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Ausgabe:

Juni/2013

Spalte:

723–724

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Hilberath, Bernd Jochen, u. Matthias Scharer

Titel/Untertitel:

Kommunikative Theologie. Grundlagen – Erfahrungen – Klärungen. Völlig neubearb. Aufl.

Verlag:

Ostfildern: Matthias-Grünewald-Verlag 2012. 324 S. = Kommunikative Theologie, 15. Kart. EUR 25,00. ISBN 978-3-7867-2900-6.

Rezensent:

Christian Grethlein

Das von dem Tübinger Dogmatiker Bernd Jochen Hilberath und dem Innsbrucker Katechetiker/Religionspädagogen Matthias Scha­rer gemeinsam verantwortete Werk stellt den – gegenüber dem Vorläufer zehn Jahre zuvor – völlig neubearbeiteten Grundlagenband des Konzeptes »Kommunikative Theologie« dar. Dieser auf eine neue theologische Kultur zielende katholische Ansatz ist mittlerweile nicht nur in über 30 Publikationen der beiden diesbezüglichen Reihen ausgearbeitet (»Kommunikative Theologie« bei Matthias-Grünewald; »Kommunikative Theologie interdisziplinär« bei LIT; Zusammenstellung dieser Bände s. 315–318), sondern hat auch konkreten Niederschlag in erprobten Lehrformaten gefunden.
Dem entspricht die Mischung zwischen Berichten aus der Praxis und abstrakten dogmatischen Passagen. Sie macht die Lektüre nicht ganz einfach, aber durchaus reizvoll. Nicht zuletzt das konkrete Verständnis des Schlüsselbegriffs »Kommunikative Theologie« oszilliert in den verschiedenen Teilen des Bandes, die jeweils übersichtlich in Zwischenbilanzen zusammengefasst werden. So wird am Ende des vorwiegend durch Praxisbeispiele einführenden ersten Teils »Kommunikative Theologie« folgendermaßen definiert: »ein offenes theologisches Handlungskonzept, das sich so­wohl auf theologische Forschung als auch auf universitäre Lehre, auf Fort- und Weiterbildung in religiösen Zusammenhängen und auf Verständnis und Leitung kirchlicher/religiöser Organisationen bezieht« (60). Etwas später wird sie als »Glaubenspraxiswissenschaft« (122) präsentiert. Kurz danach findet sich die ekklesiologisch aufgeladene Aussage: »Kommunikative Theologie ist also Theologie, welche die kommunikative Praxis der ›Communio‹ der Glaubenden reflektiert.« (128) Und schließlich wird der Ansatz in die »kontextuelle[n] und Korrelative[n] Theologien« (229) eingeordnet.
Dabei sind aber die beiden substantiellen Bestandteile der vorgestellten »Kommunikativen Theologie« noch nicht genannt: die Themenzentrierte Interaktion nach Ruth Cohn und eine wesentlich auf »den Glaubensvollzug der Kirche als der Gemeinschaft gläubiger Subjekte« (121) ausgerichtete katholische Dogmatik.
Hieraus ergeben sich Spannungen im Konzept. Auf der einen Seite wird im zweiten Teil detailliert in die TZI-Methode eingeführt (63–11). Sie gibt durch die Grundbegriffe »ICH«, »WIR«, »ES« und »GLOBE« (s. z. B. 104.111) die entscheidenden Impulse für die Gliederung der folgenden Teile: In »Kommunikation und Theologie« (112–141) wird das »Ich« – im Gegenüber zum Du (Buber, Lévinas, Ricœur) – entfaltet; es folgen Überlegungen zu »Geheimnis und ›Selbstmitteilung‹ des kommunikativen Gottes in der Kommunikationsgeschichte der Menschen« (142–179), bei denen es in TZI-Terminologie um das »ES« geht; dann die Teile »Die Subjekte Kommunikativer Theologie und ihre fragilen WIR-Gemeinschaften« (180–206) sowie »Der vergessene ›Globe‹ …« (207–231). Auf der anderen Seite bildet theologisch die Trinitätslehre die Basis. Aus ihr wird ein Verständnis von Gott als »dem kommunikativen Wesen« (155) abgeleitet. Die Entscheidung des Konzils von Nicäa gilt als »kopernikanische Wende« (120).
An dieser Stelle zeigt sich, dass insgesamt das dogmatische Argument den kommunikationstheoretischen Zugang domestiziert. Denn diskurstheoretisch läge – in den Spuren M. Foucaults (der keine Erwähnung in dem Band findet) – eine Rekonstruktion der Machtförmigkeit des trinitarischen Dogmas und damit dessen kontextuelle Relativierung und Problematisierung nahe (s. aber ohne jede Berücksichtigung des machtpolitischen Kontextes der Konzilsentscheidung: 150). Dagegen versuchen die Autoren, das Dogma durch metaphorisch gewendete Sprache kommunikativ zu plausibilisieren: »Dass Gott selbst sich in Jesus von Nazareth und im Heiligen Geist mitteilt, offenbart ihn als kommunikatives Wesen, als Gott, der beziehungsfähig ist.« (156) Dies mag von Nicäa her Dogmatikern einleuchten, an gegenwärtige Kommunikationstheorie ist es nicht anschlussfähig. – Neben solchen wohl noch weiter zu diskutierenden Konzeptionsfragen liegt aber ein weiterer, schon im ersten Teil hervortretender Schwerpunkt auf eher praktischen Fragen nicht zuletzt konkreter Lehre. Der letzte Teil »Was ist und wie ›geht‹ kommunikatives Theologisieren? – Eine Handreichung« (232–289) nimmt diese Spur wieder auf.
Insgesamt nötigt das Engagement der beiden katholischen Theologen großen Respekt ab. Ihr Bemühen um ein Theorie und Praxis gleichermaßen umfassendes Theologieverständnis ist vorbildlich und die in den letzten zehn Jahren entstandenen Arbeiten verraten bewundernswerte Weite. Doch sind bei einem genaueren Blick schwierige Reduktionen unübersehbar. Letztlich wird der Kommunikationsbegriff auf die TZI-Methode zurückgeführt, die Theologie in den Spuren Karl Rahners auf eine bestimmte Auslegungstradition des II. Vatikanums.