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Ausgabe:

Mai/2013

Spalte:

563–565

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Young, Robb Andrew

Titel/Untertitel:

Hezekiah in History and Tradition.

Verlag:

Leiden u. a.: Brill 2012. XVII, 367 S. = Supplements to Vetus Testamentum, 155. Lw. EUR 128,00. ISBN 978-90-04-21608-2.

Rezensent:

Thomas Wagner

Mit diesem Buch legt Robb A. Young eine überarbeitete Fassung seiner 2011 an der Yale University von Robert R. Wilson und John J. Collins begutachteten Dissertation vor. Die Untersuchung ist in drei Abschnitte gegliedert: 1. Hiskia in außerbiblischen Quellen (Ka­pitel 1–3); 2. Hiskia in den Königebüchern und in Protojesaja (Kapitel 4–6); 3. Hiskia in der Chronik (Kapitel 7–9). Zusammenfas­sung und Ausblick, Übersetzungen von 2Kön 18–20 und 2Chr 31,1–19 sowie verschiedene Register schließen das Buch ab.
In Kapitel 1 (9–33) ordnet Y. die Zeit Hiskias in die judäische Geschichte ein und bestimmt als Herrschaftsdauer Nisan 725 bis Adar 696 v. Chr. Anschließend wendet er sich den militärischen und wirtschaftspolitischen Maßnahmen Hiskias zu (Kapitel 2, 35–59). In den ersten Regierungsjahren weitete Hiskia sein Einflussgebiet aus. Die territorialen Erweiterungen und den Ausbau Jerusalems deutet Y. vor allem unter ökonomischen Gesichtspunkten. Nicht der Schutz des eigenen Volkes vor dem Feldzug Sanheribs, sondern der Bevölkerungszuwachs durch die Flüchtlinge aus dem Nordreich machte den Ausbau Jerusalems sowie die Erschließung von Schefala und Negeb nötig. Zeichen dieses Prozesses sind die lmlk-Siegel. Diese deuten auf eine Ausweitung des Steuergebietes in die genannten Regionen hin. Während des 3. Feldzugs Sanheribs wurden diese Gebiete zerstört (Kapitel 3, 61–87). In den Zerstörungsschichten wurde eine hohe Anzahl von lmlk-Siegeln nachgewiesen, von denen keine weiteren in höheren Schichten gefunden wurden. Daraus folgert Y., dass Hiskia seine Steuerpolitik nach dem Feldzug Sanheribs nicht fortsetzen konnte.
In Kapitel 4 (91–121) setzt sich Young mit der Kultrefom Hiskias auseinander. Dazu bezieht er sich zunächst auf Untersuchungen der Heiligtümer in Arad, Beer-Scheba und Lachisch. Diese konnten Zerstörungen am Ende des 8. Jh.s v. Chr. nachweisen, deren Ausmaß eine Fortführung des Kultbetriebes jedoch zuließen. Gegenstand der Reform Hiskias war nach Y. die Zentralisierung des JHWH-Kultes, nicht aber die Unterdrückung fremder Kulte. Als Grundlage dieses Prozesses sieht er die literarisch früheste Schicht des auf Nordreichstraditionen basierenden dtn Gesetzes an.
Kapitel 5 (123–150) behandelt die Beziehung von 2Kön 18,13–20,19 und Jes 36–39. Dabei lehnt sich Y. an das seit W. Gesenius (1821) vertretene Drei-Quellenmodell an und modifiziert es geringfügig. Aufgrund semantischer und motivischer Bezüge postuliert er den Ursprung von 2Kön 18,17–19,37/Jes 36 f. im Jesajabuch; 2Kön 20/Jes 38 f. weist er dem Königebuch zu. Anschließend widmet sich Y. den messianischen Weissagungen des Jesajabuches (Kapitel 6, 151–191), die er auf Hiskia bezieht. Jes 8,23–9,6 datiert er unmittelbar nach 732 v. Chr. und damit noch vor dem Amtsantritt Hiskias. Mit dem Orakel verkündet Jesaja die Machtübernahme des kommenden Königs auch über das Nordreich. Im selben Zeitabschnitt entstand die Weissagung in Jes 10,33–11,9, mit der Hiskia als idealer König vorgestellt wird. Schließlich identifiziert Y. ihn auch mit dem in Jes 7,10–17 angekündigten Immanuel.
