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Ausgabe:

Juni/2013

Spalte:

700–702

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Seidel, Peter M.

Titel/Untertitel:

Michael Helding (1506–1561). Ein Bischof im Dienst von Kirche und Reich.

Verlag:

Münster: Aschendorff 2012. XVIII, 429 S. = Reformationsgeschichtliche Studien und Texte, 157. Geb. EUR 59,00. ISBN 978-3-402-11581-7.

Rezensent:

Stefan Michel

Für an der Reformationsgeschichte Forschende ist es sicher eine Freude, eine Biographie eines wenig erforschten Theologen des 16. Jh.s näher kennenlernen zu dürfen, zumal wenn dieser in seiner Zeit aufgrund seiner Stellung einiges Ansehen genossen hat. Entsprechend wird die Freiburger Dissertation von Peter M. Seidel von 2011 über Michael Helding auf ein gewisses Interesse stoßen. S. benennt als die beiden Ziele der Arbeit (12 f.) die Darlegung der »biographischen Wegmarken« Heldings und die Erforschung seines »theologischen Standorts«, woraus sich die Zweiteilung des Buches ergibt.
Nach seinem Studium in Tübingen gelangte der Müllerssohn aus Langenenslingen Helding nach Mainz, wo er Dompfarrer und Weihbischof wurde. An den Religionsgesprächen mit den Lutheranern nahm er teil. Als einziger deutscher Bischof besuchte er die Eröffnung des Trienter Konzils. Mit Julius von Pflug arbeitete er im Sinne Karls V. an der »Formula Reformationis« und am Interim mit. 1550 wurde er letzter altgläubiger Bischof Merseburgs, konnte dort aber seine Reformvorstellungen nicht recht entfalten, weil die Reformation schon zu weit vorangeschritten war. Da Helding in kaiserlicher Gunst stand, stieg er 1559 zum Richter am Reichskammergericht in Speyer und 1561 zum Reichshofrat in Wien auf, wo er verstarb.
S. verwendet diese Eckdaten, um im ersten Teil der Studie (3–181) die Biographie Heldings darzustellen. Dafür skizziert er eingangs knapp die Forschungslage und die Quellensituation (1. Kapitel). Der methodische Schwerpunkt soll auf der Unterscheidung zwischen »Reform und Reformation« liegen (13–16): »Es wird im Laufe der Arbeit zu zeigen versucht, ob und inwiefern auf Michael Helding die ihm zugeschriebene Rolle eines Reformers zutrifft.« (16) Nachdem S. die frühe biographische Entwicklung zügig abgehandelt hat (2. Kapitel), stellt er Heldings reichspolitisches Wirken zwischen dem Regensburger Reichstag von 1546 und dem Augsburger von 1548 näher dar (3. Kapitel). Seiner Beteiligung an den kaiserlichen »Reformschriften« widmet S. ein eigenes Kapitel (4.: »Reform und Vergleichung«). Etwas blass bleibt der Abschnitt über den »Fürstbischof von Merseburg 1550–1561« (5. Kapitel). Wieder eher reichspolitisch orientiert ist das 6. Kapitel über Heldings »Frie densbemühungen« zwischen Augsburger Religionsfrieden und Wormser Religionsgespräch. Vergleichsweise ausführlich schildert S. im 7. Kapitel die Arbeit am Reichskammergericht (123–161), ohne dabei jedoch Heldings Anteil besonders zu profilieren. Schließlich trägt S. die wenigen bekannten Fakten über Heldings Tätigkeit als Reichshofrat in Wien zusammen (8. Kapitel).
Der zweite Teil widmet sich in sieben Kapiteln dem »Theologen in seinen Schriften« (185–366). Dafür hat sich S. zahlreiches Quellenmaterial vorgenommen – neben den Predigten Heldings vor allem die Mainzer Reformstatuten von 1549 und den Liber Merseburgensis, mit dem der Bischof die kirchlichen Verhältnisse zu ordnen versuchte. Kurz schildert er die Auseinandersetzung mit Matthias Flacius Illyricus (341–349). Die detailreichen Quellenreferate sind einerseits sehr interessant, weil sie wenig bekanntes Material zum Sprechen bringen, andererseits durch fehlende Diskussionen etwas ermüdend. Dabei böte sich dafür des Öfteren die Gelegenheit: Beispielsweise erwähnt S. bei der Darstellung der Katechismuspredigten Heldings, dass bei der Auslegung des 5. Gebots »erasmische Gedanken« anklingen (296). Statt dies aber näher zu belegen, wird man nur auf »Krieg und Frieden« von Erasmus verwiesen. Eine stärkere Verbindung des ersten Teils mit dem zweiten wäre sicher geschickter gewesen, weil so ein lebendigeres Bild entstanden wäre. So macht das Buch eher einen etwas »altmodischen« Ein druck, da »Leben« und »Werk« getrennt voneinander dargestellt werden. Dieses Vorgehen ist aber methodisch heute in der Kirchengeschichtsschreibung alles andere als unumstritten.
Die Edition des Heldingschen Testaments (367–375) sowie »Biographische Kurzportraits« (410–421), deren Auswahl nicht ganz klar ist, runden den flüssig geschriebenen Band ab. Trotz akribischer Quellenarbeit bleibt das Bild des Protagonisten recht unscharf. Dies liegt sicher zum einen am Material selbst, das für Helding sehr mager zu sein scheint. Er war »kein Publizist« (353), sondern ein »Prediger« (354), kein »Humanist im vollen Wortverständnis« (358), kein »Kontroverstheologe« (359), sondern eher ein »Vermittlungstheologe« bzw. ein »moderater« oder »Reformtheologe« (361). Zum an­deren entsteht das unscharfe Bild durch methodische Schwächen.
Die Studie leidet darunter, dass mit ihr viel gezeigt werden soll, aber durch unsaubere Terminologie, wie z. B. das Schwanken zwischen »Lutheranern« und »Protestanten«, die Darstellung oft nicht auf den Punkt kommt. So hätte man Heldings Reformbemühungen in Merseburg (221–243) durchaus mit Hilfe des Konfessionalisierungsparadigmas diskutieren können, auch wenn dies vielleicht nur als Versuch einer katholischen Konfessionalisierung zu werten gewesen wäre. Schließlich fehlen Vergleiche zu zeitgenössischen Theologen, die nur sehr spärlich vorkommen, für eine Einordnung jedoch notwendig sind. Gelegentliche Fehler – 1529 war Johann noch sächsischer Kurfürst, nicht Johann Friedrich (28, Anm. 126); der Heidelberger Katechismus stammt natürlich nicht von Heinrich Bullinger (252) – hätten vermieden werden können, fallen aber kaum ins Gewicht.
Ein Personenregister erleichtert die Benutzung des Buches.