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Ausgabe:

Juni/2013

Spalte:

744–745

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Rothgangel, Martin, Adam, Gottfried, u. Rainer Lachmann[Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Religionspädagogisches Kompendium. 7., grundlegend neu bearb. u. erg. Aufl.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2012. 458 S. m. 21 Abb. Kart. EUR 29,99. ISBN 978-3-525-70215-4.

Rezensent:

Erhard Holze

Seit Gottfried Adam und Rainer Lachmann im Jahr 1984 erstmals das Religionspädagogische Kompendium vorgelegt hatten, ist dieses Werk zu einer Art Leitmedium in der religionspädagogischen Fachliteratur geworden: ein vielseitiges, informatives Handbuch mit Beiträgen unterschiedlicher Autoren zu zentralen Themen der Religionspädagogik und -didaktik. Von Lehrenden und Studierenden häufig rezipiert, erlebte dieser Leitfaden zur Fachdidaktik et­-liche Neuauflagen (zuletzt als 5., neubearbeitete Auflage 1997 bzw. dann ohne Veränderungen als 6. Auflage 2003). Nun, fast 30 Jahre später, liegt dieser evangelische Klassiker in einer siebenten, nicht nur aktualisierten, sondern grundlegend neu bearbeiteten und ergänzten Auflage vor. Dieses mithin neue Kompendium besteht aus 26 Kapiteln, verfasst von 20 Autoren (plus einem 27. Kapitel »Anhang« mit einem gut 20 Seiten langen Abkürzungs- und Autorenverzeichnis sowie einem Namen- und Sachregister).
Die drei Herausgeber (zu den bisherigen, Gottfried Adam und Rainer Lachmann, ist Martin Rothgangel hinzugekommen), treten in zehn der 26 Kapitel selbst als Autoren auf. Insgesamt wurden zwölf Kapitel neu aufgenommen, u. a. zur wissenschaftstheoretischen Standortbestimmung der Religionspädagogik (Martin Rothgangel), zu »Religion und Schulleben« (Michael Wermke), zu »Religionsunterricht in Europa« (Bernd Schröder), zum »Verhältnis des RU zu anderen Fächern« (Martin Schreiner) sowie zur Religionslehrerbildung (Hartmut Lenhard). Der bisherige Artikel »Schüler und Schülerin« wurde in verschiedene neue Artikel ausdifferenziert (empirisch von Robert Schelander, psychologisch von Andrea Schulte, soziologisch von Manfred Pirner, theologisch von Petra Freudenberger-Lötz, genderspezifisch von Elisabeth Naurath).
Der bisherige zweite Hauptteil zur »fachdidaktischen Umsetzung« konnte aufgrund der inzwischen vollständigen Reihe »Theologie für Lehrerinnen und Lehrer« entfallen; dafür wurde allerdings der Beitrag zur »Unterrichtsvorbereitung« (Rainer Lachmann) durch so genannte »Konkretionen« zu »biblischen Themen« (Michael Fricke), »systematischen Themen« (Thomas Schlag) und »interreligiösen Themen« (Christian Grethlein) ergänzt. Weitere Artikel wurden ebenfalls grundlegend neu bearbeitet, teilweise in neuer Autorenschaft (z. B. Martin Rothgangel über Religionspädagogische Konzeptionen, Friedhelm Kraft über Lehrpläne und Kerncurricula). Über den Bereich der Schule hinaus nimmt Uta Pohl-Patalong auch den Bereich Gemeinde und Konfirmandenarbeit in den Blick; Michael Meyer-Blanck untersucht die verschiedenen Formen des Religionsunterrichts in den einzelnen Bundesländern, Bernd Schröder den Religionsunterricht in Europa.
Theologisch interessant ist, dass Rainer Lachmann und Martin Rothgangel die »Gottesfrage« als das »inhaltliche ›Fundamentalproprium‹ des Religionsunterrichts im Fächerkanon der Schule« be­zeichnen (51) und Friedrich Schweitzer »Religion« als »Teil der Allgemeinbildung« definiert (98). Zu der nun schon seit Jahrzehnten währenden Debatte über die Konfessionalität des Religionsunterrichts gibt es gleich mehrere deutliche Befürwortungen: Laut Michael Meyer-Blanck ist die Konfessionalität nicht »als bloßes Rechts- und Strukturprinzip«, sondern als »Gestaltungsprinzip« zu verstehen, denn »Konfessionalität dient […] der Profilierung der religiösen Bildung« (171); ähnlich ist für Bernd Schröder »die didaktische Konstellation ›konfessionellen‹ Religionsunterrichts in bildungstheoretischer und theologischer Perspektive nach wie vor die bestmögliche« (189). – Zu der seit einigen Jahren geführten Diskussion über die sog. Kompetenzorientierung konstatiert Martin Rothgangel, die kompetenzorientierte Religionsdidaktik beanspruche »keineswegs den Status einer religionspädagogischen Konzeption« (89); es bleibe »festzuhalten, dass der Bildungsbegriff für die Religionspädagogik umfassender und zugleich spezifischer als der Kompetenzbegriff ist«, denn: Religionspädagogik ist »keine Theorie religiöser Kompetenz; sie ist eine Theorie religiöser Bildung« (336).
Wie eine grundsätzliche religionspädagogische Signatur der aktuellen Tendenzen von Individualisierung und Entinstitutionalisierung kann die bezeichnende Diagnose von Michael Domsgen gelesen werden: »Hatte sich früher der Einzelne in eine Religion einzufügen, geht es nun um die sinnvolle Integration von Religion in die individuelle Lebensgeschichte.« (349)