Im abschließenden dritten Teil untersucht Y. 2Chr 29 f. (Kapitel 7, 195–233) sowie 2Chr 31 f. (Kapitel 8, 235–255) hinsichtlich ihres historischen Gehaltes. Er klassifiziert die Berichte in ihrer vorliegenden literarischen Form als nicht historisch, versteht die in ihnen geschilderten Ereignisse jedoch als Erinnerung an reale Begebenheiten. Dies gilt insbesondere für die Tempelrestauration (2Chr 29), das Pessah (2Chr 30), die Austeilung der Anteile an die Leviten (2Chr 31,1), die Baumaßnahmen (2Chr 32,3–6) sowie den wirtschaftlichen Erfolg (2Chr 32,27–30). Abschließend betrachtet er das chr Hiskia-Bild (Kapitel 9, 257–281). Die Darstellung Hiskias in 2Chr ist sowohl am chr David- als auch am Salomo-Bild orientiert. Die Herrschaft Hiskias wird als Erneuerung des davidischen Kö­nigtums geschildert. Trotz der aufgezeigten Überzeichnung der Hiskia-Figur durch das David- und Salomo-Bild kommt Y. zu dem Schluss, dass 2Chr (und nicht 2Kön) das Bild des historischen Hiskia bewahrte.
Die Studie basiert im Einzelnen auf sorgfältigen Untersuchungen und weist Y. als profunden Kenner biblischer, altorientalischer und ägyptischer Quellen aus. In seiner Analyse zeichnet er ein umfassendes Bild des historischen Königs und der im Rezeptionsprozess entstandenen Hiskia-Figur. Allerdings weist die Studie einige Schwächen auf: Y. steigt in einzelne Abschnitte seiner Untersuchung nicht mit einer Textexegese, sondern mit kontrovers diskutierten Einzelaspekten ein. Damit spitzt er seine Fragestellungen zu, ohne diese an den Texten zu entwickeln. Eigenstän­-dige Beobachtungen werden wiederholt als Korrektur bisheriger Deutungen vortragen, womit sie bei der Lektüre an Gewicht verlieren.
Neben der Form der Darstellung sind methodische Aspekte für die weitere Rezeption der Untersuchungsergebnisse kritisch zu bedenken. Y. verwendet zur Rekonstruktion des historischen Hiskia im ersten Teil seiner Studie vor allem außerbiblische Quellen, ohne diese ideologiekritisch auszuwerten und sie auf ihre literarischen Beziehungen zueinander zu untersuchen. Dieses wäre vor allem für die Analyse der Sanherib-Tradition wichtig, aus der er sich einzig auf die Überlieferung des Herodot von Halikarnus bezieht. Babylonische Quellen zeichnen ein vergleichbares Sanherib-Bild, so dass im Blick auf die biblische Sanherib-Erzählung eine Untersuchung der Beziehungen dieser Texte und der in ihnen verwendeten lite­-ra­rischen Topoi nötig gewesen wäre. Zudem be­müht sich Y., unterschiedliche Erzählungen im Blick auf einen gemeinsamen histo­-rischen Grund zu harmonisieren, ohne die jeweilige Intention der Texte näher zu betrachten (ausdrücklich 70f.).
Weitere methodische Probleme treten bei der Analyse des Ur­sprungs der biblischen Hiskia-Erzählung auf. Die redaktionsgeschichtliche Zuweisung der beiden Abschnitte 2Kön 18,17–19,37/Jes 36 f. und 2Kön 20/Jes 38 f. basiert zwar auf semantischen und mo­-tivischen Beobachtungen, lässt aber textkritische und kompositionsgeschichtliche Aspekte weitgehend außen vor. Besonders in diesem Zusammenhang fällt auf, dass Y. eine Vielzahl deutschsprachiger Forschungen – vor allem zum Jesajabuch sowie zum DtrG – nicht berücksichtigt. An ihren Ergebnissen sind die von Y. geäußerten Thesen in der Rezeption des vorliegenden Werkes kritisch zu prüfen.
Bei der Untersuchung des chr Hiskia-Bildes beschränkt sich Y. schließlich rein auf traditionsgeschichtliche Aspekte. Er folgert aufgrund der aufgezeigten Abweichungen von vermuteten Prätexten, dass es Erinnerungen an historische Begebenheiten der Zeit Hiskias sind, die die Unterschiede evozierten. Die Annahme einer Projektion aktueller Gegebenheiten in die Zeit Hiskias lehnt er grundsätzlich ab, ohne ihre Relevanz zu prüfen (vgl. 281 f.). Damit bleibt das abschließende Urteil, das ChrG zeichne trotz der Übermalung durch eine David-Salomo-Typologie ein realistischeres Hiskia-Bild als das DtrG, letztendlich fragwürdig.