Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juli/August/2013

Spalte:

883–884

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Bachl, Gottfried

Titel/Untertitel:

Gott bewegt.

Verlag:

Würzburg: Echter 2012. 192 S. Kart. EUR 14,80. ISBN 978-3-429-03491-7.

Rezensent:

Thomas Wabel

Der Band versammelt »Lesestücke zum Glauben« des Salzburger katholischen Dogmatikers Gottfried Bachl, herausgegeben aus Anlass seines 80. Geburtstages. Viele der Texte sind zuvor als Einzeltexte in den »Salzburger Briefen« beim Katholischen Akademi­-kerverband Salzburg erschienen.
Darstellung und Stil sind ungewöhnlich. Die Mehrzahl der Texte sind Briefe B.s an ehemalige Schüler. Ob diese Gesprächspartner fiktiv sind oder sich aus erlebten Gesprächsgängen speisen, bleibt offen; doch ihre Fragen, Sorgen und Vorhaltungen gegen­-über einem Vertreter der römisch-katholischen Kirche nimmt B. spürbar ernst. Ob es um die Altersgemäßheit der Gottesdienste geht, um das Frauenbild der Kirche oder um deren Klerikalisierung und Selbstbezogenheit: B. erkennt, dass diese Anfragen drängen, und will sie gleichwohl nicht als Infragestellungen des gemeinsamen Glaubens verstehen. Trotz ihres bisweilen väterlichen Tons wirken seine Antworten nie herablassend oder bevormundend – mit einer Ausnahme vielleicht: Unter der Überschrift »Ratzinger tröstet« spricht B. anhand eines Schreibens des damaligen Präfekten der Glaubenskongregation an die Bischöfe die Not derer an, die als wiederverheiratete Geschiedene von der Eucharistie ausgeschlossen sind. Die Erfahrung der Gegenwart Gottes ist nicht auf die Eucharistie beschränkt (98) – das ist der Tenor der gewiss wohl meinenden Antwort. Dass dies angesichts des Stellenwerts der Messfeier auch wie Sarkasmus klingen kann, scheint B. im Nachhinein selbst zu spüren. Er fügt dem Text ein Postscriptum an, das kritisch nach dem Weisungsmonopol des zölibatären Klerus ge­genüber Eheleuten fragt (106).
Überhaupt hält das Verhältnis B.s zu seiner eigenen Kirche (nicht nur) für evangelische Leser manche Überraschung bereit und es verwundert nicht, dass sich katholische Laieninitiativen auf Texte B.s berufen. Vor einer »Gottesbemächtigung« durch Überschätzung der priesterlichen Befugnisse (147 ff.) warnt er ebenso wie vor einem mechanistischen Verständnis der Wandlung der Elemente (65.101.151) und gesteht ein, »der Lauf der Dinge [zwinge] zur neuerlichen Reflexion auf den religiösen Stellenwert des Zölibats« (151). Er schätzt die Vielfalt der Erfahrungsweisen Gottes auch in anderen Konfessionen, will aber selbst zugleich der »hemmungs­losen Sakramentalität« in der Gnadengestalt der eigenen, der römisch-katholischen Kirche vertrauen (92). Gerade in den Ambivalenzen B.s zur eigenen Herkunft scheint auf, welches Potential der katholische Glaube entfalten kann, wenn seine Anhänger bereit sind, das Risiko einer (manchmal augenzwinkernd vorgetragenen) Selbstrelativierung einzugehen. – Dieses ambivalente Verhältnis spiegelt sich auch in den Äußerungen zum Pontifikat Benedikts XVI. Ne­ben unverhohlener Hochachtung vor dessen intellektueller und spiritueller Redlichkeit macht B. keinen Hehl aus seiner Verwunderung über ein Verständnis des Priestertums, das dieses auf unkritisch-naive, ja »primitive« Weise überhöht und das so den geistlichen Erfordernissen der Gegenwart gerade nicht gerecht wird (153).
Neben Ekklesiologie und Eucharistie ist immer wieder die Christologie leitender Bezugspunkt. »Wenn die Gottheit sich hineinwagt in das Netzwerk menschlicher Aktionen«, dann ist sie auch menschlichem Machtstreben und der Instrumentalisierung ausgesetzt (59), gibt sich aber gerade dadurch »verschwenderisch« der Welt hin (64). Pneumatologie, Bibel- und Gottesdienstverständnis sind weitere wiederkehrende Themen. Auch in einem so angenehm un­akademischen Band hätte ein Begriffsregister Hilfe geleistet, um die inneren Zusammenhänge der Texte zu erschließen. Editorisch in­konsistent erscheinen Angabe oder Nichtangabe von Quellen: Während etwa Cyrill von Jerusalem, Tertullian, Leo d. Gr., Hegel, Nietzsche, Tillich oder der Katechismus der Katholischen Kirche Anmerkungen zur Herkunft der zitierten Texte erhalten, gehen de Lubac, Buber, Karl Barth, von Balthasar oder das II. Vatikanum leer aus.
Gott bewegt – der Titel dieser Textsammlung ist Programm für eine Theologie, die sich aus dem Verständnis eines Gottes speist, der sich menschlichen Bemächtigungsversuchen stets entzieht und sich diesen gegenüber als überschießend erweist. Gott ist der, über dessen Begriff hinaus stets Größeres erfahren werden kann – dies spiegelt sich auch in der Freude, die B. auf die Prägung von Sprachbildern verwendet: Gottesverwunderung (24), Gottesaufmerksamkeit (25), Gottesimpuls (87), der Jesuseinfall Gottes (67), Jesus gottet (103). Gelegentlich nur wirken die in Anspruch genommenen Me­taphern schräg: die Offenbarung als Leuchtrakete (63) oder die Welt als große Alpha-Wirklichkeit (76).
In leuchtkräftigen Farben gewährt dieses Buch Einblick in ein ka­tholisches Denken, das gleichermaßen von seelsorgerlicher Tiefe wie von (selbst)kritischem Urteilsvermögen zeugt.