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Ausgabe:

Juni/2013

Spalte:

706

Kategorie:

Kirchengeschichte: 20. Jahrhundert, Zeitgeschichte

Autor/Hrsg.:

Huesmann, Stefanie

Titel/Untertitel:

Mut zum Bekenntnis. Peter Brunners Widerstand im aufkommenden Nationalsozialismus.

Verlag:

Neuen­dettelsau: Freimund-Verlag 2011. 213 S. m. Abb. Geb. EUR 21,80. ISBN 978-3-86540-102-1.

Rezensent:

Martin Greschat

Nach einem einleitenden Versuch, »Widerstand« zu definieren (9–11), geht die Darstellung weiter zu einem allgemeinen Überblick über das Verhältnis der evangelischen Kirche zur Weimarer Republik und zum Nationalsozialismus vor 1933 (12–24). Es folgt eine ebenso pauschale Darstellung der kirchenpolitischen Vorgänge 1933/34 (25–55). Danach wird der Blick auf die Gemeinde Ranstadt gelenkt, wo Peter Brunner seit dem Oktober 1932 als Pfarrer amtierte (56–60). Seine dortigen Aktivitäten stehen dann im Mittelpunkt (61–133).
Brunner wirkte zunächst gleichzeitig als Privatdozent für Systematische Theologie an der Universität Gießen – wozu der Leser kaum etwas erfährt –, sammelte seine Ranstädter Gemeinde für die Bekennende Kirche auf der Linie des Dahlemer kirchlichen Notrechts und erfuhr wachsende Anfeindungen durch Vertreter des Regimes. Das führte 1935 zu einem zwei Monate dauernden Aufenthalt Brunners im Konzentrationslager Dachau. Unmittelbar nach seiner Entlassung erhielt er den Ruf als Dozent an die Kirchliche Hochschule Elberfeld. Darüber und über die weitere Entwicklung der Gemeinde informiert knapp der nächste Abschnitt (134–141), gefolgt von einem ausführlichen Resümee (142–149). Bilder aus dem Leben Brunners (150–152) sowie ein Anhang mit Dokumenten beschließen das Buch (166–213).
Kennzeichnend für die gesamte Darstellung ist der weitreichende Verzicht auf wissenschaftliche Fragestellungen. Das zeigt sich etwa am unreflektierten Reden über »Widerstand« oder »Fa­-schismus«. Die zahlreichen Ungenauigkeiten und Fehler in den sehr allgemein gehaltenen Überblicken sowie die einseitige Konzentration auf die Gemeinde Ranstadt weisen in dieselbe Richtung. Dabei kommt das eigentliche Problem der widerständigen Haltung Brunners und seiner Freunde nicht in den Blick: Die Vfn. behauptet, es habe sich bei der Wendung an die Obrigkeit in der Kanzelabkündigung der Vorläufigen Leitung der Deutschen Evangelischen Kirche am 21. Februar 1935 »natürlich« um eine »Farce« gehandelt (97 f.). Dass es das eben nicht war, machte in hohem Maß das Problem auch von Peter Brunner aus. Er sah sich genötigt, die nationalsozialistische Kirchen- und Religionspolitik zu attackieren – und wollte doch gleichzeitig aus genuin lutherischer Überzeugung ein loyaler Staatsbürger sein! Dass das Regime diese Unterscheidung nicht akzeptierte, dass der Appell an den Rechtsstaat also ins Leere lief, machte Brunner und seine Freunde letztlich hilflos. Diese Problematik bleibt der hier gebotenen wohlwollenden Erzählung fremd. Zum wissenschaftlichen Diskurs trägt sie leider nichts bei.