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Ausgabe:

Juli/August/2013

Spalte:

799–801

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Fischer, Georg, Markl, Dominik, u. Simone Paganini [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Deuteronomium – Tora für eine neue Generation. Innsbrucker Deuteronomium-Tagung 2010 im Gedenken an Volkmar Premstaller SJ.

Verlag:

Wiesbaden: O. Harrassowitz 2011. 302 S. = Beihefte zur Zeitschrift für Altorientalische und Biblische Rechtsgeschichte, 17. Geb. EUR 74,00. ISBN 978-3-447-06553-5.

Rezensent:

Udo Rüterswörden

Der Band versammelt Beiträge, die auf einer Tagung zum Gedenken an Volkmar Premstaller vom 26.–28. September 2010 in Innsbruck gehalten wurden. In seinem Eingangsbeitrag »Eigenart und Bedeutung des Deuteronomiums in der Tora« skizziert G. Fischer den Inhalt des Deuteronomiums mit den Stichworten »lieben, Bund, Recht, heute, Bruder, sozial, lehren/lernen« (22); es komme »in seiner Funktion einem ›Arbeitsinstrument‹ für die Rechtssprechung nahe« (31).
Mit dem Aufbau und der Gliederung des Deuteronomiums befassen sich drei Beiträge, einer von J.-P. Sonnett, »Redefining the Plot of Deuteronomy – From End to Beginning. The Import of Deut 34:9« und zwei von D. Markl, »Moses Prophetenrolle in Dtn 5; 18; 34. Strukturelle Wendepunkte von rechtshermeneutischem Gewicht« sowie »Deuteronomy’s Frameworks in Service of the Law (Deut 1–11; 26–34)«. E. Reuter geht in ihrem Beitrag »Konzepte von Autorität. Gestalten und Funktionen der Mosefiktion« der Frage nach, warum das Deuteronomium als Moserede formuliert ist.
»Die Autoren mussten dabei die Frage klären, wie das Deuteronomium das Bundesbuch umformulieren kann, ohne es dadurch außer Kraft zu setzen. Hier kommt die Mosefiktion ins Spiel: Sie ermöglicht genau die Klärung der Beziehung zwischen Bundesbuch und Deuteronomium, weil sie anzeigt, dass das Deuteronomium sich als ›Kommentar des Bundesbuchs in zeitlicher und sachlicher Nähe‹ versteht. Um Vorlage und Kommentar zu unterscheiden be­darf es des anderen Sprechers.« (74) »Als maßgebliche Autorität der Gründungszeit ist Mose geeignet, an die Stelle zu treten, die in den Gesetzen des AO der König einnimmt. In dieser Hinsicht ist das Deuteronomium als einziges alttestamentliches Gesetz nicht grundsätzlich von den mesopotamischen Gesetzen unterschieden.« (76) Nach Reuter kennt schon die älteste Fassung des Deuteronomiums einen menschlichen Sprecher, bei dem an Mose gedacht ist.
In seinem Beitrag »Edom and Seir in the Narratives and Itineraries of Numbers 20–21 and Deuteronomy 1–3« diskutiert N. MacDonald die komplexe Wechselbeziehung der genannten Texte. E. Otto geht in seinem Aufsatz »Tora für eine neue Generation in Dtn 4. Die hermeneutische Theologie des Numeruswechsels in Deuteronomium 4,1–40« von einer weitgehenden Einheitlichkeit des Kapitels aus.
Die Annahme ist nicht neu, doch vermochten die bisherigen Erklärungen des Numeruswechsels, z. B. als Emphase, nicht zu überzeugen. Die Kritik richtet sich vor allem gegen G. Braulik. Seinen Ausgangspunkt nimmt Otto bei Dtn 4,3–4: »In Dtn 4,3–4 wechselt der Numerus vom Plural in Dtn 4,3a ›eure Augen haben gesehen, was JHWH in Baʻal Peʻor getan hat‹ in den Singular in Dtn 4,3b ›denn jeden, der dem Baʻal Peʻor nachlief, hat JHWH, dein Gott, in deiner Mitte vernichtet‹, um anschließend in Dtn 4,4 wieder in den Plural zu wechseln ›ihr habt aber an JHWH, eurem Gott, festgehalten und seid heute am Leben‹. Der Numeruswechsel markiert hier eine für die Hermeneutik des Deuteronomiums insgesamt wichtige Differenz zwischen denen, die Adressaten des Moses sind und im Plural angesprochen werden, und denen, die in der Vergangenheit gegen den Dekalog verstoßen haben und die aufgrund dieses Verstoßes nicht mehr unter den Adressaten der Moserede im Lande Moab sind.« (108)
Der Kern der Untersuchung ist der Korrelation von Numeruswechsel und Textstruktur gewidmet (111–117). Mit einem fast schon ewigen Problem der Deuteronomiumforschung befasst sich K. Finsterbusch in ihrem Beitrag »Die Dekalog-Ausrichtung des deuteronomischen Gesetzes. Ein neuer Ansatz«. Nach Finsterbusch gliedert sich Dtn 12–26 in sieben Einheiten, mit Ein- und Ausleitung (Übersicht, 143). Die Abbildung von zehn Geboten auf sieben Einheiten führt zwangsläufig zu Kombinationen und Umstellungen. »Anders als bei den vorliegenden Versuchen wird davon ausgegangen, dass die dtn Verfasser und Redaktoren bei ihrer Strukturierung des dtn Gesetzestextes von der Abfolge der Dekaloggebote an einigen Stellen (gezielt) abwichen; deshalb bevorzuge ich bei meinem eigenen Ansatz die Rede von der ›Dekalog-Ausrichtung‹ vor ›dekalogischer Strukturierung‹ des dtn Gesetzes.« (123) Der Beitrag lässt sich zumindest als gründlich ausgeführte Problemanzeige lesen – wenn nicht gar als Lösung des genannten Problems.
