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Ausgabe:

Juni/2013

Spalte:

724–725

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Molnar, Paul D.

Titel/Untertitel:

Thomas F. Torrance. Theologian of the Trinity.

Verlag:

Farnham: Ashgate 2009. VIII, 373 S. = Great Theologians Series. Kart. £ 19,99. ISBN 978-0-7546-5229-8.

Rezensent:

Markus Mühling

Paul D. Molnar, Professor für Systematische Theologie an der St. John’s University in New York, legt eine umfassende Analyse der Theologie des Templetonpreisträgers von 1978, Thomas Forsyth Torrance (1913–2007), vor, die im anglophonen Bereich sehr gut aufgenommen wurde. Neben einer kurzen Einleitung in Leben, Werk und Bedeutung von Torrance wird als hermeneutischer Schlüssel dessen Trinitätslehre vorgestellt, um daraufhin die Lehre von der Schöpfung, Inkarnation und Versöhnung, die Pneumatologie sowie die Lehre von Christi Auferstehung und Himmelfahrt als Basis von Torrance’ Eschatologie und die Ekklesiologie als trinitarisch grundgelegt zu entfalten. Ein Kapitel zur Diskussion von kritischen Einwänden gegen Torrance be­schließt das Buch.
Torrance’ Engagement im Dialog zwischen Theologie und Na­turwissenschaften steht nicht im Mittelpunkt, sondern wird in dieses Schema eingezeichnet, so dass Torrance’ diesbezügliche Überlegungen an unterschiedlicher Stelle zu stehen kommen. Dieses Verfahren lässt zwar Torrance’ Überlegungen zu einer neuen natürlichen Theologie, die nicht dem Barthschen Verdikt verfallen soll, kontextualisiert im Rahmen von dessen Theologie er­schei-nen, kann aber den damit verbundenen Sachverhalt nicht ausreichend problematisieren. M. liefert insgesamt eine Einführung in Tor­rance’ Theologie, die dem Aufriss einer Loci-Dogmatik entspricht und durchaus geeignet ist, in Torrance’ Theologie einzuführen. Torrance wird dabei als Theologe gezeichnet, dessen Theologie zwischen Barth und gegenwärtigen Trinitätstheologien zu stehen kommt. Die Besonderheit von Torrance besteht dabei darin, dass er in Rückgriff vor allem auf Athanasius die kappadozische Trinitätstheologie kritisiert, indem er den Homoousios-Begriff umfassend anwendet und nicht nur auf das Vater-Sohn-Ver­hältnis beschränkt, sondern auf das innertrinitarische Verhältnis auch des Geistes zu Vater und Sohn (bzw. zur ousia Gottes) sowie der Naturen Christi untereinander anwendet und die theologischen Konsequenzen für die verschiedenen Loci aufzeigt. Torrance er­scheint dadurch als Theologe, der gerade die kappadozische Innovation rückgängig macht, die den Personen und insbesondere der Person des Vaters ontologischen Primat beimisst, indem er die Personen aus dem Wesen der einen Gottheit prozedieren lässt.
Obwohl intendiert ist, eine ontorelationale Sicht der göttlichen Personen zu zeichnen, die über die Figur der Inkarnation des Sohnes und dessen Heilswerk menschliche Personwerdung beschreiben soll, wird doch deutlich, dass eine letztlich relationale Ontologie bei Torrance insofern nicht zu erwarten ist, als die Frage der Individuation programmatisch ausgeklammert wird und in den Bereich des göttlichen Geheimnisses verschoben wird. Der Begriff partikularer Personalität, sowohl göttlicher als auch menschlicher, bleibt damit unterbestimmt. Damit wird nicht nur die Einheit Gottes im Unterschied zur Partikularität betont, sondern es ist zu fragen, inwieweit Torrance’ Theologie nicht doch wie die Barths zumindest implizite modalistische Züge trägt und gerade nicht geeignet ist, die Züge der »kontingenten Ordnung« der Welt wie versprochen zu beschreiben.
Die Methode M.s, diese und andere Kritiken nicht im Zusam­menhang der Darstellung zu behandeln, sondern am Ende des Buches nachzustellen, ist zwar übersichtlich, führt aber auch zu einer verkürzten Darstellung und reduziert den diskursiven Cha­-rakter von Torrance’ Theologie. Problematischer als das, was geboten wird, ist jedoch das, was nicht geboten wird. So werden die folgenden Behauptungen von Torrance, die schlicht falsch sind und nur durch konsequente Nichtberücksichtigung der lutherischen Abendmahlslehre und Luthers Himmelfahrtsvorstellung (sowohl durch Torrance als auch durch M.) zustande kommen können, mit keinem Wort von M. problematisiert: 1) Die lutherische Theologie sei von einem Verständnis des Raumes als Container getragen, wodurch Raum und Zeit separiert würden, während Calvins Theologie ein relationales Raum-Zeit-Verständnis beinhalte. 2) Die lu­therische Theologie trage im Unterschied zur calvinistischen Tradition eine deutlich dualistische Note. 3) Die lutherische Theologie sei im Gegensatz zu Calvins Theologie nicht theozentrisch genug und führe so zu einer Überbetonung des Menschen und seiner Subjektivität. Faktisch zeigt sich Torrance’ Theologie nämlich in mancher Hinsicht – der Ablehnung eines föderalcalvinistischen Bun­desverständnisses, der Betonung einer Realpräsenz beim Abend mahl, der relationalen Verhältnisbestimmung des Lebens der Kreaturen als unhintergehbar monistisch leiblich in Raum und Zeit in einer Welt kontingenter Ordnung etc. – den Anliegen genuin lutherischer Theologien durchaus sehr nahe. Dass auf diesen Sachverhalt nicht eingegangen wird und – abgesehen von Moltmann als Kontrastfigur zur Darstellung von Torrance’ Schöpfungslehre – so gut wie kein neuerer Trinitätstheologe aus dem deutschsprachigen Bereich auch nur genannt wird, zeigt zweierlei: zum einen, dass die theologischen Diskurszusammenhänge sich zwischen dem anglophonen und dem deutschsprachigen Bereich stärker als im 20 Jh. separiert haben; zum anderen, dass gemeinsame Anliegen und Problemerfassungen von theologischen Zusam­menhängen zur Profilierung der eigenen Position zu nicht durchschauten Missverständnissen führen, die insgesamt nur als gefährlich zu bezeichnen sind.
Die primäre Absicht M.s, eine deskriptive Darstellung von Torrance’ Theologie zu geben, gelingt allerdings sehr gut. Schon um die genannte Gefahr gegenwärtiger theologischer Wissenschaftspraxis nicht weiter zu fördern, ist dem Buch gerade im deutschen akademischen Bereich eine große Leserschaft zu wünschen.