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Ausgabe:

Mai/2013

Spalte:

557–559

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Dearman, J. Andrew

Titel/Untertitel:

The Book of Hosea.

Verlag:

Grand Rapids u. a.: Wm. B. Eerdmans 2010. XIV, 408 S. = The New International Commentary on the Old Testament. Lw. US$ 45,00. ISBN 978-0-8028-2539-1.

Rezensent:

Jutta Krispenz

Die Reihe »The New International Commentary on the Old Testament« hat zum Ziel, die biblischen Texte vom Standpunkt des als »evangelical« bezeichneten – also am ehesten des evangelisch-freikirchlichen – Christentums her zu interpretieren. Darüber hinaus beanspruchen die Kommentare, eine wissenschaftlich fundierte und auch jenseits der unterschiedlichen Denominationen in den USA vertretbare Lektüre der Texte zu präsentieren.
Andrew J. Dearman hat es in dieser Reihe unternommen, das Buch Hosea, die erste Schrift des Zwölfprophetenbuches, zu kommentieren. Die 14 Kapitel des Hoseabuches gehören zu den be­kanntermaßen schwierigen Texten des Alten Testamentes.
Der eigentlichen Kommentierung der Texte ist, wie üblich, eine Einleitung vorangestellt. Sie enthält Grundinformationen, die für das Verständnis des gesamten Buches vonnöten sind, und gibt einen Einblick in die Vorgehensweise des Exegeten und die Ausrichtung des Kommentars. Der Kommentar von D. widmet diesen Fragen die ersten 60 Seiten des Buches. Er behandelt darin zuerst in »Origins and Transmission«, wie er sich die Entstehung des Hoseabuches vorstellt. Es ist nach seiner Einschätzung auf der Grundlage der Verkündigung eines historischen Nordreichspropheten »Hosea« nach dem Untergang des Nordreiches nach der Zerstörung Samarias von Flüchtlingen in Juda erstmals niedergeschrieben worden (4). D. verfolgt die Entwicklung des Buches und der darin vertretenen Tradition bis zur Einfügung der Hoseaschrift in das Zwölfprophetenbuch (7). Er vertritt eine Sicht, die im Rahmen historisch-kritischer Exegese durchaus vertretbar ist, auch wenn es dort, wie D. ganz zutreffend vermerkt, keinen Konsens gibt über die Anfänge der Schrift und deren Fortentwicklung (5). Im folgenden Abschnitt »Literary Fea­-tures and Composition« erläutert D. zunächst die Schwierigkeiten, die dem Leser bei der Lektüre des Propheten Hosea begegnen. Neben den durch das Alter der Schrift bedingten Textverderbnissen ist es für ihn hauptsächlich der poetische Stil, der die Texte so schwer verstehbar macht: »His poetic elliptical style, frequent shift of subject, penchant for wordplay and assonance, formidable vocabulary, and even elements of a northern dialect, all contribute to the difficulty of handling and interpreting the text« (9). Innerhalb dieses Abschnittes findet der Leser einen ersten Exkurs zu »Similes and Metaphores for Political Actions in Hosea 4–14« (11–13). Diesem folgen im Verlauf des Kommentars eine lange Reihe weiterer Exkurse, die jeweils be­stimmte Sonderthemen aufgreifen. Damit, wie auch mit den im Anhang zu findenden thematischen Miniaturen, erschließt D. sich für die Interpretation des Textes neben dem linearen Textverlauf eine zweite Dimension der Auslegung. Schade nur, dass die Exkurse im Inhaltsverzeichnis nicht aufgeführt sind.
Der Abschnitt zu den literarischen Formen geht, nachdem er die im Buch verwendeten literarischen Formen behandelt hat, auch auf die Gesamtkomposition des Buches und dessen Aufbau ein. Der anschließende »Historical Background to Hosea’s Prophecy« ist für den Kommentar insofern bedeutungsvoll, als D., der für die Entstehung des Buches weitgehend der These A. Alts zum syrisch-ephraimitischen Krieg folgt, hier die dazugehörende geschichtliche Entwicklung des Konflikts der Kleinstaaten Palästina-Syriens mit der Großmacht Assur und in der Folge auch untereinander darstellt. Der letzte Abschnitt der Einleitung entfaltet »Hosea’s Theol­ogy« und macht etwa die Hälfte des Textes der Einleitung aus. Hoseas Theologie, so D., ist die Antwort Hoseas auf konkrete Ereignisse und Zustände in seinem Umfeld, eine Antwort, die bestimmt wird durch seine Überzeugung: »He does have a matrix that formed him and from which he developed a world-view and a corresponding set of convictions about theological integrity in common life« (30). Diese »narrative theology« bezieht die Vergangenheit in Ge­stalt der Hosea bekannten Traditionen Israels auf die Gegenwart des Propheten.
