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Ausgabe:

April/1996

Spalte:

403 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Sundermeier, Theo

Titel/Untertitel:

Wenn Fremdes vertraut wird. Predigten im Gespräch mit anderen Religionen und Kulturen.

Verlag:

Erlangen: Verlag der Ev.-Luth. Mission 1994. 204 S. 8o = Erlanger Taschenbücher, 109. Kart. DM 20,­. ISBN 3-87214-509-6.

Rezensent:

Reinhard Leuze

Der Predigtband des Heidelberger Missionswissenschaftlers verfolgt ein besonderes Ziel: Der Dialog mit den anderen Religionen soll in der Verkündigung der Kirche präsent werden. Dieses für unsere Zeit so ungemein wichtige Thema darf nicht nur auf Akademietagungen oder Konferenzen kirchenleitender Gremien behandelt werden, es soll seinen Platz im christlichen Gottesdienst erhalten (vgl. 7 f.). So vorzüglich diese Idee an sich ist, so schwierig ist ihre Realisierung: Verträgt sich das homiletische Reden, das der Selbstvergewisserung des eigenen Glaubens dient, mit der Reflexion des Anderen, die ja nur dann gelingen kann, wenn sie die Fähigkeit einschließt, das Eigene von außen zu betrachten?

Liest man die Predigten des Vf.s durch, dann wird man sagen müssen, daß er nur ansatzweise mit den hier angedeuteten Schwierigkeiten zurechtgekommen ist. Recht gelungen scheint mir seine Auslegung des in Jo 4,46-54 berichteten Heilungswunders. Hier wird in einfachen Worten deutlich gemacht, was Glauben ist, ohne in die gerade bei diesem Begriff übliche Abgrenzungs-Manie gegenüber anderen Religionen zu verfallen. "Wenn sich dieses Verhalten in nichts von dem Vertrauen unterscheidet, das im Morgengebet eines Juden, eines Moslems oder eines Amida-Buddhisten zum Ausdruck kommt, macht das etwas aus? Sollen wir uns nicht im Gegenteil freuen, daß es etwas Gemeinsames gibt, das uns über die Unterschiede der Religionen hinweg miteinander verbindet?" (129)

Wer sich in einer Haltung der Achtung und der Offenheit auf andere Religionen einläßt, ist auch bereit, von ihnen zu lernen. Die Predigt, welche sich mit diesem Thema befaßt (24-33), legt die Erzählung vom Priesterkönig Melchisedek zugrunde (Gen 14,1-3.10-24). Abraham "lernt von einem heidnischen Priester etwas über Gott und erweitert sein Wissen von Gott: Der Gott, der ihm eben geholfen... hat... ist der Gott aller Götter. Er hat Himmel und Erde geschaffen" (27). Was lernen wir selbst? Inwiefern bereichert z.B. die Begegnung mit Muslimen unser eigenes Wissen über Gott? Von den Intentionen des Vf.s her wäre hier eine klare Antwort zu erwarten. Er begnügt sich aber mit recht allgemeinen Hinweisen (vgl. 31 f.). Der kühne Bibeltext verflüchtigt sich in Allgemeinplätzen.

Die Hinweise auf andere religiöse Traditionen wirken nicht immer inspirierend, zuweilen führen sie den Vf. auf theologische Holzwege. In einer Weihnachtspredigt aus dem Jahr 1988 (65-74) wird von einer alten indisch-chinesischen Schrift berichtet, nach der Buddha, als er sich freiwillig entschloß, den Himmel zu verlassen, um zum letzten Mal wiedergeboren zu werden, sich sehr genau überlegte, "wie er sich den Menschen und ihren gesellschaftlichen Gegebenheiten und Wünschen anpassen müsse, um sie am effektivsten überzeugen zu können" (65 f.). Diese Legende beflügelt den Prediger zu der Idee, Entsprechendes für den christlichen Himmel auszusinnen. "Wir belauschen ein Gespräch zwischen den Engeln Michael und Gabriel, die sich gerade darauf vorbereiten, zusammen mit dem Engelchor das Gloria einzuüben, das sie in Bethlehem singen sollen" (67). Diese Unterhaltung der Engel, die nun über sechs Seiten ausgebreitet wird und erst im Weihnachtslied der Gemeinde ihr Ende findet, ist m. E. unglücklich ausgefallen. Nicht genug damit, daß wir sie lesen dürfen ­ der Engel Gabriel seinerseits lauscht auch, hinter dem Vorhang, versteht sich. Er hört, wie sich der Vater und der Sohn über die Inkarnation unterhalten. Er begreift nicht alles (vgl. 68) oder doch noch viel zuviel ­ etwa die Notwendigkeit der Jungfrauengeburt. Der, dessen Name heilig ist, erklärt sie dem Sohn. Mit dieser Erklärung (vgl. 69 f.) finden wir wieder zur Erde zurück. Wir haben sie nämlich irgendwo schon einmal zur Kenntnis genommen: in K. Barths Kirchlicher Dogmatik. Der Prediger meint, er lasse sich nicht "von der wilden Phantasie neuer Religionsbewegungen verführen, sondern von der konkreten Phantasie leiten..., wie sie den biblischen Texten angemessen ist" (67). Damit bekundet er ein zu gefestigtes Selbstbewußtsein.

Auch sonst bietet dieser Band manches Ärgerliche. Jeremias Brief an die Exulanten kann wohl kaum als Rechtfertigung dafür dienen, ihn unter den hypothetischen Voraussetzungen einer "Stasi" "als IM, als inoffiziellen Mitarbeiter, wenn nicht als V-Mann hinzustellen" (58). Das sind Pseudo-Aktualisierungen, die eine eindrucksvolle Gestalt der Religionsgeschichte verunglimpfen. Anderes liest man gelassen, weil man es in der Gegenwart zu oft hört, als daß eine Erregung noch möglich wäre, etwa die Rede von der "schrecklichen Verkopfung, die besonders den Protestantismus so blaß und blutleer macht" (193). Falls damit gemeint sein sollte, daß es zu den wesentlichen Aufgaben des zukünftigen Protestantismus gehört, die eigene religiöse Dimension besser wahrzunehmen, drückt dieser an sich unglückliche Ausdruck etwas Richtiges aus. Meistens wird er aber im Sinne eines modischen Antiintellektualismus verwendet, mit dem wir uns keinen guten Dienst erweisen. In dieselbe Richtung zielt auch die Behauptung, christlicher Glaube verwirkliche sich "nicht im Höhenflug des Geistes" (149). Wieso nicht? Darf man das so generell verneinen? Ist nicht jede große theologische Konzeption eine Widerlegung dieser These?

Der Vf. hat uns solche Höhenflüge nicht zugemutet. Das soll kein Vorwurf sein. Predigten intendieren etwas anderes. Sie wollen den Glauben wecken und stärken. So gesehen erfüllen die Predigten Sundermeiers im großen und ganzen ihr Aufgabe. Das spezifische Ziel, die Predigthörer mit anderen Religionen und Kulturen vertraut zu machen, erreichen sie allerdings nicht.