Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juni/2013

Spalte:

684–685

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Inkelaar, Harm-Jan

Titel/Untertitel:

Conflict over Wisdom. The Theme of 1 Corinthians 1–4 Rooted in Scripture.

Verlag:

Leuven: Peeters Publishers 2011. XVIII, 351 S. = Contributions to Biblical Exegesis & Theology, 63. Kart. EUR 47,00. ISBN 978-90-429-2565-6.

Rezensent:

Dieter Zeller

Die im Oktober 2010 in Tilburg angenomene Dissertation (Ph. D.) von Harm-Jan Inkelaar untersucht den Schriftgebrauch in den ersten vier Kapiteln des 1. Korintherbriefs. Ihr hauptsächliches Er­gebnis, dass alle Zitate in ihrem ursprünglichen Kontext mit Weisheit zu tun haben, wird im Untertitel der gedruckten, leicht ge­kürzten Fassung stärker deutlich. Doch bevor das im 3. Teil entfaltet wird, skizziert der 1. Teil die Forschungsgeschichte und die methodischen Voraussetzungen: vor allem, dass Paulus den jeweiligen Zusammenhang seiner Schriftzitate berücksichtigt und dass die Leser damit vertraut sind, was alles andere als selbstverständlich ist.
Der 2. Teil fragt nach der literarischen Struktur des zunächst in Übersetzung vorgestellten Textes und seiner Thematik und sucht das herausgearbeitete Hauptthema »Weisheit« in der Situation der Korinther und in der Religionsgeschichte zu verorten. Dazu drei Anmerkungen:
1. Während I. die propositio für 1,10–4,21 in 1,18 findet, obwohl dort das Wort »Weisheit« gar nicht vorkommt, sehe ich sie in 1,17b, allerdings nur mit einer Reichweite bis 2,5.
2. Hätte I. in diesem Halbvers (und in 2,4) das modale ἐν besser gewichtet, hätte er gemerkt, dass es vor allem um die Art und Weise der Verkündigung geht und nicht um ihren Inhalt (143).
3. I. schließt sich der Forschungsrichtung an, die das letzte Viertel des vergangenen Jh.s beherrschte; danach hatte die Weisheit der korinthischen Christen eine hellenistisch-jüdische Prägung (114. 146).
Auch die übrigen in 1Kor berührten Probleme werden mit »Ideen« bzw. »Traditionen« einer »Bewegung« namens »Hellenistic Judaism« (112) zusammengebracht; da aber Korinth nicht Alexandrien ist, muss Apollos wieder als Brücke herhalten. Eine Alternative zu diesem gängigen Auslegungsparadigma hätte I. mein Anfang 2010 erschienener Kommentar (KEK 5) geboten, den er offensichtlich nicht kennt: Danach ist die Weisheit schlicht und einfach die, welche die Griechen suchen (1,22b), wobei I. ihre rhetorische Komponente zu Unrecht minimalisiert. Die Juden fordern etwas anderes (anders 311, wo die Zeichenforderung der Juden als Teil der Weisheit dieser Welt betrachtet wird). Dementsprechend sind auch mit den »Weisen«, deren Weisheit Gott zunichtemacht (1,19 f.), trotz ihrer pauschalen Zuordnung zu »dieser Welt« in erster Linie die griechischen gemeint. I. aber folgt Lautenschlager und fasst γραμματεύς und συζητητής (44, Anm. 16 ) »as the Jewish and the Greek explication of σοφός«. Doch von einem jüdischen Schriftgelehrten würde Paulus wohl nie sagen, er habe durch seine Weisheit Gott nicht erkannt (V. 21a).
Die subtilen Analysen der alttestamentlichen Vorlagen im 3. Teil machen wohl Beobachtungen, die für nicht speziell jüdische Weise bzw. »literate men« in 1,19 f. sprechen (186: Weglassung des Possessivpronomens bei Jes 29,14b LXX; 192: Jes 29,12, das für 1,20a maßgebend sei, hat ägyptische Weise im Auge, wie γραμματικοί, Jes 33,18 ägyptische Schriftkundige), I. wertet sie aber nicht aus. Um seine eigentliche These vom Bezug der zitierten Stellen zur Weisheit plausibel zu machen, fasst I. »Kontext« sehr weit und spürt in diesen Textfeldern nicht nur wörtliche Anklänge, sondern auch Topoi und Themen auf, die sich bei Paulus in der Umgebung des Zitats »reflektieren« sollen. Dennoch kommt er bei 2,9.16 in Beweisnot, täuscht aber darüber hinweg, indem er die »Herrscher dieses Äons« 2,6.8 mit den Königen von Jes 52,15 – ein Vers, der doch von Jes 64,4, der Grundlage des Verweises auf die Schrift in 2,9, recht weit entfernt ist – und den Herrschern von Tanis Jes 19,11 f. zusammenbringt (264 f.), deren Berater »Weise« sind. Das ist nur ein Beispiel für die zwar ingeniösen, aber manchmal auch künstlich wirkenden Assoziationen, die doch wohl zu unscharf sind, um die Beziehungen zwischen Texten zu beschreiben. So finden sich in diesem letzten Teil viele zutreffende und wertvolle Bemerkungen zu theologischen Gedanken und Motiven sowohl in den alttestamentlichen Quellen wie im Brief des Paulus; seine Abhängigkeit von diesen wird jedoch nicht am konkreten Text einsichtig gemacht. Man legt diese fleißige Arbeit mit dem Gefühl aus der Hand, dass sie zu viel beweisen will und keinen Fortschritt in der Interpretation von 1Kor 1–4 bringt.