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Ausgabe:

Juni/2013

Spalte:

699–700

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Bullinger, Heinrich

Titel/Untertitel:

Briefwechsel. Bd. 14: Briefe des Jahres 1544. Bearb. v. R. Bodenmann, R. Henrich, A. Kess, J. Steiniger. Unter Benützung der Abschriften v. E. Egli u. T. Schieß. Philologische Beratung durch R. Jörg u. B. Schnegg.

Verlag:

Zürich: Theologischer Verlag Zürich 2011. 645 S. = Heinrich Bullinger Werke. Zweite Abteilung: Briefwechsel, 14. Lw. EUR 132,00. ISBN 978-3-290-17565-8.

Rezensent:

Ernst Koch

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Bullinger, Heinrich: Briefwechsel. Bd. 13: Briefe des Jahres 1543. Bearb. v. R. Henrich, A. Kess, Ch. Moser. Unter Benützung d. Abschriften v. E. Egli u. T. Schieß. Philologische Beratung durch R. Jörg u. B. Schnegg. Zürich: Theologischer Verlag Zürich 2008. 381 S. = Heinrich Bullinger Werke. Zweite Abteilung: Briefwechsel, 13. Lw. EUR 96,00. ISBN 978-3-290-17459-0.


Diese beiden Bände des Briefwechsels des Nachfolgers Zwinglis in Zürich unterscheiden sich bereits auf den ersten Blick durch ihren Umfang. In den 123 Brieftexten des Jahres 1543, unter denen 100 erstmals veröffentlicht werden, spiegelt sich neben dem Dauerthema Kirchenzuchtfragen innerhalb der Eidgenossenschaft die erneut steigende Spannung mit Luther anlässlich eines Briefes von Luther an den Buchdrucker Christoph Froschauer wider – ein Vorgang, der auch Bullingers Kontakt mit Martin Bucer belastete. Hinzu kam, dass Johannes Lening Bullinger in Verlegenheit brachte. Der Melsunger Theologe wies darauf hin, dass sich zwischen Bullingers Einstellung zur Geltung biblischer Gebote und seiner Verurteilung der Polygamie sowie der täuferischen Ethik Widersprüche ergäben. Noch blieb das vertrauensvolle Verhältnis zu Oswald Myconius ungetrübt. Neu war die 1543 gewachsene Inanspruchnahme des Zürcher Antistes durch Angelegenheiten in Biel sowie der Kontakt, der sich mit der Reformationsbewegung in Venedig einstellte.
Über drei Briefe von Martin Hentius, der in Wittenberg studierte, entstand eine direkte Verbindung mit Wittenberg. Theologisch erwähnenswert ist Bullingers Formulierung einer doppelten Ge­rechtigkeit im Kontext der Vorrede zum Johanneskommentar (iustitia iustificans – iustitia obediens) (216.748 f.). Dies alles ereignete sich im Horizont der Ereignisse um den Reformationsversuch von Hermann von Wied in Köln und die Übernahme der Regentschaft über die Grafschaft Mömpelgard vor den Toren Basels durch Herzog Christoph von Württemberg, einen überzeugten Anhänger der Wittenberger Reformation, was Eingriffe in die Gottesdienstpraxis als Konsequenz befürchten ließ.
Band 14 mit dem Briefwechsel des Jahres 1544 legt 227 Brieftexte vor. Was Bullingers Briefpartner betrifft, ist eine leichte Trübung im Verhältnis zu dem über Jahre hinweg vertraut gebliebenen Oswald Myconius zu beobachten. Dieser hatte zwei Abendmahlspredigten gehalten, die in Zürich Missfallen erregten. Die Veränderung in Bullingers Verhältnis zu Myconius ist auch daran abzulesen, dass sich nun der Briefkontakt zwischen dem Zürcher und Johann Gast in Basel intensivierte. Am Ansteigen der Anzahl der von Bullinger empfangenen und beantworteten Briefe im Jahre 1544 waren auch Ambrosius Blarer und Eberhard von Rümlang in Bern beteiligt. Der Letztgenannte war eine Stütze des Zwinglianismus in der sich in diesem Jahr abzeichnenden Zunahme des Einflusses Martin Bucers in Bern.
Die gestiegene Korrespondenz mit Genf hatte ihren wohl wichtigsten Grund in der Veröffentlichung von Luthers sog. »Kurzen Bekenntnis« vom Abendmahl im Sommer 1544, das seine strikte und endgültige Absage an die zwinglianische Theologie enthielt. Hier war der Zusammenhalt der schweizerischen Reformation als Ganzer angesagt. Vorsicht war auch angesichts einer auf den Weg gebrachten großen Ausgabe der Werke Zwinglis und einer Biographie Zwinglis angesagt. Hinter solchen Projekten lauerten für manche Zeitgenossen Spannungen mit Wittenberg, ja, Bucer lastete die Ursache solcher Spannungen den Schweizern an. Als Be­sonderheit kann gelten, dass der Briefjahrgang 1544 eine Reihe von inserierten Briefen dritter Verfasser enthält, die nicht nur für die Textgeschichte aufschlussreich sind. Den Bearbeitern ist es gelungen, eine Reihe von in der Überlieferung nicht genannten Briefschreibern zu ermitteln. Auch die Druckgeschichte des 16. Jh.s erhellende Nachrichten sind aus den Briefen zu erheben.
Textbearbeitung und Kommentierung beider Bände ist in gewohnt umsichtiger Weise erfolgt.
Mit Band 13 verabschiedet sich Reinhard Henrich als Leiter des Herausgeberkreises. An seine Stelle ist mit Band 14, in der Übergangszeit gut begleitet durch ihn, Reinhard Bodenmann getreten. Aufmerksamkeit verdient, dass sich nach Ausweis der Einleitung zu den Registerteilen die Kriterien der Registererstellung geändert haben. So werden künftig auch alle brieflichen Erwähnungen von Bullingers Werken in das Register aufgenommen.
Man legt die beiden Bände zur Seite mit dem Eindruck, dass sowohl im zeitgeschichtlichen Kontext zwischen den Jahren 1543 und 1544 als auch in der Bearbeitung und der ersten Erschließung der Texte ein Einschnitt liegt. Die Reformationsgeschichte kann sich glücklich preisen, dass sie mit einer Briefausgabe arbeiten kann, die – wie Bodenmann schreibt – neben dem Briefwechsel Melanchthons die »bedeutendsten epistolarischen Quellen enthält– und zwar in allen Bereichen der damaligen Zeit, sowohl in politischer, kultureller, kirchenhistorischer, mentalitätsgeschichtlicher, biographischer wie wirtschaftlicher, ja manchmal sogar meteorologischer und astronomischer Hinsicht« (20). Angesichts der ökonomischen Entwicklungen der Gegenwart verdient die un­beirrte Fortsetzung der Arbeit an diesem Briefwechsel respektvoll dankbare Würdigung.