Das Geschichtskonzept, das dabei zugrunde gelegt werde, weise drei Perioden auf: die Zeit der Vorfahren Israels, besonders die Jakob-Bethel-Tradition, dann die entscheidende Zeit des Exodus und der Wüstenwanderung, der die Vätertradition untergeordnet sei, und schließlich die Zeit im Land, die bis in die Zeit Hoseas reiche. Der mittleren Periode sind zahlreiche Metaphern zugeordnet, wobei nach D. Israel als Haushalt JHWHs die Wurzelmetapher bilde. Diese Wurzelmetapher zusammen mit der Metapher des Bundes als Heirat bilden den Filter, durch den D. im Folgenden theologisch zentrale Themen auswählt, die jeweils ausgehend von Textabschnitten aus dem Hoseabuch entfaltet werden. Die dabei ausgewählten Texte sind: Hos 12,10; 13,4–5; 9,10a; 14,5; 12,14; 8,1; 8,5; 2,10; 2,2). D. entwickelt die Theologie Hoseas offenbar vorwiegend ausgehend von Texten, die dem zumeist als späterer Reflexion verpflichteten Rahmen des Buches (Hos 1–3; 12–14) angehören. Den beiden für D. zentralen Metaphernfeldern in der Hoseaschrift widmet D. zwei weitere Unterabschnitte zur Theologie. Israel als Haushalt JHWHs ist für D. das zentrale Bild, von dem aus Hoseas Theologie sich verstehen lässt: »The metaphor functions like a map to explain origins, journey, and destination. Through it the prophet drew connections from his theological matrix of exodus-wilderness-fruitful land and shaped his critique of religious practice, so­cial structure and political relations. The exclusive service, the co­-venantal ethos that YHWH demands from ›his‹ people, is like that of the household ethos, in which the wife and children are expected to honor and obey the patrimonial head.« (48). Diesem zentralen Bild ist die Metaphorik von Ehe und Bund untergeordnet. Der Bund ist bekanntlich im Alten Orient Teil der politischen Begrifflichkeit von Vasallenverträgen. Mit dem Begriff »Liebe« wird dort auf die faktische Unterordnung eines Staates unter einen anderen referiert. Die Ehemetapher verbindet diese Begrifflichkeit mit der Wurzelmetapher »Israel als Haushalt JHWHs«. Allerdings wird im Verlauf der Darstellung der Ehemetapher deutlich, dass auch D. sich dem biographischen Sog von Hos 1–3 nicht entziehen kann: »We probably should not think of 1:9b or 2:2 (MT 4) as an official divorce declaration, but they do function to reverse a marriage (de facto). The difference is light, yet significant, since it is not clear that Hosea and Gomer were officially divorced« (57). Zusammen mit der Betonung des Rahmens bei der Erhebung der Theologie des Hosea ergibt das eine Neigung, den gesamten Hoseatext auf der Endstufe zu interpretieren und mit dem historischen Hosea zu verbinden. Diese Neigung würde die Rez. zu den schwächeren Seiten des Kommentars rechnen. Die Person des Hosea mitsamt biographischer Angaben zu dessen »Ehe« ist nur im vermutlich später angefügten Rahmen belegt, dessen Datierung in die Zeit vor den Fall Samarias 722 v. Chr. derzeit eher wenige Exegeten zustimmen dürften .
Neben dieser sehr konservativen Grundausrichtung, die D. auch veranlasst, redaktionsgeschichtliche Überlegungen nur selten zu bedenken und noch seltener aufzunehmen, kann man der Textbehandlung, die die eigentliche Kommentierung prägt, ganz gewiss Solidität bescheinigen. D. analysiert die schwierigen Texte sorgfältig, geht auf philologische Probleme ein und erläutert stilis­tische Besonderheiten, auch wenn er bei der Behandlung der literarischen Gestaltung vielleicht nicht ganz die Erwartungen erfüllt, die die Einleitung weckt. Die bereits erwähnten zahlreichen Exkurse geben dem Kommentar ein eigenes Gepräge, bei dem thematische Linien immer wieder in den Vordergrund rücken. Auch die zehn Anhänge (»Baal in Hosea«, »The Song of Moses and Hosea«, »Flora and Fauna Metaphors in Hosea«, »Love in the Prophecy of Hosea«, »Psalm 106 and Hosea«, »Sexual Infidelity in Hosea«; »Terms for Election in Hosea«; »Transjordan in Hosea«, »Worship Centers in Hosea« und »YHWH’s Self-Definition (Exod. 34:6–7) and Hosea« ge­hen in diese Richtung.
Register zu Sachen, Autoren, biblischen und antiken Texten und fremdsprachigen Begriffen vervollständigen den sehr emp­fehlenswerten Kommentar.