna-Trauma-Tradition und der Exodus-Trauma-Triumph-Tradition angenommen, die beide im 8./7. Jh. v. Chr. unter dem Druck assyrischer Bedrohung entstanden seien (37 f.); dem wird wohl kaum ein Ausleger der Hebräischen Bibel folgen können.
F. Maciejewski, Der Gottesstaat von Amarna. Zum Beziehungsaspekt der Atonreligion (41–62). Der Soziologe und Kulturwissenschaftler trägt die Leitthesen seines Buches vor, wonach Echnatons Umsturz als Ausdruck seelischer Deformationen und eines aus einem Vaterkomplex erwachsenen Gotteskomplexes (52) zu verstehen sei. In Amarna habe er einen intoleranten Gottesstaat und so die erste Theokratie errichtet, in dem er nicht mehr als König, sondern als Priester agierte. Diese theokratische Grundidee und ihre religiöse Vergemeinschaftung sei die Wurzel für die Entwicklung von »Gotteskriegern«, deren »unvergängliche Saat« offene Gesellschaften bis heute bedrohe (61). Die Argumentation ist auch wegen der bewussten Vermischung verschiedener Terminologien durchaus anregend und kurzweilig zu lesen, allerdings hoch spekulativ und kaum überzeugend.
Es folgen Beiträge zu Zarathustra, dem zweiten der eingangs genannten Religionsstifter, zunächst Almut Hintze, Monotheismus zoroastrischer Art (63–92). In ihrem sehr instruktiven, mit einer Fülle von Textzitaten belegten Artikel zeigt sie am Beispiel der Schöpfungsvorstellungen, wie in dieser Religion monotheistische, dualistische und polytheistische Bestandteile zusam­menwirken. Die Gestalt Zarathustra wird nur am Rande erwähnt, auch spielt Assmanns Konzept der Mosaischen Unterscheidung letztlich keine Rolle und kommt daher nur in einer Fußnote (75) zu Wort.
Hier führt M. Stausberg, Zo­roastrische Unterscheidungen (93–118) weiter. Er liefert eine Fülle von Belegen für Fremdurteile (etwa aus christlichen Märtyrerakten) und eigene, vor allem in späten mittelpersischen Texten selbst formulierte Unterscheidungen zwischen den Religionen, etwa zur rituellen Verehrung von Gott und Schöpfung, aber auch des Feuers. Es zeigt sich, dass Zarathustras Auftreten in der eigenen Erinnerungsgeschichte in der Regel nicht als revolutionäres Mo­ment gesehen wurde; im Gegenzug nimmt man eine durchgehende Kontinuität der Religion an. Am Ende des instruktiven Aufsatzes werden explizit einzelne Elemente der Unterscheidungstypologie Assmanns überprüft, wobei sich zeigt, dass sie nur zum Teil auf die zoroastrische Religion anwendbar sind.
Der folgende Beitrag von H. Strohm, Varuna, Ahura Mazda und Zarathus­tra. Zur Genese des altiranischen Monotheismus (119–159), geht davon aus, dass die alten indo-iranischen Götter auch als Repräsentanten frühkindlicher Schichten aufzufassen seien. Von daher entwirft er das Bild, dass Zarathustras Gott Ahura Mazda als parallele Gottheit zu Asura Varuna der vedischen Religion zu verstehen sei. Die alte Religion sei langsam erodiert; Zarathustra habe aus ihren Versatzstücken eine neue, monotheistische Religion konstruiert, die aber wie ihr Vorgänger einen »elementar infantilen Charakter« hatte und als »System zur Inszenierung eines frühkindlichen Dramas« zu verstehen sei (158). Als historisch-kritisch arbeitender Exeget kann ich als Rezensent diesen Aufsatz nicht bewerten, sondern mich nur wundern.
Festeren Boden unter den Füßen erhält man durch B. Langs Essay »Die Religion der Leviten und ihre Gegner« (161–180). Er rekonstruiert die Lebens- und Denkweise der Leviten, für die er einen nomadischen Hintergrund und eine monolatrische Kultpraxis annimmt, dies im Unterschied zum Polythe­is­mus der restlichen israelitischen Bevölkerung. Das Deuteronomium als Haupt-werk dieser Gruppe belege den militanten Grundzug ihrer Alleinverehrung, die kriegerische Mentalität gehe auf die Tradition der Hirtenvölker zurück (167 f.). Daneben steht aber in der Bibel Israels mit der Priesterschrift auch die Tradition des »hebräischen Pazifismus und Humanismus« (171), die zudem ergänzt wird durch die Josefsnovelle, in der Josef als bleibendes Modell jü-discher Existenz gezeichnet wird. Josef wird zum Gegenstück des Mose, während der eine für Integration und Offenheit steht, werden mit dem anderen Trennung und Gesetz verbunden. Die so beschriebene Polyphonie der hebrä-ischen Bibel macht deutlich, dass Assmanns Kategorien bestenfalls Teilaspekte der biblischen Tradition deuten können.
