Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

April/1996

Spalte:

401 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Lehmann, Karl

Titel/Untertitel:

Die Zukunft der Seelsorge in den Gemeinden. Zur Planung einer kooperativen Pastoral im Bistum Mainz.

Verlag:

Mainz: Öffentlichkeitsarbeit im Bistum Mainz 1995. 136 S. 8o = Mainzer Perspektiven. Das Wort des Bischofs, 1. DM 6,­.

Rezensent:

Norbert Mette

In seinem Hirtenwort zur Österlichen Bußzeit 1995 hat der Mainzer Bischof Dr. Karl Lehmann zu einem breiten Beratungs- und Planungsprozeß in seiner Diözese aufgerufen. Als Leitfragen für diesen Prozeß formulierte er: Wozu sind wir überhaupt Kirche und Pfarrgemeinde? Welche Hilfen und Strukturen sind am besten geeignet, um die Botschaft des Glaubens den Menschen von heute nahe zu bringen? Ein erstes Ergebnis dazu erhofft sich der Bischof nach Eintreffen und Auswerten von Voten aus den verschiedenen diözesanen Bereichen und Ebenen für den Frühsommer 1996.

Die vorliegende Broschüre ist in erster Linie dazu gedacht, von seiten des Diözesanbischofs Anregungen für diesen Beratungs- und Planungsprozeß zu geben. Einleitend ist darum nochmals das erwähnte Hirtenwort dokumentiert. Das darin Gesagte wird erweitert und konkretisiert durch 30 Thesen, in denen der Bischof unter dem Motto "Damit Gemeinde lebt" einige "Leitlinien und Anfragen zur künftigen pastoralen Planung im Bistum Mainz" zusammengestellt hat. Die theologischen Voraussetzungen, auf denen diese Thesen basieren und von denen her sie zu interpretieren sind, werden im dritten Teil dieser Broschüre entfaltet, in dem ­ teilweise bereits anderswo publizierte ­ Studien des Bischofs (und früheren Dogmatik-Lehrers) zur Gemeinde- und Amtstheologie zugänglich gemacht werden. Womit sich diese verschiedenen Beiträge beschäftigen, wird aus ihren Titeln erkennbar: "Einheit und Vielfalt der Charismen, Dienste und Ämter in der Kirche"; "Verschiedenheit des Dienstes ­ Einheit der Sendung"; "Priesterlicher Dienst und Gemeindeleitung"; "Kooperative Seelsorge im Pfarrverband"; "Pfarrverbände auf dem Prüfstand"; "Die Sorge der Kirche für die Pfarrgemeinde. Die Bedeutung von Can. 517 § 2 für die Planung der zukünftigen Seelsorge".

Die maßgebliche Vorgabe, die der Mainzer Bischof für die Planung der Seelsorge in seiner Diözese macht, besteht in dem Stichwort "kooperative Pastoral". Konkret bedeutet das, daß die Seelsorge vor Ort nicht länger allein, wie es bis heute noch nicht selten der Fall ist, von der "Gemeindeleitung" ­ sprich: Pfarrer ­ konzipiert, getragen und verantwortet werden soll, sondern in der "Zusammenarbeit von Gruppen und Initiativen, ehrenamtlich und hauptamtlich engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern" (26) zu gestalten ist und daß darüber hinaus jede Pfarrgemeinde nicht bloß an sich denkt und für sich sorgt, sondern daß sie mit ihren "Nachbargemeinden im pastoralen Nahbereich" (ebd.) eng kooperiert. Von seiten der Bistumsebene wird zugesagt, bei der Realisierung solcher Kooperationen durch das Angebot von entsprechenden Bildungsmöglichkeiten oder von Supervision, Gemeindeberatung u.ä. behilflich zu sein.

Der Anstoß, verstärkt auf Kooperation in der Pastoral hinzuarbeiten, geht zunächst einmal schlicht und einfach von dem immer gravierender werdenden "Priestermangel" in der katholischen Kirche aus. Bischof Lehmann betont jedoch, daß das Konzept der "kooperativen Pastoral" nicht bloß als Reaktion auf diesen Mangel und somit als Notlösung mißverstanden werden dürfe. Sondern es sei sowohl theologisch weiterführend, weil es eine einseitige Pfarrer- oder Amtszentriertheit in der Pastoral korrigiere, als auch gerade mit Blick auf den gesellschaftlichen Kontext im höchsten Maße adäquat.

So zukunftsfähig unbestritten eine solche Konzeption ist bzw. wäre, so wird sie jedoch ­ das machen die Beiträge des Bischofs ebenfalls sehr deutlich ­ ständig durch zu ihr gewissermaßen querliegende Strukturen durchkreuzt. Insbesondere ist hier das geltende Kirchenrecht anzuführen, das auf der Letztverantwortlichkeit des Pfarrers für die Pastoral rigide insistiert und von daher zu Konstruktionen nötigt, die den bestehenden Nöten der Pastoral nicht wirklich Rechnung zu tragen vermögen. Bei allem guten Willen sind damit Schwierigkeiten, Konflikte und Aporien in der Praxis "vorprogrammiert". Das verstärkt dann wiederum die Gefahr, daß die "kooperative Pastoral" sich dermaßen auf innerkirchliche Probleme fixiert, daß sie trotz aller gegensätzlichen Beteuerung nur unzureichend die eigentlichen gesellschaftlichen Herausforderungen wahrzunehmen in der Lage ist. Schließlich fällt auf, daß die ökumenische Dimension bei der Frage der Kooperation vollständig ausgeklammert bleibt.