In ihrer Abhandlung »Die Veränderung der Beziehung zwischen Gott und Mose als Kompositionssignal der deuteronomischen Er­zählung« geht S. Paganini auf die Unterschiede der Darstellung des Mose in Dtn 3 und Dtn 9 ein. H. U. Steymans behandelt »DtrB und die adê zur Thronfolgeregelung Asarhaddons? Bundestheologie und Bundesformular im Blick auf Dtn 11«. Der von Levin und Veijola mit dem Siglum DtrB bezeichnete Redaktor ist eine problematische Größe. In Dtn 11 lassen sich Elemente eines Bundesformulars nachweisen, doch hier ist eine Differenzierung zu beachten: »Meine These ist, dass zwei Phasen der Beziehung des Deuteronomiums zum Alten Orient vorliegen, die traditionsgeschichtlich unterschieden werden können. Wo zwischen einem altorientalischen Rechtstext und dem Deuteronomium direkte sprachliche Verbindungen bestehen, die sich an gleicher Thematik, zusätzlich dazu an gleicher Themenabfolge in einem Abschnitt und darüber hinaus an gleichem Vokabular festmachen lassen, liegt direkter Einfluss vor. Voraussetzung dafür ist natürlich noch, dass die historische Möglichkeit der Kenntnis des Textes durch Israeliten oder Judäer plausibel ist. Wenn man jedoch für ein Form- oder Sprachelement in der Bibel Form- oder Sprachparallelen in verschiedenen Textgattungen des Alten Orients findet, liegt ein Traditionselement vor, und die Beziehung zwischen biblischem und altorientalischem Text kann kulturgeschichtlich vermittelt sein.« (162)
Steymans fasst seine Darstellung zusammen mit: »1) Die Leugnung der Entstehung einer Bundestheologie vor dem babylonischen Exil beruht auf einem religionsgeschichtlichem Kalkül, literarkritisch umstrittenen Hypothesen, konfessionell verwurzelter Opposition von vorexilischer Religion versus exilisch-nachexilischen Glauben. 2) Eine Strukturierung von Dtn 11 nach dem Bundesformular findet ihre Bestätigung im Aufbau der aramäischen Verträge von Sefire, was die deuteronomistische Schicht, die dieses Gliederungsformular verwendet, in die westliche Vertragstradition des Alten Orients einordnet. 3) § 56 und § 57 der adê zur Thronfolgeregelung Asarhaddons sowie Dtn 13 und 28 enthalten neben thematischen auch lexikalische Parallelen. 4) Der Fundkontext der adê-Tafel in Tell Taʻyinat lässt darauf schließen, dass das Exemplar der adê für Manasse nicht in einem Archiv verstaubte, sondern in der Tempelhalle zu Jerusalem sichtbar aufgestellt war. Da die lexikalischen Bezüge zum Deuteronomium gerade im Eid (§ 57), der von den Vereidigten zu sprechen war, und dem davor stehenden Fluch (§ 56) liegen, setzt die Rezeption in hebräischer Sprache dort an. 5) Es gibt weder innerhalb der Göttinger Schule noch innerhalb eines Forscherlebens – Eckart Otto – Konsistenz in der Verwendung der Chiffren DtrN, DtrB, DtrD. Ausmachen lässt sich eine Schicht (oder mehrere?) deuteronomistischer Sprache, die Bund, Gebotsgehorsam, Landbesitz zusammenbindet.« (186 f.)
Die Gegenposition zu Steymans vertritt M. Zehnder, »Fluch und Segen im Buch Deuteronomium. Beobachtungen und Fragen«. »Es ergibt sich damit folgendes Bild: Einerseits ist Dtn 28 sprachlich ein ›unauffälliger‹ Bestandteil des Buches Deuteronomium, der kaum in größerem Ausmaß Züge außerbiblischer Inspiration aufweist. Insbesondere die Fälle von Übereinstimmungen mit typisch dtn Sprache legen es nahe, Dtn 28 als integralen Bestandteil des weiteren dtn Kontextes zu verstehen und nicht als weitgehend von außerbiblischen Quellen abhängigen Fremdkörper.
In dieses Urteil einzuschließen sind auch Verse, die verschiedentlich als von neuassyrischen Vorbildern abhängig angesehen wurden, wobei insbesondere die Verse 20–22, 29–30, 33, 40, 43 und 54 zu nennen sind. Auf der anderen Seite finden sich auch sprachliche Anhaltspunkte, die auf die Möglichkeit schließen lassen, dass sich in diesem Kapitel punktuell außerbiblische Traditionen nie­derschlagen. Das trifft insbesondere auf die Verse 23–24 und 26 zu.« (206)
Der Band schließt ab mit: E. Ehrenreich, »Tora zwischen Scheitern und Neubeginn. Narrative Rechtshermeneutik im Licht von Dtn 30«, R. Heckl, »Die Präsentation tradierter Texte in Dtn 31 zur Revision der dtr Geschichtstheologie«, G. Fischer, »Der Einfluss des Deuteronomiums auf das Jeremiabuch«.
Den Herausgebern ist für die Beigabe eines Stellenregisters zu danken.