Verena Lenzen, »Mose als Erinnerungsgestalt und Identitätsfigur im Judentum« (180–193), trägt dann einige Elemente der Rezeptionsgeschichte des biblischen Mosebildes zusammen und illustriert so Assmanns Rede von Mose als Symbolfigur, wobei aber in den Rezeptionsstufen die »Mosaische Unterscheidung« stets vorausgesetzt und nicht hinterfragt wird.
L. Wurmser nimmt dann Assmans These aus psychoanalytischer Sicht in den Blick: »Archaische Erbschaft«, Selbstwiderspruch des Monotheismus und der »Toleranzmidrasch« (195–211). Für ihn repräsentiert der Gott des biblisch-exklusiven Monotheismus ein archaisches Über-Ich, das zwar der Vergöttlichung menschlicher Herrschaft wehren soll, aber durch seinen absoluten Machtanspruch traumatisierend wirkt (204). Er beschreibt dann stark sadomasochistische und sexualisierte Reaktionen auf das Über-Ich, was dem Bild des im exklusiven Monotheismus gezeichneten Gottes entspreche (208), und postuliert, dass ein Gottesbild, das in der Eifersucht seinen Kern hat, sich nicht mit dem der Liebe vereinigen ließe. Mir ist nicht verständlich, warum auch hier mit Stereotypen des biblischen Gottesbildes gearbeitet und nicht wahrgenommen wird, dass in einer Fülle alt- und neutestamentlicher Texte die Dimension von Liebe und Toleranz den exklusiven Aussagen gegenübergestellt wird. Stattdessen wird so getan, als bringe erst ein später Midrasch diese Lösung ins Spiel (211).
Die letzten drei Beiträge verlassen den engeren Bereich der Thematik »Echnaton und Zarathustra« bzw. den der mosaischen Unterscheidung. R. Schulze, Der »Herr der Welten« und der mekkanische Götterkult. Zur Ontogenese der koranischen Offenbarung (213–272), zeigt detailreich die prozesshafte Ent­wick­lung des islamisch-monotheistischen Denkens, wozu auch interessante Hinweise zur Verwendung der Kategorie »Monotheismus« für den Islam gehören. Schulze nimmt Transformationsprozesse von der Götterwelt hin zu einer prinzipiellen Göttlichkeit an, bei denen die alltägliche Götterkultur und die Kultur der apokalyptischen Offenbarung des »Herrn der Welten« als synchrones Traditionsgeflecht verstanden werden, nicht wie üblich als Abfolge vom Poly- zum Monotheismus (246). In weiteren Stufen wurde dieses mit historischen und aktuellen Narrativen aufgefüllt und schließlich in eine allgemeine Kultordnung überführt (Schaubild 269).
J. Kreuzer, Wozu Drei? Überlegungen zu Augustinus’ Trinitätsspekulation (273–292), zeigt, wie bei Augustin das philosophische Denken Platos, insbesondere der Abbildcharakter der Wirklichkeit, mit der biblischen Überlieferung vom Mensch als Ebenbild Gottes (ibs. Gen 1,26 f.) vermittelt wird: Aus dem Einen geht eine Differenz hervor, die in Bildern fassbar wird (283).
M. Schneider, Götterpolemik. Nietzsches »Also sprach Zarathustra« (293–312), stellt abschließend Nietzsche als »monotheistischen Ikonoklasten und polytheistischen Wiedertäufer« vor (294). In verschiedenen Hinsichten (Sprachreform, Musik, Verfluchung) habe er Götterpolitik betrieben, die Züge von Religionsstiftung hatte (311).
Leider fehlen dem anregenden Band nicht nur jegliche Register, sondern auch eine Zusammenfassung der Diskussionen, die die Referate gewiss hervorgerufen haben, auch findet keine Zusam­menfassung der Ergebnisse in Hinsicht auf das einleitend formulierte Tagungsthema statt. Aus Sicht eines Bibelwissenschaftlers ist anzufragen, weshalb die breite Diskussion über den Monotheismus, die Jan Assmann in der Exegese angestoßen hat, in seinem Umfeld nicht recht aufgenommen wird. Stattdessen werden weiterhin einseitige und verzerrende Darstellungen besonders des Alten Testaments geboten, die längst überholt sind. Das mindert m. E. auch den heuristischen Wert der These von der »Mosaischen« Unterscheidung.