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Ausgabe:

Mai/2013

Spalte:

576–577

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Dingel, Irene [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Der Adiaphoristische Streit (1548–1560). Bearb. v. J. M. Lies u. H.-O. Schneider.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2012. IX, 1013 S. m. 15 Abb. = Controversia et Confessio, 2. Geb. EUR 150,00. ISBN 978-3-525-56010-5.

Rezensent:

Albrecht Beutel

Aus der Reihe »Controversia et Confessio«, welche die zwischen dem Augsburger Interim (1548) und der Ausfertigung der Konkordienformel (1577) bzw. des Konkordienbuches (1580) ausgetragenen protestantisch-theologischen Auseinandersetzungen in kritischer Auswahledition zu präsentieren beabsichtigt, ist der unlängst erschienene Band zum Adiaphoristischen Streit anzuzeigen. Diese mit großer Heftigkeit breit ausgetragene Kontroverse nahm ihren Ausgang von der Frage, ob die Anhänger des Augsburgischen Be­kenntnisses mit der erzwungenen Rückkehr zu altgläubigen Riten zugleich ihren evangelischen Glauben verrieten oder ob solche religiös-kultischen Äußerlichkeiten lediglich heilsirrelevante »Mitteldinge« darstellten, verband sich aber darüber hinaus alsbald mit dem prinzipiellen Problem, ob bzw. inwieweit der weltlichen Ob­rigkeit in geistlichen oder kirchlichen Angelegenheiten eine Re­-gelungs- und Weisungskompetenz zuzugestehen sei. Als Reihen- und Bandherausgeberin verfasste die Mainzer Kirchenhistorikerin Irene Dingel eine verlässlich informierende, dichte »Historische Einleitung« (3–14), in der sie erstmals eine präzise geschichtliche Zuordnung des Adiaphoristischen Streits vornimmt, indem sie ihn nicht mehr, wie bislang zumeist, auf das Augsburger Interim von 1548 bezieht, sondern quellenscharf nachzuweisen vermag, dass er erst durch die für den Leipziger Landtag desselben Jahres ausgearbeitete Kompromissformel des sog. Leipziger Interims ausgelöst wurde.
Der Band versammelt in ungekürztem Umfang elf der wich­-tigs­ten Quellenschriften zum Adiaphoristischen Streit. Sie stammen größerenteils von den Protagonisten Matthias Flacius Illyricus, Nikolaus Gallus, Johannes Pfeffinger und Nikolaus von Amsdorf und werden durch drei anonym publizierte Schriften zur Sache ergänzt. Die Bandbearbeiter Jan Martin Lies und Hans-Otto Schneider versahen die Texte, denen sie jeweils eine bündige Einleitung voranstellten, mit ebenso gelehrten wie hilfreichen historisch-kritischen Anmerkungen. Dabei werden nicht allein Zitate und Anspielungen nachgewiesen und schwer verständliche Wörter oder Umstände erläutert, sondern gelegentlich auch weitere ge­schichtliche Hintergründe erhellt. Die Benutzer des Bandes werden diese akribisch erarbeiteten Verstehenshilfen dankbar zu schätzen wissen und sich daran gewiss nicht stören, dass manche Literaturverweise deutlich schneller veralten dürften als die vorliegende, vorzügliche Edition oder dass manche Erläuterungen (etwa der Hinweis, des »Phil[ippi] mund« gehöre Philipp Melanchthon [34]) vielleicht nicht unbedingt nötig gewesen wären.
Die Beigabe eines ausführlichen Literaturverzeichnisses sowie detaillierter Register zu den aufscheinenden Personen, geographischen Namen, Bibelstellen und Zitaten vollenden diese mustergültige kirchenhistorische Edition. Die drei bislang publizierten Bände der Reihe sind im Abstand von jeweils zwei Jahren erschienen. Der Herausgeberin und ihrem Team ist zu wünschen, dass ihr wichtiges Unternehmen auch weiterhin mit unverminderter Be­harrungskraft und Editionskompetenz seinen Fortgang nimmt.