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Ausgabe:

Juni/2013

Spalte:

688–689

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Paschke, Boris

Titel/Untertitel:

Particularism and Universalism in the Sermon on the Mount. A Narrative-Critical Analysis of Matthew 5–7 in the Light of Matthew’s View on Mission.

Verlag:

Münster: Aschendorff 2012. XI, 286 S. = Neutestamentliche Abhandlungen. Neue Folge, 56. Lw. EUR 50,00. ISBN 978-3-402-11439-1.

Rezensent:

Boris Repschinski

Die Monographie von Boris Paschke ist die revidierte Fassung einer im Jahr 2009 an der Universität Leuven eingereichten und von Martin Webber begleiteten Dissertation, die sich auf narrativer Ebene mit der Frage nach der Universalität der Mission im Matthäusevangelium beschäftigt. P.s Ausgangspunkt, belegt durch einen Forschungsbericht im ersten Kapitel, ist die verbreitete These, dass dem universalen Missionsauftrag an die Jünger in Mt 28 ein innerjüdischer Missionsauftrag vorangeht, belegt durch die Aussendungsrede Mt 10. P.s Interesse ist es, diese These als unrichtig zu er­weisen. Er tut dies mit dem Appell an ausgewählte Texte der Bergpredigt.
Kapitel 1 enthält neben dem Forschungsbericht die Vorstellung der narrativen Kritik als Methode der Untersuchung. Kapitel 2 bietet eine detaillierte Untersuchung von Mt 5,13–16. Hier findet P. den wichtigsten Belegtext für seine These. Das Argument fußt stark auf dem letzten Teil von 5,16. Die von den Jüngern zur Schau gestellten guten Werke versteht P. als Reflexionen der Werte des Himmelreiches, die Jünger selbst werden zu Repräsentanten des Reichs. Dies inkludiert möglicherweise auch eine gesprochene Verkündigung. Das Ziel der guten Werke ist das Lob des Vaters, ihre Adressaten sind nicht innerjüdisch zu suchen, sondern universal unter allen Menschen. Der Rest des Kapitels versucht zu zeigen, wie diese Mission der Jünger in anderen Teilen des Evangeliums wieder aufgenommen wird. Hier macht P. deutlich, dass der Auftrag in 5,13–16 nicht einfach eine Vorwegnahme von 28,19 ist.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit drei Erwähnungen von Heiden in der Bergpredigt. Hier stellt P. fest, dass 5,47; 6,7–8.31–32 die universale Mission der Jünger nicht berühren. Das vierte Kapitel widmet sich ausschließlich dem Logion 7,6, das metaphorisch interpretiert und als Anspielung auf jüdische Führer gelesen wird und daher nicht die universale Mission einschränkt. Das fünfte Kapitel schließlich behandelt 7,24–27 als ein Gleichnis, das die universale Mission in den Blick nimmt.
Im sechsten Kapitel fasst P. die Ergebnisse seiner Untersuchungen zusammen. Die universale Mission der Jünger, die in der Bergpredigt sichtbar wird, unterminiert die These von einer matthä­ischen Einteilung des Auftrags an die Jünger in eine vorösterliche, auf das jüdische Volk beschränkten Mission, die von einer nachösterlichen, an alle Völker gerichtete Mission abgelöst wird. Stattdessen schlägt P. vor, die innerjüdische Mission als interimistisch zu betrachten. Die Arbeit endet nach dem siebenten und letzten Kapitel mit einem Literaturverzeichnis und verschiedenen In­dizes.
Das Buch ist eine gute Erinnerung daran, dass das Verhältnis von innerjüdischer und universaler Mission im Matthäusevangelium durchaus schwierig ist. Doch macht es sich P. zu einfach, wenn er als Konsens der Forschung ein einfaches chronologisches Modell anbietet. Zunächst wäre hier nämlich zu fragen, ob denn beide Missionen so antagonistisch zu verstehen sind, wie P. suggeriert. Zudem scheint P. ja von dem chronologischen Modell nicht Abstand zu nehmen, er erweitert es lediglich. Dies löst jedoch das von ihm zu Recht identifizierte Problem nicht. Ganz im Gegenteil, jetzt stellt sich doch umso dringender die Frage, warum plötzlich eine partikularistische Interimsphase auftreten sollte. Schließlich ist anzumerken, dass in den letzten Jahren einige Arbeiten erschienen sind, die das chronologische Modell in Frage stellen.
Ein weiteres Problem taucht auf, wenn die Bedeutung von 5,13–16 für die universale Mission so herausgestellt wird. Nimmt man die Missionsaufträge von 10,5–8 und 28,19–20, so werden in einigem Detail die Aufgaben der ausgesandten Jünger beschrieben. Solche Beschreibungen fehlen jedoch in 5,13–16. Mehr noch, es handelt sich hier um keine eigentliche Sendung, sondern es geht um die Strahlkraft der guten Werke. Letztlich überzeugt mich die These von einer universalen Mission hier nicht; eine konsequenter angewandte narrative Methode hätte hier vielleicht für mehr Differenziertheit gesorgt.
Insgesamt ist zu sagen, dass P. durchaus seinen Finger auf ein ge­wichtiges Problem der Matthäusinterpretation legt. Zudem lenkt er zu Recht den Blick auf in der Forschung gelegentlich vernachlässigte Stellen. Allerdings sind die gebotenen Lösungsansätze wohl noch nicht das letzte Wort in der Sache.