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Ausgabe:

Juni/2013

Spalte:

728–729

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Welte, Paul H.

Titel/Untertitel:

Erlösung – wie und wovon? Was Christen unter Heil verstehen.

Verlag:

Regensburg: Friedrich Pustet 2012. 192 S. Kart. EUR 18,95. ISBN 978-3-7917-2422-5.

Rezensent:

Walter Klaiber

Paul H. Welte ist Dominikaner und emeritierter Professor für Systematische Theologie, der über 30 Jahre in Taiwan gelehrt hat. Vor diesem Hintergrund ist die Fragestellung seines Buches zu verstehen. Sie lautet: In welchen Sinne kann Christus das Heil für die ganze Menschheit sein? Eine Frage, die nicht nur in Taiwan drängend ist.
W. geht bei seiner Untersuchung in sechs Schritten vor. Ein erstes Kapitel (I. Jesus Christus – Mittler des Heils im Glauben der Christen, 15–29) ist einer ersten Bestandsaufnahme gewidmet. Wie wird Jesus Christus als Mittler des Heils in der Heiligen Schrift, im Bekenntnis der Kirche und in der Theologie gesehen? Das zweite Kapitel (II. Zugang zum Reichtum des Heils, 31–46) stellt die These des Buchs vor: Ausgehend von dem Wort des Philippus in Joh 14,8: »Herr, zeige uns den Vater; das genügt uns«, formuliert W. als Arbeitshypothese für eine künftige Soteriologie: »Das Heilswerk Christi ist als Zeigen des Vaters zu verstehen« (39). Nach einem knappen Überblick über Jesus als Offenbarer im Zeugnis der Schrift fasst W. Jesu Botschaft so zusammen: »Gott liebt mit ewiger Liebe die sündigen und ins Böse verstrickten Menschen und bietet stets von neuem Vergebung und Versöhnung an; er liebt die vielfachem Leiden unterworfenen und dem Tod verfallenen Menschen und schenkt ihnen die Verheißung geheilten und auferweckten Lebens. Jesus Christus hat den Menschen den Namen Gottes, sein tiefstes Wesen kundgetan, denn er hat den unsichtbaren Gott den Menschen als Vater geoffenbart.« (46)
Aber bevor W. diesen Ansatz weiter verfolgt, bespricht er unter III. Aspekte des Heiles Christi (47–91) Grundmotive biblischer Soteriologie: 1. Versöhnung der Entfremdeten; 2. Befreiung der Versklavten (das Motiv des »Loskaufs«); 3. Stiftung des Neuen Bundes. Der biblische Befund wird knapp erhoben und es werden jeweils Wege zu einer heutigen Deutung gesucht. Wo die entscheidenden Fragen liegen, zeigt erst das nächste Kapitel: IV. Das Pascha des Mittlers des Heils (93–144). Hier wird nach der Bedeutung des Kreuzestodes und der Auferweckung Jesu gefragt. Dabei lehnt W. entschieden ab, dass Jesu Tod als »stellvertretend für uns« gesehen wird (110); er kann auch nicht »als ein Gott umstimmendes Opfer verstanden werden« (117). Das ist zweifellos richtig; aber W. greift nun nicht auf neuere exegetische Erkenntnisse über die Bedeutung biblischer Sühneaussagen zurück, sondern definiert Jesu Tod als ein »Verzicht-Opfer« (119 f.), das heißt als letzten Ausdruck seines konsequenten Gehorsams dem Vater gegenüber. Ein solches Opfer kann »nicht Grund der Heilsbedeutung des Todes Jesu« sein (122). Zentral ist für W. die Auferweckung Jesu, und zwar nicht »als ›Gegenstand‹ des Glaubens, sondern als Ermächtigung zum Glauben an Gott und zu lebendiger Hoffnung auf Gott« (140).
In V. Das Wesen des Heilswerkes (145–162) führt W. seine These weiter. Als »Kurzformel der Erlösung« bietet er nun an: »Der von Gott (dem Vater) gesandte Jesus Christus hat durch sein ganzes Dasein und seine ganze Erscheinung, durch Worte und Werke, durch Zeichen und Wunder, vor allem aber durch seinen Tod und seine herrliche Auferstehung von den Toten offenbart und durch göttliches Zeugnis bekräftigt, dass Gott bei uns ist, und uns so aus der Finsternis von Sünde und Tod befreit.« (148) Diese »Kurzformel« wird in kritischer Auseinandersetzung mit den Aussagen klassischer Soteriologien begründet und entfaltet. Relativ überraschend trifft W. in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen der »Heilsgnade«, die Gott allen Menschen auch unabhängig von der christlichen Heilsverkündigung anbietet, und der »Gnade des Christseins«, die in der Verkündigung des Evangeliums eröffnet wird und darin besteht, sich von Christus den Vater zeigen zu lassen (163 ff.). Christliche Mission ist also von der Last befreit, allen Menschen das Heil vermitteln zu müssen. Sie kann sich darauf be­schränken, an bestimmten Stellen die »Orientierung und Hoffnung vermittelnde Kraft« des Evangeliums aufleuchten zu lassen (165).
Der Schlussabschnitt VI. Das Heil Christi (171–185) fasst die Ergebnisse zusammen und bedenkt noch einmal grundsätzlich den Begriff »Heil«. »Jesus Christus ist nicht Mittler des ›endgültigen‹ Heils« und darum ist die Botschaft Jesu nur in »abgeleitetem« Sinne als Heil zu bezeichnen (173 f.). Einige sehr sympathische Überlegungen zu »Christsein und Menschsein« schließen das Buch ab.
Mein Eindruck von W.s Buch ist zwiespältig: Es ist ein sehr offenes und ehrliches Werk. Es bleibt dennoch ganz innerhalb des römisch-katholischen Paradigmas: Die Bibel wird befragt, aber daneben stehen mit gleicher Autorität die Dokumente des 2. Vatikanischen Konzils. Dass er so mutig neue Wege geht, begründet W. damit, dass »die Kirche über das Wesen des Heilswerkes keine definitive Lehräußerung gemacht hat« (116). Der »Beitrag« des Menschen zu seiner Versöhnung ist wichtig (51.88 f.). Evangelische Literatur wird nur sporadisch herangezogen. Das gilt auch für exegetische Werke, was sich bei den Ausführungen zur Heilsbedeutung des Todes Jesu im Neuen Testament als Mangel erweist. Das entscheidende Problem der Arbeit aber scheint mir zu sein, dass die Unterscheidung zwischen »Heilsgnade« und »Gnade des Christseins« in ihren systematischen Konsequenzen nicht überzeugend begründet wird und den Leser bei allem Verständnis für das Anliegen, das dahinter steht, etwas ratlos zurücklässt.