Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juni/2013

Spalte:

661–663

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Hinge, George, and Jens A. Krasilnikoff[Eds.]

Titel/Untertitel:

Alexandria. A Cultur­al and Religious Melting Pot.

Verlag:

Aarhus: Aarhus Universitetsforlag 2009. 176 S. m. Abb. = Aarhus Studies in Mediterranean An­-tiquity, 9. Geb. EUR 33,95. ISBN 978-87-7934-491-4.

Rezensent:

Jürgen Zangenberg

Der neunte Band der Aarhus Studies in Mediterranean Antiquity (ASMA) des Center for the Study of Antiquity der Universität Aarhus, Dänemark, widmet sich der antiken Metropole Alexandria. Der Band geht zurück auf ein internationales Seminar, das im Mai 2004 im Center stattfand und vor allem die Rolle Alexandrias als Kontaktpunkt verschiedener Kulturen der östlichen Mittelmeerwelt aus Sicht der Archäologie, Alten Geschichte, Altphilologie, Religionswissenschaft, Judaistik und frühchristlichen Kulturgeschichte thematisierte. Neben der Einleitung durch die Herausgeber (9–17) umfasst der kurze, aber sehr lesenswerte Band zwei Teile mit insgesamt acht Studien:
Teil I »Alexandria from Greece and Egypt« (21–93) untersucht das Verhältnis des ptolemäischen Alexandria zu seiner griechischen Vergangenheit. In einem ersten Beitrag geht Jens A. Krasilnikoff den städtebaulichen Implikationen dieser Frage nach und zeigt, wie schnell die Ptolemäer eigene Vorstellungen von Urbanität in Alexandria verwirklicht haben und damit ihrerseits neue Standarts für die gesamte antike Welt setzten (»Alexandria as Place. Tempo-Spatial Traits of Royal Ideology in Early Ptolemaic Egypt«, 21–41). Marjorie Susan Venit führt diese Thematik mit Blick auf die monumentalen Grabanlagen fort. Grabanlagen stellen ja bekanntlich in mancher Hinsicht die einzigen architektonischen Zeugen für die ideologische Orientierung der alexandrinischen Elite (m. E. jedoch kaum der gesamten Bevölkerung) dar. »Theatrical Fiction and Vis­ual Bilingualism in the Monumental Tombs of Ptolemaic Egypt« (42–65) betont, dass die Gräber in besonderer Weise die neue, inklusive ägypto-hellenische Identität der Elite und deren konstruierte Hoffnung aufs postmortale Geschick ausdrücken. George Hinges Beitrag »Language and Race. Theocritus and the Koine Identity of Ptolemaic Egypt« fügt dem einen weiteren wichtigen Aspekt hinzu. Die gemeinsame Koine-Sprache samt der dazugehörigen litera­rischen Ausdruckswelt trug als bewusste kulturelle Konstruktion maßgeblich zur Schaffung einer neuen »hellenischen« Identität bei (66–79). Unterschiede wurden minimiert, Ähnlichkeiten maximiert. Minna Skafte Jensens Beitrag »Homeric Scholarship in Alexandria« setzt diesen Gedanken fort und widmet sich der Institution, die mehr als jede andere für diese neue kulturelle Identität verantwortlich ist: dem Museion, sowie dessen vornehmlichstem Vehikel – der philologischen Erforschung und Interpretation Ho­mers (80–93).
Teil II »Rome, Judaism and Christianity« befasst sich verschiedenenen Aspekten des Kontakts zwischen Rom, Judentum und Christentum, behandelt also eine deutlich längere Zeitspanne als der voraufgehende Abschnitt I (97–175). Im ersten Beitrag untersucht Per Bilde Philos Rolle als Apologet und offizieller Gesandter der alexandrinischen jüdischen Gemeinde an den Hof Caligulas (»Philo as a Polemist and a Political Apologist. An Investigation of his Two Historical Treatises Against Flaccus and The Embassy to Gaius«, 97–114). Bilde thematisiert dabei nicht nur das komplexe und spannungsgeladene Verhältnis zwischen Juden und Griechen in Alexandria, sondern auch, wie tief verwurzelt beide apologetische Werke in der antiken, nicht nur jüdischen Literatur waren. In seinem Beitrag »Alexandrian Judaism. Rethinking a Problematic Cultural Category« (115–143) befasst sich Anders Klostergaard Petersen hingegen vor allem mit der methodischen Frage, wie zuverlässig moderne Rekonstruktionen von »Kultur« angesichts der Fragmentarität unserer Quellen überhaupt sein können.
Die Relevanz solch vorsichtiger Zurückhaltung ist vor allem im Hinblick auf die Erforschung des alexandrinischen Judentums unmittelbar einsichtig und hat Konsequenzen für die Frage, wie repräsentativ die uns zur Verfügung stehenden Informationen (etwa aus Philo) für die Eruierung des Gesamtprofils des alexandrinischen Judentums überhaupt sein können.
Die beiden letzten Studien des Bandes befassen sich mit dem frühen Christentum. Samuel Rubenson untersucht die Transformation des klassischen Erbes in der frühmittelalterlichen christlichen Kultur (»From School to Patriarchate. Aspects on the Chris­tianization of Alexandria«, 144–157). Die Studie ist zugleich eine gut lesbare Einführung in die Geschichte des frühen alexandrinischen Christentums, dessen Be­ginn mangels Quellen oft im Dunkeln bleiben muss. Troels Myrup Kristensens Beitrag »Religious Conflict in Late Antique Alexandria. Christian Responses to ›Pagan‹ Statues in the Fourth and Fifth Centuries CE« (158–175) widmet sich der oft diskutierten Frage nach dem Verhältnis christlicher Gruppen zu heidnischen Bildwerken und damit zum in der Spätantike noch stets pagan be­stimmten öffentlichen Raum. Auch hier ist Differenzierung nötig: »(E)ven in a place where religious conflict was seem­ingly rampant in Late Antiquity, it is still possible to locate a very broad range of Christian responses to the pagan past.« (172) Da die Literaturhinweise den je­weiligen Artikeln folgen und leider keine Register beigefügt sind, besteht der Anhang lediglich aus einer Liste der Autoren (176).
In der Zusammenschau der Beiträge gelingt es zu verdeut­-li­chen, wie sehr Alexandria seit seiner Gründung Schmelztiegel un­terschiedlichster Kulturen und Ort des kreativen Mit- und Ne­beneinanders diverser Milieus war. »(T)hroughout the entire span of Greco-Roman antiquity Alexandria represented a meeting place for many ethnic cultures and the city itself was subject to wide range of local developments, which created an formatted a distinct Alexandrine ›culture‹ as well as several distinct ›cultures‹« (9). Ob­wohl im Vorwort bereits darauf hingewiesen wird, dass Alexandria nicht der kulturelle Fremdkörper war, den die ältere Forschung im Ge­genüber zu Ägypten gern postulierte, und verschiedene Beiträge aus ihrer jeweiligen Thematik heraus auch die Bezüge Alexandrias zur indigenen ägyptische Kultur betonen, macht sich das Fehlen eines eigenen Beitrags zu »Ägypten und Alexandria« doch bemerkbar. Dessen ungeachtet ist der verdienstvolle Band allen zu empfehlen, die an der Geschichte und Kultur dieser un­glaublich lebendigen und komplexen antiken Metropole interessiert sind.