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Ausgabe:

April/1996

Spalte:

383 f

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Körner, Bernhard

Titel/Untertitel:

Melchior Cano –­ De locis theologicis. Ein Beitrag zur Theologischen Erkenntnislehre.

Verlag:

Graz: Styria Medienservice 1994. 446 S. gr. 8o. Pp. öS 590.­. ISBN 3-7012-0023-8.

Rezensent:

Ernst Koch

Das Hauptwerk des spanischen Dominikaners Melchior Cano (um 1509-1560) geriet im 20. Jh. mit Albert Langs Dissertation (Die Loci theologici des Melchior Cano und die Methode des dogmatischen Beweises, München 1925) und der Fundamentaltheologie des gleichen Autors (1954) erneut in das systematisch-theologische Fachgespräch. Das vorliegende Werk widmet sich im Anschluß an einen Forschungsüberblick in seinem Mittelteil (93-327) einer eingehenden Analyse des 1563 erstmals (ohne die beiden abschließenden Bücher XIII und XIV) erschienenen, im Titel genannten Buches. Festgehalten ist, daß der eigentliche innere Anlaß für die Arbeit des spanischen Dominikaners die Frage nach dem Wesen der kirchlich-theologischen Autorität war. Gegenüber der bisherigen Forschung neu ist die Betonung der Unterscheidung einer theologischen Sachebene, die die 10 Instanzen Heilige Schrift, Tradition, Gesamtkirche, Konzil, römische Kirche, Kirchenväter, Theologen, außerchristliche Philosophie, Vernunft und Geschichte analysiert und (teilweise) zueinander ins Verhältnis setzt, von einer argumentationstheoretischen Ebene, die eine hierarchische Anordnung der theologischen Loci, auf ein kirchliches Lehramt bezogen, nicht kannte, "Für Cano spielt sich das Leben und Lehren der Kirche, insofern es im Rahmen der Vermittlung der Offenbarung Verbindlichkeit und Normativität beanspruchen kann, eben in diesen sieben Bereichen ab", nämlich im Bereich der ersten sieben der genannten Instanzen (334). Das bedeutet, daß es Glaube und glaubenswissenschaftliche Erkenntnis sind, die der theologischen Systematik ihre Gestalt geben. Das Urteil über eine theologische Aussage bildet sich ­ das zeigt eine Schwerpunktverlagerung gegenüber Thomas von Aquin an ­ durch den "Rekurs auf die sie verbürgende kirchliche Instanz" (340).

Der Schlußteil von K.s Buch geht den theologisch-systematischen Problemen nach, die im Kontext des II. Vatikanischen Konzils diskutiert worden sind. Hier wird der Versuch gemacht, Melchior Cano sozusagen weiterzudenken oder auch ihn besser zu verstehen, als er sich selbst verstehen konnte. K. teilt die Überzeugung, daß die dogmenhermeneutische Einbeziehung des geschichtlichen Denkens in das "offizielle Denken der Kirche" durch die Dogmatische Konstitution Dei Verbum "eine epochale Wendung für die katholische Theologie und Kirche" gebracht habe (389). Der letzte Abschnitt des Buches wendet sich somit Grundzügen einer theologischen Erkenntnislehre auf der Basis von Melchior Canos Lehre von den Loci theologici zu (404-427).

So ist dieses Werk ein eindrucksvolles Beispiel für eine dogmengeschichtliche Analyse mit dem Ziel einer systematisch-theologischen Fortschreibung für die Gegenwart und damit die Realisierung der durch seinen Autor erhobenen Tatbestände und ihrer Konsequenzen. Gerade im Blick auf die der Kirchenhistorie aufgetragene Arbeit ist es nützlich zu notieren, daß für K. die wissenschaftliche Theologie "das lange Gedächtnis der Kirche" ist, das die Aufgabe hat, "die Erinnerung an viele kirchlich anerkannte, aber auch verworfene Ausgestaltung des Glaubensverständnisses wachzuhalten" (426). Freilich setzt dies auch die (kritische) Annäherung an die Behauptung Melchior Canos voraus, daß die Kirche keine anderen Augen habe als die der Theologen.

Hinzuweisen ist noch auf den knappen Quellenanhang, den die Arbeit enthält, und auf den nicht nur für ihre spezielle Zielstellung wichtigen Exkurs "Topik ­ Toposforschung ­ Theologie" (393-404).